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Nicht nur in der Kreuzfahrt, auch in der Fährschifffahrt gilt Asien als Wachstumsmarkt

für Neubauten – wenn auch aus unterschiedlichen Gründen. Bislang mangelte es am Investitionswillen. Doch europäische Entwickler sind zuversichtlich.
Die allgemeine Wahrnehmung der Fährschifffahrt ist zweigeteilt. Auf der einen Seite der (vor allem nord-)europäische Verkehr mit gut ausgestatteten[ds_preview] Schiffen sowie modernen und energieeffizienten Neubauprojekten. Die Branche durchläuft zur Zeit einen Wandel, der aus tiefgreifenden regulatorischen Änderungen resultiert: die Einführung von Emissionsschutzgebieten (ECAs) erfordert von den Reedereien ein Umdenken. Deren Anpassungen sind vielfältig, die Unternehmen setzen beispielsweise auf Abgaswäscher (Scrubber), LNG, Landstrom oder Batterie- beziehungsweise Hybrid-Systeme.

Auf der anderen Seite der Fährverkehr in Asien. Ein sehr großer Markt, der allerdings immer wieder mit Havarien und tragischen Unglücken in den Fokus der Öffentlichkeit rückt. Nach einer Analyse des finnischen Entwicklungsbüros Deltamarin haben diejenigen Schiffe, die in schwere Havarien verwickelt sind, einen recht »charakteristischen Lebenslauf«. Demnach verkehren sie die ersten 10 bis 15 Jahre in Nordeuropa oder Japan, um dann als Secondhand-Tonnage in Märkten mit weniger Komfortansprüchen wie dem Mittelmeer oder China eingesetzt zu werden. Nach weiteren zehn Jahren setzt sich ihre Odyssee fort, mit Beschäftigungen als Thirdhand-Fähren in Regionen wie Philippinen, Indonesien, Bangladesch oder Tansania.

Strenge Vorgaben wie in Europa gibt es in Asien noch nicht – einer der Gründe für das Festhalten an veralteter Tonnage. Das könnte sich in Zukunft ändern. So kommen etwa aus China deutliche Signale, das dort weitere ECAs ausgerufen werden könnten. Andere Staaten in Nord- und Südostasien könnten zumindest langfristig folgen. Denn der umweltpolitische Druck wächst stetig, zudem kann eine Flottenmodernisierung auch als Unterstützung für die darbende Werftindustrie genutzt werden.

Eine Übertragung europäischer Trends auf die asiatischen Gewässer ist jedoch sehr schwierig. Zum Beispiel die Batterietechnologie: Gerade auf den vielen Inseln und auch in größeren Märkten wie China dürfte es an ausreichender Infrastruktur für das Laden der Blöcke mangeln. Beim Flüssiggas sieht es ähnlich aus. Auch wenn die Batterien immer leistungsstärker und auch kostengünstiger werden – wenn schon in Europa technische und infrastrukturelle Probleme wie mangelnde LNG-Bunkerkapazitäten oder Schwierigkeiten beim Batteriebetrieb nicht vermieden werden können, scheinen Zweifel an einer umfangreichen Umsetzung in Asien angebracht. Zudem dürften nur wenige Werften in der Lage sein, diese technisch anspruchsvolleren Projekte zu realisieren.

Die treibendere Kraft für neue Projekte ist beziehungsweise wird ohnehin weniger die Umwelt als vielmehr die mangelnde Sicherheit der Bestandsflotte sowie eine steigende Nachfrage nach Fährpassagen.

Die Erkenntnis der Notwendigkeit von Modernisierungen setzt sich unter den Fährenbetreibern vermehrt durch, bestätigen europäische Design-Büros. Bei OSK-ShipTech mit Hauptsitz in Kopenhagen etwa registriert man ein relativ stark wachsendes Interesse aus China: »Diverse Werften und Reedereien sind schon auf uns zugekommen und haben Unterstützung für Neubauten angefragt, weil in China noch das nötige Knowhow fehlt«, sagt Entwicklerin Camilla Carolina Horn der HANSA. Die Chinesen seien mittlerweile viel offener für eine Zusammenarbeit. »Es gibt dort einen riesigen Markt. Man kommt aber erst jetzt zusammen, weil die Europäer zu lange nicht vor Ort präsent waren«, so Horn weiter. OSK-ShipTech – unter anderem beteiligt an der Entwicklung des Neubaus für Irish Ferries, der im Sommer bei der FSG-Werft in Flensburg in Auftrag gegeben wurde – hofft darauf, mit der zuletzt realisierten Gotland-Fähre ein Referenzprojekt vorweisen zu können, dass auch Auftraggeber aus Fernost überzeugt.

