Print Friendly, PDF & Email

Wer mit der geringsten Einspeisevergütung auskommt, erhält künftig beim Bau von Offshore-Windparks den Zuschlag. In Kürze steht fest, welche Bieter bei der ersten Auktionsrunde zu Zug kommen – und zu welchem Preis. Von Anne-Katrin Wehrmann

Seit dem 1. Januar dieses Jahres ist das Windenergie-auf-See-Gesetz (WindSeeG) in Kraft, das die weitere Entwicklung und[ds_preview] Förderung der Offshore-Windenergie in Deutschland regelt. Kernpunkt: Die Höhe der Vergütung wird künftig über Auktionen bestimmt.

Vier Wochen später gab die Bundesnetzagentur die Bedingungen für die erste Ausschreibungsrunde bekannt: Teilnehmen können ausschließlich die Entwickler »bestehender Projekte«, also von Offshore-Windparks, die vor dem 1. August 2016 entweder schon über eine Genehmigung verfügten oder bereits erörtert wurden. Außerdem müssen sie im Küstenmeer oder in den vom Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) definierten Clustern der Zonen 1 und 2 liegen. Als Frist für die Abgabe der Gebote wurde der 3. April festgesetzt, als Höchstwert für die Vergütung zwölf Cent pro Kilowattstunde (kWh). Die Bundesregierung erwartet von dem neu eingeführten Ausschreibungssystem eine weitere Kostensenkung, und liegt vermutlich richtig.

Nach dem bis Ende 2016 gültigen Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) wird Strom aus Offshore-Windparks, die bis Ende 2020 den Betrieb aufnehmen, je nach gewähltem Modell mit bis zu 15,4 ct/kWh für zwölf Jahre oder bis zu 19,4 ct/kWh für acht Jahre vergütet. Bei Projekten in den Niederlanden und in Dänemark erhielten Dong Energy und Vattenfall zuletzt für Gebote von 7,27 ct/kWh beziehungsweise 4,99 ct/kWh den Zuschlag.

Zwar sind die Bedingungen nicht 1:1 auf Deutschland übertragbar, weil die Meereswindparks zumeist weiter entfernt von der Küste entstehen und die Betreiber zusätzlich zu den Windkraftanlagen auch die parkinterne Umspannplattform finanzieren müssen. Dem Vernehmen nach rechnet die Branche aber auch hier mit Geboten im einstelligen Cent-Bereich. »Am Ende könnten es 6–8 ct/kWh werden«, sagt Andreas Wellbrock, Geschäftsführer der Windenergie-Agentur WAB.

Doch die Kalkulation ist mit Risiken verbunden, denn die ersten beiden Ausschreibungen (eine weitere folgt zum 1. April 2018) beziehen sich aufgrund des langen Planungsvorlaufs auf Windparks, die erst zwischen 2021 und 2025 den Betrieb aufnehmen sollen. »Letztlich ist das eine Wette auf die Zukunft«, so Wellbrock.

Das WindSeeG als Bestandteil des neuen EEG hält er daher für mittelstandsfeindlich: Die Risiken seien von großen Konzernen leichter zu tragen. »Die Zeit der Pioniere ist vorbei«, sagt der WAB-Chef. Wie der Rest der Branche kritisiert auch er die Kürzung der Ausbauziele auf 15.000 Megawatt (MW) bis 2030. »Um die niedrigen Preise tatsächlich zu erreichen, brauchen wir Skaleneffekte und ein entsprechendes Ausbauvolumen.« Die Offshore-Branche hoffe daher, dass es nach der Bundestagswahl noch einmal eine neue Diskussion geben werde.

Aktuell sind in der deutschen Nord- und Ostsee Windkraftanlagen mit einer Kapazität von rund 4.000 MW bereits am Netz, einige weitere Parks werden derzeit gebaut. Der von der Bundesregierung geplante Ausbau auf 6.500 MW bis 2020 wird nach jetzigem Stand aller Voraussicht nach übertroffen: Es gibt zudem mehrere genehmigte Projekte mit alten Netzanbindungszusagen, bei denen die finale Investitionsentscheidung bereits getroffen wurde oder unmittelbar bevorsteht, so dass bis zum Auslaufen der fixen EEG-Vergütung Ende 2020 eine installierte Leistung von rund 7.700 MW erwartet wird.

