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HANSAInsight 23 | 2016

Es ist ähnlich wie beim Sommerregen, der vom einen Gastronomen (mit »normalem« Restaurant) herbeigesehnt, vom Anderen (der einen Biergar[ds_preview]ten betreibt) verteufelt wird. Freud und Leid liegen manchmal selbst in einem Wirtschaftszweig nah beieinander.

Zu sehen ist dieses Phänomen derzeit auch in der maritimen Branche, in der gespannt die Diskussionen um Ölfördermengen innerhalb der OPEC verfolgt werden: Während sich die auf technische Innovationen fokussierte (Zuliefer-)Industrie über einen steigenden Ölpreis freuen dürfte, droht den ohnehin schon arg gebeutelten Reedereien neues Ungemach.

Dabei ist noch nicht einmal klar, ob sich die gestern beschlossene Reduzierung der Fördermenge überhaupt in signifikanten Preissteigerungen niederschlägt. Noch streiten sich die Gelehrten. Die Internationale Energieagentur IEA ist vorsichtig, rechnet eher mit noch stärkeren Preisschwankungen wegen der politisch bedingten zunehmenden Unsicherheit.

Auf der anderen Seite der Prognose-Skala hat sich die Unternehmensberatung Roland Berger positioniert. »Lower for much longer« heißt: Hoher Kostendruck führe zur Entwicklung besserer Technologien, niedrigeren Förderkosten und damit zu einem weiter ausreichenden Ölangebot. Auch für den Fall reduzierter OPEC-Fördermengen bliebe das Volumen stabil, etwa durch ein größeres Angebot aus den USA, wo die Industrie nach der Präsidentenwahl massive politische Unterstützung erwarten dürfe. Die Unsicherheit bleibt bestehen – auch aufgrund der aggressiven Wachstumspolitik in einigen Ländern wie Irak, Iran oder Russland. Als alleiniger Gradmesser taugt die OPEC ohnehin nicht mehr. Die zeitliche Befristung der reduzierten Fördermenge auf ein halbes Jahr und der Ausstieg Indonesiens sorgen nicht gerade für mehr Planungssicherheit.

Grafik der Woche: Norwegens Offshore-Markt in Bedrängnis

Der niedrige Ölpreis bringt viele Offshore-Player in Norwegen in Bedrängnis. Jüngst kündigte Siem an, die Mehrheit bei der finanziell angeschlagenen Reederei Farstad zu übernehmen. Havila Shipping konnte sich in letzter Minute vor der drohenden Insolvenz retten. Zuletzt haben Mokster Shipping and ER Offshore weitere Schiffe aufgelegt. Auf den »Marktseiten« der HANSA bilden wir neben vielen Ratenentwicklungen jetzt auch den »Oslo Shipping Index« ab.
Der niedrige Ölpreis bringt viele Offshore-Player in Norwegen in Bedrängnis. Jüngst kündigte Siem an, die Mehrheit bei der finanziell angeschlagenen Reederei Farstad zu übernehmen. Havila Shipping konnte sich in letzter Minute vor der drohenden Insolvenz retten. Zuletzt haben Mokster Shipping and ER Offshore weitere Schiffe aufgelegt. Auf den »Marktseiten« der HANSA bilden wir neben vielen Ratenentwicklungen jetzt auch den »Oslo Shipping Index« ab.

Außerdem: In einem »bearish«-Szenario geht bei genauerer Betrachtung selbst die Gleichung »Ölpreis hoch = höhere Rentabilität alternativer Technologien = gute Aussichten für Zulieferer« nicht zwangsläufig auf. Ja, der Zusammenhang ist nicht wegzudiskutieren und ja, Segmente für alternative Antriebsarten oder Performance Monitoring könnten einen Aufschwung erleben. Die auf Offshore-Märkte fokussierten Schifffahrtsmärkte, vor allem in Norwegen und Südamerika, könnten ebenfalls profitieren. Abermals Ja.

Allerdings hat die Sache auch einen Haken, der früher nicht unbedingt zu Buche geschlagen hätte. Denn die potenziellen Auftraggeber, also Reedereien, könnte der Trend teuer zu stehen kommen. Erstens steigt ihre Treibstoffrechnung, denn sie werden die Mehrkosten nicht vollständig auf ihre Kunden umlegen können. Zweitens werden – etwas zugespitzt – Konsum- und Industriegüter durch steigende Ölpreise ebenfalls teurer. Das könnte im Extremfall eine geringere Nachfrage nach sich ziehen und damit potenziell zu einer Abnahme der Gütermengen. Auf die Industrie kämen zudem höhere Produktionskosten zu, was deren Investitionsfreude dämpfen und damit auch Maschinen- und Anlagen-Transporte schrumpfen lassen könnte. Globale Protektionismus- und »Nearshoring«-Trends tragen in diesem skeptischen Szenario ihr Übriges bei.

Letztlich fehlt den Reedern das Kapital für Investition in neue Technologien, wodurch jenen Zulieferern, die darauf und damit auf höhere Ölpreise setzen, neue Probleme ins Haus stehen. Ein Teufelskreis in Öl … Ein stabiles Fundament für die Schifffahrt und ihre Zulieferer ist es jedenfalls nicht… (MM)

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