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Rückgang der deutschen Flotte wirkt sich auf Seekaskogeschäft aus. Sinkende Einnahmen für Versicherer und Makler, aber Schäden auch stark gefallen. Von Michael Hollmann
Nicht nur die Schifffahrt, auch die Schiffsversicherer leiden unter einem Missverhältnis von Angebot und Nachfrage. Trotz nachlassenden Wachstums der Weltflotte[ds_preview] ist viel zusätzliches Risikokapital in den Markt geströmt, was für gehörigen Druck auf die Prämienraten sorgt – eine Folge der weltweit niedrigen Zinsen und Wertpapierkäufe der Zentralbanken.

Zumindest im Geschäft mit deutschen Flotten konnten sich die hiesigen Seekaskoversicherer bislang jedoch gut gegenüber der Konkurrenz aus London, Skandinavien und Fernost behaupten. Dabei schrumpft auch der »einheimische« Markt rapide. Keine Woche vergeht, ohne dass deutsche Schiffe ins Ausland oder gar zur Abwrackung verkauft werden.

Entsprechend gehen auch die Bestände in den Büchern der Versicherer zurück. Beim Verein Hanseatischer Transportversicherer (VHT), der im Auftrag von Versicherern und Assekuradeuren zentral die Schäden bearbeitet, ist die Zahl der versicherten Seeschiffe im vergangenen Jahr auf 1438 zurückgegangen. 2015 waren es dagegen noch 1613 »Objekte« im Segment Seekasko gewesen, im Jahr 2010 sogar mehr als 2.000.

Für Hans-Christoph Enge, VHT-Vorstandsvorsitzender und geschäftsführender Gesellschafter des Bremer Asseku­radeurs Lampe & Schwartze, resultiert dies aus der »Ausdünnung der deutschen Flotte und auch dem internationalen Konkurrenzdruck«. Dass der Gegenwind an den Märkten noch einmal so stark zunimmt, sei aber nicht zu erwarten gewesen, wie Volker Dierks, ebenfalls Mitglied im VHT-Vorstand, unterstreicht. »Wir dachten Ende 2015, dass wir den Boden erreicht hätten. Aber dann ging es 2016 weiter steil bergab«, so Dierks, Leiter des Seekaskogeschäfts bei Allianz Global Corporate & Specialty (AGCS) in Deutschland.

Nicht nur im Bereich Seekasko, sondern auch bei »Loss of Hire« (schadensbedingter Verdienstausfall) sowie bei »sonstigen« Risiken ging die Zahl der versicherten Schiffe deutlich zurück. Einen Zuwachs verbuchten die im VHT organisierten Versicherer nur im Binnenschiffssektor (»Flusskasko«). Über alle Sparten hinweg verringerte sich der Bestand um 13,5% auf 2.381 Objekte.

Zum Glück für die Versicherer sanken die Schäden zuletzt aber noch schneller als die Objektzahlen. Per Anfang Januar summierten sich die im vergangenen Jahr gemeldeten Schäden beim VHT auf insgesamt 49,64 Mio. € und lagen damit um 33,5% niedriger als 2015 (74,65 Mio €).

Den Rückgang erklärt VHT-Geschäftsführer Michael Pfeiffer vor allem mit dem Ausbleiben von Großschäden. »Wir hatten auch keinen Totalschaden zu verzeichnen«, so der gelernte Kapitän. Der größte Einzelschaden im vergangenen Jahr war der Zusammenstoß eines Massengutfrachters mit einem Fähranleger und wird VHT-intern auf 2,3 Mio. € taxiert.

Anders 2015: Einige schwere Vorfälle – darunter dem Vernehmen nach die Kollision des Bulkers »Conti Peridot« mit dem Tanker »Carla Maersk« im März 2015 – schlugen seinerzeit massiv zu Buche und trieben die Gesamtschäden in die Höhe. »2016 ist schadenhalber gut gewesen, aber das ist keine Garantie für 2017«, erklärt VHT-Vorsitzender Enge. Herausforderungen gebe es zuhauf – die Wertekonzentration durch immer größer werdende Containerschiffe, komplexere Maschinenschäden und die zunehmende Digitalisierung in der Schifffahrt. Auch die wachsende Gefahr durch Cyber-Angriffe bereite den Versicherern Sorgen. Als Beispiel nennt Enge den Fall einer Geldüberweisung für ein Schiff, bei der das Konto »gehackt« worden sei. »Das Geld kam nie beim Agenten an.«

Dass sich das Geschäftsklima für die Seeversicherer bald wieder aufhellt, lässt sich nicht erkennen. Bei der Prolonga­tion der Seekaskopolicen Anfang 2017 soll der Preiskampf unter den Versicherern erneut hart gewesen sein. »Es gibt weiter zu viel Kapazität, die auf den Markt drängt. Das führte dazu, dass die Prämien noch einmal zweistellig gesunken sind«, berichtet ein Makler aus Hamburg. Auch die Vermittler gerieten zunehmend in Bedrängnis, weil ihnen die Provisionen wegbrechen. »Die Zahl der versicherten Schiffe sinkt, der Wert der Schiffe sinkt, und die Prämienraten stehen unter Druck. Schlimmer kann es eigentlich nicht werden.«

Dazu kommt die Unsicherheit, wie sich Seeverkehr und Umsätze in der Schifffahrt langfristig entwickeln, falls der neue US-Präsident Donald Trump mit seinen angedrohten Strafzöllen und anderen Eingriffen in den Handel ernst macht. Andererseits jedoch wecken die USA mit ihrer vorsichtigen Wende in der Geldpolitik auch ein bisschen Hoffnung in der Versicherungsbranche.


Michael Hollmann