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Die Peenewerft Wolgast feiert im kommenden Jahr ihr 70jähriges Bestehen. Und zum Feiern hat die östlichste deutsche Seeschiffswerft allen Grund. Die Auftragsbücher sind prall gefüllt, vor allem mit Marineaufträgen.

Von Frank Behling

Derzeit bemüht sich die Werft um weitere Projekte, wie etwa den Bau neuer Korvetten für die Deutsche Marine. In diesen[ds_preview] Tagen sind es auch überwiegend graue Schiffe, die in den Hallen und an der Pier der Werft liegen. Neben dem Tender »Mosel« der deutschen Marine oder dem Minenjäger »Homburg« sind es vor allem Patrouillenboote für Saudi-Arabien, die in dem sehr abgelegenen Standort an der Pee­ne gebaut werden.

Die seit 2012 zur Lürssen-Gruppe gehörende Werft hatte 2014 einen Großauftrag aus dem Land am arabischen Golf bekommen. Es ist einer der Aufträge, über die auch auf offizielle Anfragen weder von der Werft noch vom Bundeswirtschaftsministerium Informationen erteilt werden. Bekannt wurde nur, dass der geheim tagende Bundessicherheitsrat dem Export der leicht bewaffneten Boote zugestimmt hatte. Über 100 Einheiten umfasst der Auftrag, über den es im Detail auf keiner öffentlichen Publikation der Werft bislang auch nur eine Silbe zu lesen gibt. Am 4. November wurde im Hafen Mukran auf Rügen das erste Patrouillenboot des Auftrags in die Ostsee verabschiedet. An Deck des Schwergutfrachters »BBC Pearl« passierte das 30m lange Kriegsschiff einen Tag später den Nord-Ostsee-Kanal und nahm Kurs auf das Rote Meer. Das Boot war im Mai 2016 nach dem Rollout und dem Stapelhub auf den Namen »Jeddah« getauft worden. Der Entwurf für die Boote dieses Auftrags basiert auf dem seit 20 Jahren von Lürssen für verschiedene Kunden entwickelten Typ »TNC 35«. Eine leicht vergrößerte Form dieses Typs fahren die Seestreitkräfte der Vereinigten Arabischen Emirate und Bahrains. Der TNC35 ist 35m lang und verdrängt 200t. Angetrieben wird er von zwei MTU-Dieseln mit 7.800 kW Leistung für bis zu 40kn Höchstgeschwindigkeit.

Neben den Booten des Typs TNC 45 liefert die Peenewerft auch Schnellboote des Serien-Typs »FPB 38«. Diese Boote sind 38m lang und bis zu 31kn Knoten schnell. Nach unbestätigten Meldungen sollen zehn Einheiten des Typs TNC 35 und fünf des Typs FPB 38 in Wolgast entstehen. Sie sind nur ein Teil des Auftragsvolumens von rund 1,4Mrd. €. Ein Teil entfällt auch auf einen Unterauftrag, den Lürssen abwickelt. Nach französischen Medienberichten hat die Werft Couach in der Nähe von Bordeaux im Sommer 2016 den Auftrag zum Bau von 79 so genannten Interceptor-Booten von Lürssen erhalten. Die nur 15m langen Boote sollen in Leichtbauweise in Frankreich entstehen und direkt an Saudi-Arabien geliefert werden.

Der Bau und die Erprobung der »Jeddah« erfolgten vor Rügen. Das Boot ist vor der Verladung auf das Schwergutschiff auch mit einer Bordkanone sowie Radar- und Navigationstechnik ausgerüstet worden. Die entscheidende Ausfuhrgenehmigung hatte das Bundeswirtschaftsministerium im Oktober erteilt. Zuvor hatte auch der Bundessicherheitsrat der Ausfuhr des Patrouillenbootes zugestimmt. Dies wird auch für die anderen Einheiten vermutlich der Fall sein.

Insgesamt geht es um zwei Korvetten, 30 Patrouillenboote (TNC35/FPB38), 79 Intercepter-Boote sowie einige Hilfsfahrzeuge für den Hafenbetrieb. Dieser Auftrag ist aber nach derzeitigem Stand nur der Anfang. Saudi-Arabien plant ein gewaltiges Neubauprogramm für seine Marine. Bis zu 20Mrd. $ sollen investiert werden, so geht es aus Berichten aus den USA hervor. Demnach buhlen bereits große Konzerne um den Kunden von der Arabischen Halbinsel. Im Detail soll es dabei auch um den Bau von mehreren Zerstörern und modernen Korvetten und Patrouillenbooten gehen. Ob auch deutsche Werften sich um diesen Auftrag bewerben können, steht noch nicht fest.

Für die traditionell im Marineschiffbau tätige Peenewerft ist der Auftrag zum Bau dieser Kriegsschiffe für Saudi-Arabiens Küstenwache derzeit die einzige Zukunftsperspektive. Rund 300 Mitarbeiter sind in der strukturschwachen Region an dem Bau beteiligt. In früheren Jahren hatte die Werft auch schon Patrouillenboote für Brasilien gebaut. Zu DDR-Zeiten wurden dort die meisten Kriegsschiffe für die Volksmarine gefertigt.

Mittelfristig soll der Standort weiter im Marineschiffbau aktiv bleiben. Dieser Bereich war 1948 auch der Grund, weshalb an dem abgelegenen Peenestrom die Werft gegründet wurde. Zu DDR-Zeiten entstanden dort Raketenschnellboote, Minenjäger und die Korvetten der »Parchim«-Klasse. Nach der Wiedervereinigung tat sich das Unternehmen mit der Umstellung auf zivile Projekte schwer. Containerschiffe und RoRo-Frachter füllten die Auftragsbücher der Werft, die 1992 bis 2010 zur Hegemann-Gruppe gehörte. Danach kam eine kurze Episode durch die Verschmelzung mit der Volkswerft Stralsund zu den P+S-Werften, ehe 2012 die Lürssen-Gruppe zuschlug. Schon damals hielt sich das Gerücht, dass die Bremer Werft das Unternehmen in Wolgast einzig für den Großauftrag aus Saudi-Arabien ausgewählt habe.


Frank Behling