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Internationale vs. regionale Regulierung – auch beim Thema Schiffsrecycling sorgt diese für Diskussionen. Für die HANSA gehen Experten auf wichtige Fragen ein


Wie hat sich die indische Schiffsrecyclingbranche in jüngster Vergangenheit entwickelt?

Wir unterstützen verschiedene Schiffsrecycler in Indien aktiv bei[ds_preview] der Umsetzung der »Hong Kong Convention« der IMO. Die Betriebe mussten sprichwörtlich auf den Kopf gestellt und vollständig neu strukturiert werden. Hierzu zählen vor allem die betriebliche Infrastruktur, Organisation und Verantwortlichkeiten, Ausbildung, Risikomanagement, präventive Maßnahmen, persönliche Schutzausrüstung, Notfallmanagement, Dekontaminationstechniken und die Handhabung sowie umweltgerechte Entsorgung von Abfällen. Die ersten vier Abwracker wurden bereits zertifiziert, drei stehen kurz davor, zwölf weitere werden von uns derzeit unterstützt.

Vor allem in Indien hat sich insgesamt sehr viel getan, man kann von etwa 20 »guten« Recyclern sprechen. Insgesamt existieren dort allerdings rund 130 Betriebe, so dass ein pauschales Urteil nicht möglich ist. In Pakistan und Bangladesh ist ein Niveau wie im indischen Alang noch längst nicht erreicht.

Was sind die wichtigsten Details des Gefahrstoffkatalogs (IHM)?

Entgegen dem möglichen Eindruck, dass die Hong Kong Convention (HKC) und analog hierzu die EU Ship Recycling Regulation (EU-SRR) nur alte Schiffe betreffen, wurde bei der Entwicklung der Regelwerke die Notwendigkeit erkannt, bereits bei der Entstehung von Schiffen mit der Erfassung von verbauten Schadstoffen in Form einer »Inventory of Hazardous Materials« (IHM) zu beginnen. Da heutige Neubauten aber erst in vielen Jahren recycelt werden und die Umwelt- sowie Sicherheitsprobleme einer schnelleren Verbesserung bedürfen, ist für die fahrende Flotte eine IHM-Erstellung durch Experten vorgesehen.

Die HKC ist noch längst nicht ausreichend ratifiziert und somit ist das mögliche Inkrafttreten noch Jahre entfernt. Die EU-SRR jedoch ist Ende 2013 in Kraft getreten und schreibt zertifizierte IHMs für EU-registrierte Neubauten mit einem Vertragsdatum ab Ende 2015 verbindlich vor. Alle übrigen Schiffe, sofern sie EU-geflaggt sind oder unabhängig von der Flagge (!) einen EU-Hafen anlaufen, müssen ab Ende 2020 eine zertifizierte IHM vorweisen können. Das IHM ist mindestens alle fünf Jahre zu zertifizieren.

Was sind die größten Stolperfallen?

Dazu zählt eine fehlerhafte Erfassung von Gefahrstoffen wie Asbest, PCB, ozonabbauenden Substanzen, Schwermetallen etc. Gerade das Asbestthema wird häufig unterschätzt. Gerne baut man auf eine »Asbestfreiheitsbescheinigung« der Bauwerft, doch in vielen Ländern gehört Asbest noch zum Produktionsalltag und wird nicht deklariert. Für Neubauten empfehlen wir daher, vor Ablieferung eine Asbestuntersuchung durchzuführen zu lassen.

Wie können Reeder möglichst verantwortungsvoll agieren?

Maersk verfolgt seit vielen Jahren eine strikte Recyclingpolitik, die sie bisher an China und die Türkei gebunden hat. Durch die Entwicklungen in Indien haben sie in Alang nun Bedingungen vorgefunden, die ebenfalls diese Kriterien erfüllen. Zusätzlich wurde eine Studie beauftragt, die mögliche Auswirkungen auf die Gezeitenzone beim Beaching abschätzt, da immer wieder von der NGO »Shipbreaking Platform« geäußert wird, dass sicheres und umweltgerechtes Recycling nicht mit der Beaching-Methode möglich sei. Die Studie bestätigt diese Behauptung nicht, benennt aber Bereiche, die noch näher untersucht bzw. beobachtet werden sollten.

Maersk stellt klare Anforderungen an das Recycling seiner Schiffe in Form des »Responsible Ship Recycling Standard – RSRS«, der über die HKC hinausgeht. Vor dem Verkauf seiner Schiffe werden vor Ort Audits durchgeführt und im Falle keiner oder nur geringer Abweichungen wird gemeinsam mit dem Recycler ein Plan erstellt, bis wann eine vollständige Übereinstimmung mit dem RSRS erzielt wird.

