»Bell Vanguard« startet Containerschifffahrt in Deutschland

Print Friendly, PDF & Email

Die Sietas-Werft in Hamburg-Neuenfelde schloss am 26. November 1965 einen Vertrag mit der ebenfalls in der Hansestadt ansässigen[ds_preview] Jürgen-Heinrich Breuer KG zum Bau eines »Motorfrachtschiffes vom Typ Schutzdecker« ab. Dem Titel nach zu urteilen stellte der Kontrakt für die Baunummer 588 für das mit 2,4Mio. DM Kosten veranschlagte Fahrzeug seinerzeit keine Besonderheit dar. Allerdings offenbarte die »Schiffbau-Kurzbeschreibung für ein Motorfrachtschiff Projekt 0-264a« vom 28. April 1965 eine für die deutschen Verhältnisse umwälzende Neuerung: Niedergelegt war hierin die bautechnische Beschreibung für ein »Einschrauben-Motorfrachtschiff für die Beförderung von Gütern, speziell für den Transport von Containern«.

Als am 5. Mai 1966 mit der MS »Fairland« der Reederei Sea-Land von Malcolm McLean das erste Vollcontainerschiff in Bremen festmachte, hatte in den großen europäischen Häfen ein neues Zeitalter begonnen. Der Container war eine Revolution im Transportwesen, welche die deutschen Schifffahrtskreise allerdings noch kaum erfasst hatte. »Die deutschen Reeder haben bisher noch keine Spezialschiffe für den Containerverkehr in Auftrag gegeben«, hieß es in einer Lageanalyse des Verbandes Deutscher Reeder im März 1967. Denn die Schiffseigner waren geteilter Meinung, was die standardisierte Transportbox anbetraf. Viele scheuten die in der Tat hohen Anfangsinvestitionen für neue Schiffe, so mancher lehnte die »Kisten« aus eigentümlicher, eher auf Tradition beruhender Sichtweise rundweg ab. Andere standen der in den USA losgetretenen Entwicklung jedoch offen gegenüber. Der Markt schließlich diktierte das Vorgehen, man musste reagieren, um den Vorsprung der Amerikaner in puncto Containerisierung und Vereinheitlichung aufzuholen, wie der VDR in voraussagte: »Das letzte Wort ist aber sicherlich noch nicht gesprochen, und es ist zu erwarten, dass hier noch einige Überraschungen bevorstehen.«

Überraschungen waren längst unterwegs, und dies im doppelten Sinne: Denn die Küstenschifffahrt hatte auf die neue Entwicklung rasch reagiert; die 1966 als Motorfrachtschiff »Hans Hinrich« bei Sietas abgelaufene »Bell Vanguard« bediente bereits den Markt. Sie gilt als das erste deutsche Containerschiff. Das mit 499 BRT vermessene, 74,64m lange Fahrzeug konnte 67 Frachtbehälter des Standardtyps (TEU) laden. Ein Dieselmotor sorgte für eine Geschwindigkeit von 12,5kn. Das Schiff wies im Übrigen so manche Ähnlichkeit mit dem am 18. Dezember 1965 auf der Jadewerft Wilhelmshaven abgelieferten Motorfrachtschiff »La Bonita« auf, das für 53 ISO-Container mit den Abmessungen 20 x 8 x 8 Fuß zertifiziert und nach den Plänen des Ingenieurbüros Knud E. Hansen in Kopenhagen für die Marine Trading Ltd. in Nassau auf den Bahamas entstanden war. »La Bonita« sollte Massen- und Schüttgut bzw. zum ersten Mal auch Transportbehälter auf Haupt- und Zwischendeck befördern. Sie führte zwei eigene Ladekrane, welche die »Bell Vanguard« nicht besaß. Letzere fuhr nach ihrer Ablieferung in Charter der irischen Bell-Line im Küstenverkehr zwischen Irland und dem europäischen Festland. 1977 wurde sie an die Partenreederei Karl Heinz Baase verkauft und in »Fallwind« umbenannt. Das Schiff sank am 5. März 1988 60 nm südwestlich von Tyborøn mit einer Ladung Schnittholz. Wie rasant mittlerweile die Entwicklung auf dem Containerschiffmarkt verlaufen war, ist daran zu erkennen, dass in jenen Tagen die 294m lange »Marchen Mærsk« bereits mit 4.500TEU zur See fuhr.


Internationales Maritimes Museum Hamburg