Roter Stern gibt Richtung vor

Print Friendly, PDF & Email

Übernahmen, Insolvenzen, Fusionen – die maritime Branche erlebt derzeit lange prophezeite Verschiebungen fast tektonischen Ausmaßes. Mit Blick auf die nötige Konsolidierung[ds_preview] ist das hilfreich. Zumal in »Schreckensnachrichten« zusätzliche Gefahren für den Welthandel durch politische Ereignisse kolportiert werden. Protektionistische Strategien vom künftigen US-Präsidenten Trump, national-ökonomische Tendenzen nicht nur in Europa, die nächste drohende EU-Krise durch das Referendum in Italien und und und…

Weil freier Welthandel stets mit Wachstum für die Schifffahrt gleichgesetzt wird, hört man Unkenrufe natürlich auch aus der maritimen Wirtschaft. Als hätte sie nicht schon genug Probleme. Jetzt kommt auch noch die Weltpolitik hinzu, auf die man sich jahrzehntelang (größtenteils) verlassen konnte, stand sie doch im Zeichen von Globalisierung und Handelsliberalisierung.

Als internes Heilmittel gilt heute die Verschrottung; ein Feld, dass mittlerweile eifrig beackert wird, wie Rekordzahlen zur Scrap-Flotte (2016 über 500.000 TEU) und zum Scrap-Alter (7 Jahre alte »India Rickmers«) belegen. Nun aber droht also die Weltpolitik einen Strich durch die Rechnung »Scrap + Reduzierung der Akteure = Erholung« zu machen, indem sie eine Variable hinzufügt.

So mancher hält dennoch nichts von Resignation. Denn wie so oft birgt die Situation auch Chancen; selbst der befürchtete Rückzug der Trump-USA aus dem Freihandel. Falls der so überhaupt eintritt, was angesichts der üblichen Diskrepanz zwischen Wahlkampf-Parolen und Politik-Programmen nicht in Stein gemeißelt scheint. Auch wenn die Freihandelsabkommen TTP (mit Pazifik-Anrainern) und TTIP (mit Europa) erst einmal in den Schubladen verschwinden dürften.

Eine dieser Chancen wäre eine »Globalisierung 2.0«, die jedoch weniger die OECD-Staaten als vielmehr andere Regionen betrifft. Anzeichen dafür gibt es: ehemalige »Billiglohnländer« wie China sind keine mehr, der »Nearshoring«-Trend verursacht eine Verlagerung von Produktionsstätten näher an die Empfängerländer heran. Das hat Auswirkungen.

Wandeln könnte sich auch der Transport in und aus Trump-Land. Erfüllen sich die Hoffnungen, erwacht die Industrie wieder zum Leben. Ähnliches gilt für das Öl-Segment. Der Präsident wird dessen Aufflackern nicht abwürgen wollen, zumal er bereits eine Deregulierung versprochen hat.

Ein größerer Strukturwandel mit Chancen für die Schifffahrt wäre zudem ein weiteres Erstarken Chinas. Peking hat sich bereits als neuer Verfechter des Freihandels positioniert. Das Land will sein zig-milliardenschweres Infrastrukturprogramm »One Belt, One Road« inklusive der »Maritime Silk Road« intensiv vorantreiben. Das sollte nicht unterschätzt werden, man spricht von einem Volumen um ein Vielfaches größer als das des vielgerühmten Marshall-Plans nach 1945. Zudem dürfte die Volksrepublik nach der Absage des ursprünglich gegen sie gerichteten Bollwerks »TTP« nun das pazifisch-asiatische RECP-Freihandelsabkommen forcieren. Betroffen davon sind etwa 40% des Welthandels, heißt es. Gehen all diese Pläne auf, gedeihen asiatische Länder und Märkte – unter zementierter chinesischer Vormachtstellung. »Neue« Märkte auch auf See also.

Für die Schifffahrt ist mit einer veränderten Struktur der Transportwege zu rechnen. Aber: Das hätte angesichts des ökonomischen Wandels v.a. in der »2.« und »3.« Welt ohnehin angestanden. Zweitens rühmt sich die Branche zu Recht ihrer Anpassungsfähigkeit. Letzten Endes kann es der Schifffahrt fast egal sein, wer die Welt führt, solange investiert und konsumiert wird. Daher werden sich die Findigsten jetzt auf die neuen Herausforderungen einstellen. Wer das nicht kann, muss sich einen Unterschlupf suchen.


Michael Meyer