Beim dänischen Wettbewerber Knud E. Hansen sieht man ebenfalls Potential in Asien, allerdings nicht nur in China, sondern ebenso auf den Philippinen, in Indonesien oder Malaysia – wenn auch mit Einschränkungen. »Der Markt ist immens groß mit tausenden Inseln. Ein Problem ist allerdings die Finanzierung. Vielerorts fehlt das Geld für Neubauinvestitionen«, meint Christian Bursche aus der britischen Niederlassung gegenüber der HANSA. Außerdem konkurrieren die Fährreedereien wie die staatliche indonesische Reederei Pelni mit immer mehr Billigfluganbietern, deren Angebote sich dank der wirtschaftlichen Entwicklung immer mehr Menschen leisten können. Das wirke sich natürlich auf die Finanzkraft der Reedereien aus, so Bursche. »Ein Markt mit Wachstumspotential könnte aber die Autofährenschifffahrt werden, weil mehr Menschen sich ein Auto leisten. Die Tonnage ist allerdings sehr alt«, meint der Ingenieur. Ein großes Problem – und damit ein wichtiger Neubauanreiz – sei die mangelhafte Sicherheit. »Das ist eine strukturelle Sache in der Region. Es liegt nicht nur am Alter der Fähren, sondern auch am Betrieb.« Das mangelnde Sicherheitsempfinden sei möglicherweise sogar ein größeres Hindernis für eine Flottenmodernisierung als die fehlende Kapitalkraft.

Ein konkretes aktuelles Projekt haben Bursche und seine Kollegen für Asien oder Südostasien derzeit nicht in Arbeit, es gibt lediglich erste vage Gespräche mit Interessenten. Zuletzt war man im Fährensegment in einer sehr speziellen Nische aktiv. So entwickelten die Experten von Knud E. Hansen das 500 GT-Schiff »Mataliki«, eine Fähre für 60 Passagiere und 12 Crew-Mitglieder, die mit finanzieller Unterstützung der neuseeländischen Regierung bei Western Marine in Bangladesch gebaut und seit einigen Monaten in den Gewässern von Tokelau aktiv ist, einer von Neuseeland abhängigen Insel-Region im Südpazifik mit 1.500 Einwohnern. Der von Lloyds Register klassifizierte Neubau mit einer Tragfähigkeit von 185t und einer Ladekapazität für fünf 10-Fuß-Container verkehrt zwischen Tokelau und Samoa. Schon Anfang 2014 war Knud E. Hansen an der Entwicklung einer 120m-RoPax-Fähre für eine Verbindung in der Inselregion Hainan beteiligt. CS Marine aus Shanghai und die Bo Hai Shipyard hatten das Projekt im Auftrag der dortigen Provinzregierung angestoßen.

Seitdem hat sich das Interesse zwar etwas gelegt. Aber das grundsätzliche Potential ist da, auch für kleine Spezialschiffe wie die »Mataliki«. »Ich kann mir gut vorstellen, dass sich das Design zu einem Prototypen für weitere Regionen mit sehr kleinen Inseln entwickelt«, sagt Ken Goh, Geschäftsführer bei Knud E. Hansen in Australien. Der Manager erwartet kurz- und mittelfristig einen höheren Anteil Neubauten an der weltweiten Flottenmodernisierung: »Wir werden auch weiterhin den Secondhand-Handel sehen, aber gerade die größeren Akteure dürften die aktuell niedrigen Neubaupreise nutzen.« Die umweltpolitische Regulierung trage ebenfalls dazu bei.

Um einiges weiter ist man beim finnischen Entwickler Deltamarin. Die Tochter der chinesischen, auch im Schiffbau sehr aktiven AVIC-Gruppe vermarktet seit kurzem ihr RoPax-Projekt »DeltaSafer«. Zwar steht auch hier das fehlende Kapital oft einem konkreten Auftrag im Weg, so dass es noch keine fortgeschrittenen Gespräche mit potentiellen Auftraggebern gibt. Projektmanager Grzegorz Mazerski ist dennoch zuversichtlich, dass die Argumente für das Design sehr schlagkräftig sind, zumal der Kostenaspekt eine zentrale Rolle spielt. »Natürlich können die Reeder ihre tatsächlich überalteten Flotten auch mit Secondhand-Tonnage erneuern. Es wäre extrem schwierig für uns, mit den Preisen zu konkurrieren. Mit uns könnten sie jedoch Neubauten realisieren, die in hohem Maße auf ihre Bedürfnisse zugeschnitten und gleichzeitig sehr günstig sind«, sagt Mazerski. Deltamarin hat drei Basis-Designs entwickelt, von denen eines für den China- und Koreaverkehr und eines für Indonesien und die Philip­pinen angepasst wurde, letzteres etwas kleiner, aber mit höherer Passagierkapazität. »Berücksichtigt wurden beispielsweise das Komfort-Level und die unterschiedlichen Schlafgewohnheiten. Im philippinischen Markt etwa schlafen die Passagiere oft in großen Sälen mit 100 oder 200 Personen. Das wäre in Europa undenkbar, in Südostasien aber üblich. Das hat natürlich Auswirkungen auf das Design«, so der Projektmanager weiter. Zu den Kernparametern bei den Prototypen gehören darüber hinaus der Stauraum für rollende Ladung (lane meters), die Tragfähigkeit und die Geschwindigkeit.

