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Die Schifffahrtsaktienmärkte haben den Sommer entgegen den Erwartungen verhältnismäßig gut überstanden. Können wir jetzt mit einer Fortsetzung dieser erfreulichen Entwicklung rechnen? Der breite Markt kann die Verluste aus dem Frühjahr wieder ausgleichen
Wir hatten in der Juli-Ausgabe der HANSA gemutmaßt, dass die Schifffahrtsaktienmärkte im Sommer vielleicht noch einmal ihre Tiefs aus[ds_preview] dem Frühjahr testen würden. Dieses Szenario ist glücklicherweise nicht eingetreten, wenn man von der Kursentwicklung des Tanker-Sektors absieht. Der Notos Shipping Index konnte im dritten Quartal mit einem Zugewinn von knapp 3,1% die Verluste aus dem zweiten Quartal annähernd egalisieren.

Energie-Titel weiter gemieden

Es fällt auf, dass die drei Sektoren Tanker, Offshore und Gas im Sommer unisono negative Renditen aufweisen, während die »trockenen« Märkte Bulker, Liner und sogar die Container-Owner durchweg im positiven Bereich liegen. Bei den Tankern zeigt sich, dass nach zwei sehr guten Jahren die Charterraten und Secondhand-Preise über den Sommer stärker nachgaben, was sich überdurchschnittlich auf die Aktien der Unternehmen auswirkte. Es stimmt uns jedoch zuversichtlich, dass die Charterraten zuletzt wieder zulegen konnten. Zudem steht das zyklisch starke Winterhalbjahr auf der Nordhalbkugel bevor, so dass wir mit einer Verbesserung der Stimmung in den nächsten Wochen rechnen.

Totgesagte leben länger

Bemerkenswert ist die überaus starke prozentuale Performance von über 30% der Bulker-Aktien im Sommer. Auch wenn man einwenden kann, dass diese prozentualen Gewinne von einem sehr niedrigen Niveau erfolgten, zeigt sich einmal mehr, dass die Nacht vor dem Sonnenaufgang besonders dunkel ist, wie wir treffenderweise vor drei Monaten bereits orakelt haben.

Triebfeder dieser Entwicklung sind die steigenden Raten im Markt, die man gut am Baltic-Dry-Index ablesen kann, der von 290 Punkten auf nunmehr 941 Punkte ansteigen konnte. Auch die Schiffspreise konnten im selben Zeitraum leicht zulegen.

Bei aller Euphorie darf man jedoch nicht vergessen, dass die aktuellen Charterraten für die meisten Owner weiterhin keinen profitablen Betrieb zulassen. Die Börse nimmt hier bereits einen guten Teil der erwarteten fundamentalen Erholung vorweg.

Konsolidierung im LPG-Markt

Letzte Woche hat BW LPG das lange erwartete Übernahmeangebot für Aurora angekündigt. Nachdem Avance Gas’ Angebot im Frühjahr noch abgelehnt wurde, rechnen wir angesichts der angespannten Liquiditätslage bei Aurora mit einer erfolgreichen Übernahme. Auch wenn die Marktentwicklung für LPG-Tanker derzeit noch schwierig ist, kann man dem Management von BW LPG vermutlich bereits jetzt zum gelungenen Coup gratulieren. BW LPG sichert sich nahe am Markttief eine Flotte von neun nagelneuen koreanischen VLGCs zu Discount-Preisen.

»… und da waren’s nur noch neun«

Hauptthema des Sommers war jedoch sicherlich der Untergang von Hanjin Shipping. Im Nachhinein muss man dem Management vom Wettbewerber Hyundai Merchant Marine (HMM) gratulieren, dass sie es in letzter Minute geschafft haben, ihre Gläubiger vom Restrukturierungsplan zu überzeugen. Hanjin Shipping gelang dieses Kunststück hingegen nicht.

Dieser Fehlschlag hat sicherlich mehrere Gründe: fehlender politischer Wille, ein zu langes Hinauszögern, eine extreme Kurzfristigkeit der Finanzschulden, Uneinigkeit innerhalb der Gläubigergruppe. Erfolgreiche Restrukturierungen wie bei CSAV, CCNI, Hapag-Lloyd oder ZIM fußten auf einer Kooperation der Gläubiger. Dies war augenscheinlich bei Hanjin nicht gegeben, wie man auch an den öffentlichen Statements mancher Owner im Vorfeld der Insolvenz ablesen konnte.

Dabei ist der Entwicklungspfad von Hanjin Shipping bereits seit Anfang 2010 eindrucksvoll dokumentiert. Rechnet man den Kursverlauf von Hanjin Shipping in US-Dollar um und stellt ihn relativ zum Sektor-Index dar, zeigt sich die ganze Misere in Abbildung 2. Das Unternehmen underperformt den eigenen Sektor-Index kontinuierlich seit mehr als sechs Jahren. Man mag sich fragen, was das Management in dieser Zeit getan hat, um das Ruder herumzureißen. Wenn man dann im Sommer 2016 auf einmal annähernd 90% der Schulden mit einer Restlaufzeit von unter einem Jahr in der Bilanz hat, ist man natürlich nicht mehr handlungsfähig und nur noch vom Wohlwollen der Gläubiger abhängig – das dann aber im entscheidenden Moment versagt wurde.

Ausgleich in der 90. Minute?

Nach den erfreulichen Avancen des Bulkermarktes fühlen wir uns ermuntert, für das vierte Quartal eine »positive Fortführungsprognose« abzugeben. Wir rechnen mit einer Fortsetzung der positiven Tendenz bei den Bulkern sowie mit einer Verbesserung im Crude-, LNG- und LPG-Markt, so dass wir uns zu der »wahnwitzigen« Prognose hinreißen lassen, dass die Schifffahrtsaktien in 2016 im Durchschnitt vielleicht sogar ein leichtes Plus zeigen können. Hierbei hilft natürlich der Basiseffekt, weil die Kurse Ende 2015 nahe der Jahrestiefstkurse schlossen. In diesem Sinne: Wer wagt, gewinnt!