Wir haben alle Vorgaben der HKC und Guidelines zum Schiffsrecycling der IMO mit den unterschiedlichen Recyclingmethoden verglichen und sind dabei zu dem Ergebnis gekommen, dass die Beaching-Methode keine größeren Herausforderungen als andere Methoden zu bewältigen hat.

In der EU-SSR steht unter anderem, dass die Kommission dem Parlament einen Bericht vorlegen soll. Darin soll untersucht werden, ob ein zusätzlicher Finanzierungsmechanismus möglich ist, der europäische Schiffseigner dazu anhält, auf zertifizierte Werften zurückzugreifen. Dahinter steht die Befürchtung, dass Eigner schlichtweg eine andere Flagge wählen, wenn sie ein Schiff zum Verschrotten verkaufen, um sich somit auf Umwegen die Verschrottung in Indien zu ermöglichen.

Ralf Nagel, geschäftsführendes Präsidiumsmitglied des Verbands Deutscher Reeder, kritisiert den Plan: »Die momentan in Brüssel diskutierte EU-Recyclingabgabe halten wir, untermauert durch ein Gutachten der Universität Hamburg, für rechtlich und praktisch nicht umsetzbar. Schiffen aus der ganzen Welt in europäischen Häfen eine Sonderabgabe abzuverlangen, verstieße gegen Welthandelsrecht.«

Der Gutachter hat ein Lizenzsystem vorgeschlagen. Es besagt, dass ein Schiff, welches einen EU-Hafen anlaufen will, eine zeitbasierte Lizenz dafür kaufen muss. Das Geld wird auf einem Sonderkonto für den Reeder gesammelt und bleibt mit dem Schiff verbunden, beispielsweise über die IMO-Nummer.

Kritiker meinen: Das funktioniert so nicht. Nachdem man eine bestimmte Summe Geld ansammle, könne am Ende der dann aktuelle Eigner das Geld zurückbekommen, sofern er das Schiff auf einer von der EU zertifizierten Werft abwracken lasse. Das Geld soll somit die Preislücke zwischen EU-zertifizierten Werften und der Vielzahl an billigeren Werften überbrücken. So entstünde dem letzten Eigner kein finanzieller Nachteil, so das Argument des EU-Gutachters. »Vor allem zeigt das EU-Gutachten zur Recyclingabgabe keine Wege auf, wie ein Sonderkonto für die Dauer eines Schiffslebens mit vielen Eigentümerwechseln – auch außerhalb von EU-Flaggen und -Rechtsprechung – am Ende zu einem grünen Recycling des Schiffes führen soll. Eine EU-Sonderregulierung ist angesichts der bereits verabschiedeten globalen Lösung durch das Hongkong-Übereinkommen überflüssig«, sagt Nagel. Zudem habe die EU keine Kompetenz, eine steuergleiche Abgabe einzuführen.

Nach Ansicht der EU müsste bei einem Schiffsverkauf das angesammelte Geld vom Käufer »mitgekauft« werden. Dadurch könnte allerdings ein Zweitmarkt mit Schiffen aus Europa entstehen. Die würden schwer verkauft werden können, weil sie durch das stetig angesammelte Geld immer teurer würden. Laut dem Gutachter ist jedoch genau dies beabsichtigt – ein zweigeteilter Markt mit guten Schiffen, die ein wenig mehr kosten, und schlechten Schiffen.

Insgesamt lehnt der VDR regionale Regeln eher ab und spricht sich für internationale Maßnahmen aus. »Nur das internationale Hongkong-Übereinkommen kann weltweit hohe Standards für umweltfreundliches und sicheres Schiffsrecycling schaffen. Eine europäische Sonderregelung könnte die Inkraftsetzung des Übereinkommens ernsthaft gefährden – und damit globale Verbesserungen bei Umweltschutz und Arbeitssicherheit verhindern«, so Nagel weiter. Das vieldiskutierte Bea­ching wird nicht per se abgelehnt, wie auf einer Fachtagung des VDR jüngst in Hamburg deutlich wurde. Man richte sich nach der für weltweite Gültigkeit angelegten Hongkong-Konvention.

Deutschland und die verbliebenen EU-Mitgliedstaaten sollten nach Ansicht des Verbands diese Konvention »rasch« ratifizieren, damit sie endlich verbindlich werde. »Positive Wirkung entfaltet die Konvention schon heute, denn erste Werften in Alang haben massiv in Umweltschutz und Arbeitssicherheit investiert und wurden dafür von Klassifikationsgesellschaften nach Hongkong-Standards zertifiziert. Diese Vorreiter-Recyclingwerften müssen politisch und industrieseitig unterstützt werden. Sondervorschriften aus Brüssel sind der falsche Weg, um tatsächliche Fortschritte an den Recycling-Plätzen in Asien zu erzielen«, meint Nagel.