Ein Vorteil könne sich aus der Konsolidierung in der Reedereibranche vor Ort ergeben, meinen die Deltamarin-Experten. »Die Struktur ändert sich ständig. Für die philippinischen Routen gab es etwa lange Zeit fünf bis sechs größere Anbieter, nach einigen Konsolidierungsmaßnahmen sind mittlerweile ein großer namens 2Go Shipping und einen mittelgroßer übrig geblieben«, erläutert Mazerski. Zum Teil ist der Staat involviert, allerdings nicht in dem Ausmaß wie in China, wo lokale oder regionale Behörden nicht selten Eigner oder zumindest Co-Eigner von Fährreedereien sind. »Es gibt auch komplett private Reedereien. Bevorzugt sprechen wir allerdings Unternehmen mit staatlicher Beteiligung an.« Der Grund hierfür sei, dass man hoffe, diese Eigner leichter mit dem Argument der erhöhten Schiffssicherheit überzeugen zu können – schwere Havarien mit vielen Toten werfen schließlich ein schlechtes Licht auf die jeweiligen Eigner und die betreffende Region. Staatliche Unternehmen seien für derartige Argumente empfänglicher, Private würden zum Teil zur (preisgünstigeren) Erfüllung von Minimalstandards tendieren, sagt Mazerski. Der DeltaSafer habe unter anderem eine redundante Antriebsanlage für eine sichere Rückkehr in einen Hafen, die Abmessungen, etwa die Breite von 30m oder Doppelbodenstrukturen, seien auf eine erhöhte Stabilität ausgelegt. Auch der für schwere Witterungsbedingungen optimierte Rumpf und eine vereinfachte Anordnung der Passagierbereiche würden zu einer erhöhten Sicherheit beitragen, weil sie die Evakuierung in Notfällen erleichtere.

Ein wichtiges Pfand ist für Deltamarin der Kostenaspekt, man könne sehr günstig anbieten, heißt es. Erreicht werden soll das durch die Kooperation mit asiatischen Werften sowie einem hohen Maß an automatisierten Abläufen durch den Rückgriff auf einfache, wiederkehrende Stahlstrukturen und Produktionsprozesse. Ein zweiter Faktor ist die Zusammenarbeit mit asiatischen Zulieferern, die günstiger seien als ihre europäischen Konkurrenten. Mazerski erklärt: »Mittlerweile kann der größte Teil der benötigten Produkte auch in Asien bezogen werden. Und da wir mit dortigen Werften und Schiffseignern arbeiten wollen, gibt es keinen Druck, europäische Produkte zu verwenden.« Als Teil der AVIC-Gruppe liegt eine Zusammenarbeit mit der AVIC-Werft in Weihai nahe. Man sei aber nicht festgelegt, habe durch das vor fünf Jahren gegründete Engineeringbüro in China guten Kontakt zu 15 chinesischen Werften, heißt es.

Für die Design-Unternehmen ist klar: Angesichts steigender ökologischer und ökonomischer Anforderungen wird Europa auch in Zukunft ein wichtiger Markt für neue Fährprojekte bleiben. Wie die gesamte Branche stehen auch die Europäer vor Herausforderungen: etwa der »Brexit«, der nach Meinung von Guy Platten, CEO der der UK Chamber of Shipping, zu weniger RoPax-Verkehren mit Großbritannien führen könnte, das Ballastwasserabkommen oder weitere Umweltanforderugen. Johan Roos vom Branchenverband Interferry erwartet vom Energy Efficiency Deign Index, der seit einem Jahr für RoRo- und RoPax-Schiffe gilt, einige Impulse: »Fähren werden besondere Vorgaben gemacht, die sie kaum erfüllen können. Selbst brandneue Designs erreichen die bis 2020 nötige 20%-ige Verbesserung nicht. Wir arbeiten daher mit der IMO und der Fährbranche daran, eine Lösung zu finden, die Eignern Neubauaufträge ermöglichen.«

Allein aufgrund der Größe, der Vielzahl an Ländern und vor allem Inselgruppen in Kombination mit der zunehmenden Mobilität der dortigen Gesellschaften wird auch Asien einen immer größeren Stellenwert bekommen. Noch ist jedoch viel Überzeugungsarbeit nötig, sowohl bezüglich des Bewusstseins für Schiffssicherheit, als auch für einen umweltfreundlicheren Markt.