Print Friendly, PDF & Email

Im Seeverkehr mit verderblicher Ware zeichnet sich eine kleine Revolution ab: Ab 2017 sollen Empfänger von Produkten wie Frucht, Fleisch oder Arznei­mitteln, die in Kühlcontainern befördert werden, ihre Ladung während des gesamten Transports überwachen können.

Diesen neuen Service verspricht jedenfalls die Maersk Line, die auch größter Carrier im Reefer-Container-Segment ist. Den Umfang der[ds_preview] geplanten Sendungsverfolgung umriss die Leiterin Reefer-Verkehre bei Maersk, Shereen Zarkani, kürzlich auf der Cool Logistics Global-Konferenz in Bremen.

Neben dem Aufenthaltsort und Betriebszustand der Reefer-Container sollen Temperaturen sowie Luftzusammensetzung innerhalb der Container jederzeit online abrufbar sein. Die Daten liegen der weltgrößten Linienreederei schon seit fast anderthalb Jahren intern vor.

Seit Mai 2015 ist die gesamte Reefer-Equipment-Flotte (270.000TEU) der Dänen mit entsprechender Sensorik und Ortungstechnik ausgestattet. Das »Remote Container Monitoring«-Programm diente Maersk bislang nur dazu, die eigenen Transport- und Umschlagprozesse für Reefer-Frachtgut zu verbessern.

Mit der Öffnung des Angebots für den Markt voraussichtlich Mitte 2017 will das Unternehmen Kunden enger an sich binden und seinen Vorsprung im Reefergeschäft ausdehnen. Noch sei nicht entschieden, ob Verlader und Speditionen den neuen Service gratis oder gegen einen Aufpreis werden zubuchen können. Lohnen soll es sich für sie allemal, so Zarkani: »Es wird die Kunden in die Lage versetzen, ihre gesamte Lieferkette und Ladungslogistik zu verbessern.«

Bei technischen Störungen im Transportverlauf sei die Reederei in der Lage, umgehend zu reagieren und Dienstleister oder Terminals vorzuwarnen, damit Defekte so schnell wie möglich behoben werden können. Seien Auswirkungen auf die Qualität der Ware zu erwarten, könnten Warenempfänger schon vor Übernahme der Container alternative Verwertungswege für die Ware ausloten und schneller Ersatz beschaffen. Zudem lasse sich mit Hilfe der Datenprotokolle viel Geld bei der Bearbeitung, Regulierung und künftigen Prävention von Transportschäden sparen, so Zarkani.

Das Angebot von Maersk geht weiter über alle bisherigen Lösungen zur Sendungsverfolgung hinaus. Andere Reedereien wie Hapag-Lloyd bieten ein »Monitoring« nur für ausgewählte Geschäfte an und rüsten demzufolge nur einen kleinen Teil von Containern mit Sensoren aus. Zudem ist die Echtzeitverfolgung nur dann möglich, wenn sich die Container an Land bzw. in Landnähe befinden, weil die Systeme die Daten zumeist über das Mobilfunknetz senden.

Maersk dagegen kann mittels Satellitenübertragung auch auf hoher See auf die Container zugreifen. Einzige Einschränkung: Nicht alle eingesetzten Charterschiffe werden gleich zu Beginn für die laufende Datenübertragung ausgerüstet sein, wie Zarkani gegenüber der HANSA erklärte. Bei anwesenden Logistikfirmen und Verladern auf der Cool-Logistics-Konferenz stießen die Pläne Maersks auf ein positives Echo.

Frank Ganse, Leiter der globalen Reefer-Seefrachtverkehre bei Kühne + Nagel, geht davon aus, dass Maersk seine Führungsposition im Reefer-Containergeschäft durch Freischaltung der Daten ausbauen kann. Insbesondere für Verlader von hochsensiblen und sehr teuren Waren wie Pharmaerzeugnissen sei die lückenlose Verfolgung der Transporte von entscheidender Bedeutung. Entsprechend dürfte es der Reederei gelingen, »mehr Geschäft zu bekommen«, sagte Ganse. Maersks Wettbewerber stünden damit unter erhöhtem Druck. »Die anderen werden im Bereich der Mehrwertdienste und Transparenz nachziehen müssen, um wettbewerbsfähig zu bleiben.«

Schon seit Jahren pochten viele Kunden auf eine lückenlose Überwachung ihrer temperaturgeführten Seetransporte, weshalb sich Kühne + Nagel veranlasst gesehen habe, eine eigene Tracking-Lösung zu entwickeln. Für bestimmte Verkehre installiere der Speditionskonzern eigene Apparate in den Containern, um Temperaturverläufe während des Transports messen und übertragen zu können.

Ähnlich wie bei einigen anderen Logistikfirmen und Reedereien erlaube die Technologie keine Sendungsüberwachung in Echtzeit während der Seestrecke, wie es Maersk mit seiner satellitengestützten Lösung verspricht. Kühne + Nagel wolle aber sein eigenes »carrier-unabhängiges« Monitoring durch Integration neuer Lösungen wie die von Maersk ausbauen. Insofern würden sich die Systeme ergänzen, so Ganse.

Der Druck zu Innovationen in diesem Bereich dürfte aufgrund des abgeschwächten Transportwachstums in dem Segment noch zunehmen. Mehrwertdienste wie Sendungsverfolgung könnten zu einem wichtigen Faktor im Wettkampf um Ladung unter den Container-Linienreedereien werden.

So geht die Beratungsfirma Drewry in ihrem ‚Reefer Shipping Market Review & Forecast‘ davon aus, dass sich die jährliche Zuwachsrate beim globalen Reefer-Volumen in den kommenden Jahren auf 2,5% verringert. Im zurückliegenden Jahrzehnt seien die Übersee-Volumina bei »Perishables« pro Jahr um 3,1% gestiegen.

Größeres Potenzial liegt nach Einschätzung von Marktkennern noch bei Spezialitäten wie Pharmaerzeugnissen, die laut der niederländischen Marktforschungsfirma Seabury nur rund 3% aller Reefer-Verkehre ausmachen – gut 300.000TEU pro Jahr. Durch die zunehmende Verbreitung der »Good Distribution Practices« (GDP) als Qualitätsstandard für die Lieferkette könnte in den kommenden Jahren verstärkt Pharmaware in den Reefer-Container kommen, die bislang noch ohne Temperaturführung verladen wird. Wer eine lückenlose Verfolgbarkeit der Reefer-Transporte bieten kann, vergrößert seine Chancen in diesem Geschäft.