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Mit ihrer Fusion wollen die Börsen in Frankfurt und London die Weichen für eine bessere Zukunft stellen. Die Pläne sorgen für rege Debatten um Folgen und Standorte. Für die gelisteten maritimen Unternehmen dürfte sich jedoch allenfalls mittelfristig etwas ändern, meinen Experten. Auch negative Folgen sind denkbar
Seitdem das Projekt auf der Agenda steht, drehen sich die Diskussionen über mögliche Folgen vor allem um den Standort des[ds_preview] »neuen« Akteurs und damit nicht zuletzt um Arbeitsplätze, Steuern und Standortpolitik. Neuen Auftrieb erhielt die Debatte durch das »Brexit«-Votum der britischen Bevölkerung. Zwischen den Standort-Beiträgen mischten sich auch Meldungen zu den Auswirkungen auf die gelisteten Unternehmen – 3.283 sollen es nach der Fusion sein. Da darunter auch einige maritime Akteure wie Hapag-Lloyd, HHLA oder Eurokai sind, lohnt ein Blick auf diesen Aspekt.

Die beiden Börsenunternehmen aus Deutschland und Großbritannien betonen erwartungsgemäß die Vorteile der Fusion, halten sich abseits der offiziellen Bekanntmachungen zu Abstimmungen und Fortschritten aber bedeckt. Der Zugang zu globalen Märkten und unterschiedlichen Produkten werde nach einem Zusammenschluss durch Aktivitäten in über 30 Ländern und mehr als 70 Partnerschaften erleichtert, heißt es. Im Übrigen soll auch ein möglicher »Brexit« nichts an den Plänen ändern, beeilten sich die potentiellen Partner nach der Abstimmung zu verlautbaren. Nach wie vor hält man am Plan fest, die Fusion im ersten Halbjahr 2017 abzuschließen, bestätigt ein Sprecher der Deutschen Börse der HANSA. Realistisch sei das zweite Quartal.

Auf jeden Fall sei eine höhere Liquidität des Aktienmarktes zu erwarten, wodurch Investoren angezogen würden, betonen beide Börsen. Zu diesem Schluss kommt auch eine Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln – im Auftrag der Deutsche Börse Group erstellt. »Tiefere und liquidere Kapitalmärkte werden Unternehmen den Zugang zu einer größeren Auswahl an günstigen Finanzierungsalternativen ermöglichen«, heißt es darin. Denn eine hohe Liquidität senke das Risiko für Investoren, indem sie dazu beitrage, dass Orders immer zu attraktiven und unverzerrten Kursen ausgeführt werden können. »Durch die Verbindung zu London können deutsche Unternehmen Zugang zu einer breiteren Investorenbasis erhalten«, so die Studie. Erläutert wird dies unter anderem mit britischen Kennzahlen: »Die britischen Haushalte besitzen Vermögenswerte in Höhe von 193% des britischen BIP in Pensionsfonds und Versicherungsverträgen, während die britischen Finanzunternehmen über finanzielle Vermögenswerte in Höhe von 1.400 % des britischen BIP verfügen. Deutsche Unternehmen werden von der vorgeschlagenen Fusion durch einen besseren Zugang zu britischem Finanzkapital profitieren.« Nach Meinung von IW-Direktor Michael Hüther könnte dies vor allem auf Mittelständler zutreffen. Das Gros der deutschen Unternehmen finanziere sich noch immer nicht über Aktien und Anleihen, sondern über Bankkredite. Eine Fusion könnte das ändern, weil es Zugang zu großen internationalen Investoren verschaffen, ohne in London präsent sein zu müssen. »Entsprechend käme eine Fusion gerade kleineren, noch nicht so etablierten Unternehmen zugute, leichter an Kapital zu kommen«, sagt Hüther.

Kurzfristig ist damit jedoch eher nicht zu rechnen, das räumt die Deutsche Börse ein. »In den ersten sechs Monaten sind keine größeren Auswirkungen zu erwarten«, sagt der Sprecher. Wie schnell der Zugang zu einem potentiell größeren Investorenkreis Effekte zeigen wird, will er nicht bewerten, das sei spekulativ. Teil des Wertversprechens für die Fusion sei aber die Vereinheitlichung von Prozeduren und Standards, wodurch der Marktzugang erleichtert werde.

Ein unkomplizierter Prozess wird nicht von jedem erwartet. Aus einem in Frankfurt gelisteten Unternehmen heißt es, dass man nicht zwingend davon ausgehe, dass man automatisch auch in London gehandelt werde, sondern dass dies unter Umständen sogar zusätzliche Kosten verursache.

Bei Hapag-Lloyd, Deutschlands größter Containerlinienreederei und seit Herbst 2015 gelistet, erwartet man ebenfalls keine unmittelbaren Effekte diesbezüglich.

So vorteilhaft ein größerer Markt für die gelisteten Unternehmen sein mag, birgt er allerdings ebenso ein gewisses Risiko, meint Orestis Schinas, Leiter der Maritime Business School an der HSBA Hamburg School of Business Administration. Theoretisch könne der Markt zwar »tiefer« werden. »Das kann allerdings auch negative Folgen haben. Firmen, die beispielsweise an der Frankfurter Börse einen großen Stellenwert haben, könnten nach der Fusion künftig nicht mehr so große Bedeutung haben, weil sie für potenzielle Investoren eine größere Konkurrenz haben. Eine mögliche Folge könnte dann sein, dass ihre Aktien weniger gehandelt werden. Außerdem sollen diese Firmen eine ›arbitrage‹-Strategie vorlegen«, erläutert der Experte. Es würde ein größerer Markt für die gelisteten Unternehmen generiert, »aber ich bin mir nicht sicher, ob das unbedingt eine gute Nachricht sein muss.«