Für alle Windparks, die ab 2021 ans Netz gehen, wird die Vergütungshöhe dann über Ausschreibungen bestimmt. Ein weiterer schon jetzt festgelegter Systemwechsel betrifft Projekte für die Zeit ab 2026: Wer dann einen Offshore-Windpark errichten möchte, bietet im sogenannten zentralen Modell auf Flächen, die das BSH bis dahin ausgewiesen hat.

Für die bereits bestehenden Projekte, in die bereits viel Entwicklungsarbeit investiert wurde, gilt eine Übergangslösung. auf der Liste des BSH fallen für die Nordsee 15 und für die Ostsee acht Projekte in diese Kategorie mit einer Gesamtkapazität von etwa 7.000 bis 8.000 MW. Ausgeschrieben werden allerdings nur jeweils 1.550 MW. Daher ist heute schon abzusehen, dass nicht alle interessierten Unternehmen zum Zug kommen.

Das WindSeeG räumt zwar die Möglichkeit ein, dass die zunächst erfolglosen Bewerber später den Zuschlag erfolgreicher Bieter übernehmen können. Ob das allerdings ausreichen wird, um alle Betroffenen zufriedenzustellen, ist fraglich. Angesichts der hohen Planungs- und Entwickungskosten von mehreren Millionen Euro, die schlimmstenfalls entschädigungslos verloren gehen könnten, sind langwierige Gerichtsverfahren nicht auszuschließen.

Im Zweifel werde man den Ausgleichsmechanismus in Anspruch nehmen, sagt Gunnar Groebler, Vorstand für den Geschäftsbereich Wind beim Energiekonzern Vattenfall, einem der größten Betreiber von Offshore-Windparks in Europa. Erst in den vergangenen Monaten hatte der Konzern die beiden Nordsee-Projekte »Atlantis I« und »Global Tech II« erworben, um sich mit ihnen sowie mit dem schon vor mehreren Jahren gekauften Projekt »Nördlicher Grund, Teil Sandbank« an den Ausschreibungen zu beteiligen.

Zu der jeweils geplanten installierten Leistung will Groebler sich derzeit nicht äußern, da dies Bestandteil der Gebote sei. Kein Geheimnis ist es dagegen, dass sein Unternehmen die Umstellung auf Ausschreibungen explizit begrüßt. »Unsere Erfahrungen in Ländern wie den Niederlanden und Dänemark haben gezeigt, dass dieses Modell zu signifikanten Kostensenkungen für neue Projekte führt«, sagt Groebler. Das WindSeeG sei daher ein Schritt in die richtige Richtung. Ein größeres Ausschreibungsvolumen würde der Zulieferindustrie allerdings helfen, die Kosten schneller zu senken.

»Verschenkte Potenziale«

Ähnlich beurteilt das Volker Malmen, Geschäftsführer beim Weltmarktführer Dong Energy in Deutschland. »Das eigentliche Instrument zur Kostensenkung ist eine forcierte Industrialisierung bei Herstellung und Errichtung.« Die erhofften Skaleneffekte kämmen allerdings nur dann zustande, wenn das Ausbauvolumen und auch die Windparks selbst größer würden. Das nutze auch der heimischen Zulieferindustrie und dem Exportpotenzial. Länder wie Großbritannien und die Niederlande zeigten deutlich auf, dass es dank einer engagierten Förderung der Offshore-Windkraft zu industriepolitischen Wirkungen kommen könne.

Deutlicher in seiner Kritik wird Andreas Wagner, Geschäftsführer der Stiftung Offshore-Windenergie: »Da wird Potenzial verschenkt.« Das verringerte Ausbauvolumen gefährde nicht nur nationale und internationale Klimaziele, sondern sei auch mit fatalen Auswirkungen auf Wertschöpfung und Beschäftigung verbunden. Letztlich komme das einem »Fadenriss« gleich. Wagner: »Es bleibt offen, ob der reduzierte Markt in Deutschland durch Aufträge aus anderen Ländern zumindest teilweise kompensiert werden kann.«


Anne-Katrin Wehrmann