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Der Angriff auf ein größeres Schiff war eine Frage der Zeit. Doch die Entführung des Bulkers »OS 35« im Golf von Aden scheiterte – dank der Zitadelle und dem Eingreifen von Soldaten aus verschiedenen Ländern.

Der Handysize-Frachter war am Samstag nahe der jemenitischen Insel Soko[ds_preview]tra von einem Skiff attackiert und schließlich von einer Gruppe somalischer Piraten geentert worden. Doch die Besatzung sendete in der Not noch rechtzeitig einen Hilferuf ab und verschanzte sich in einer Zitadelle – ein spezieller Sicherheitsraum, den viele Reedereien in den vergangenen Jahren an Bord ihrer Schiffe eingerichtet haben – auf dem Schiff.

Dem Kapitän gelang es außerdem, die Maschinen der »OS 35« zu stoppen, heißt es. An Bord sollen sich zum Zeitpunkt der Attacke 19 Seeleute von den Philippinen befunden haben. Das Notsignal wurde offenbar von einem indischen Kriegsschiff aufgefangen, dass im Rahmen einer Anti-Piraterie-Mission vor Ort war. Das Verteidigungsministerium berichtet, dass umgehend eine Luftaufklärungseinheit zum Bulker geschickt wurde. Kurz darauf habe ein Hubschrauber einem chinesischen Boarding-Team Rückendeckung gegeben.

Laut chinesischen Behörden gingen 16 Soldaten an Bord des Bulkers, um die Seeleute zu befreien. Die Piraten hatten die »OS 35« jedoch bereits wieder verlassen, berichtet die Nachrichtenagentur reuters, nachdem sie die Crew nicht finden und das Schiff nicht an einen anderen Ort steuern konnten. Die EU-Mission »Atalanta« bestätigte am Samstag lediglich, dass ein möglicher Fall von Piraterie untersucht werde. Weitere Angaben wurden nicht gemacht.

Die Attacke war die fünfte innerhalb kurzer Zeit durch somalische Piraten. In den vergangenen Tagen waren jedoch vor allem kleine Dhaus oder das Bunkerboot »Aris 13« gekapert worden, so dass die Überfälle von einigen Akteuren in der maritimen Branche noch nicht wirklich ernst genommen werden. Allerdings: Auch die letzte Hochphase der somalischen Piraterie vor einigen Jahren begann mit Attacken auf verhältnismäßig kleine Einheiten und Fischereischiffe.

Die somalischen Beschwerden über illegale Fischerei nahmen zuletzt wieder deutlich zu – ebenso Warnungen vor einem Wiederaufflammen der Seeräuberei. Erfolgreiche Kaperungen könnten vermeintlich perspektivlose Somalier dazu verleiten, sich erneut mit der Entführung von Schiffen und Seeleuten zu verdingen. Dann könnte auch eine Kaperung eines größeren Handelsschiffes wieder wahrscheinlicher werden, heißt es von Experten.

Hintergrund: EU-Mission & Hotspots

Die EU ist mit ihrer Mission trotz des Rückgangs der Piraterie noch vor Ort. Anders als etwa die NATO. Sie hat mittlerweile ihre Kapazitäten auf andere Krisenherde verlegt und Anti-Piraterie-Operationen am Horn von Afrika zurückgefahren. Seit der Verbesserung der Lage wird über das Problem vor allem im Zuge von Prozessen gegen festgenommene Seeräuber gesprochen, zuletzt etwa im Fall der »Orkim Harmony« oder des Anführers »Big Mouth«.

Die Ursachen der somalischen Piraterie, eine fehlende Perspektive der Bevölkerung, illegale Fischerei und der Bürgerkrieg, sind jedoch nach wie vor sehr präsent. Daher warnen Experten seit langem davor, die Gefahr herunterzuspielen.

Die neuen Entführungen vor Ostafrika haben in der Schifffahrt Bedenken hervorgerufen, dass die Piraterie dort wieder aufflammt. Nach der Hochphase vor einigen Jahren war das Problem unter anderem durch den massiven Einsatz von privaten bewaffneten Sicherheitsteams sowie umfangreichen Militärmissionen von EU, NATO sowie einzelnen Ländern wie China, Südkorea, Japan und Iran – zumindest vorübergehend – gelöst worden.

In den vergangenen Jahren hatten sich vor allem Westafrika und Südostasien als Hotspots der weltweiten Piraterie herausgebildet. Vor Nigeria war zuletzt ein Mehrzweckschiff der Leeraner Reederei Briese gekapert worden. In Asien gelten besonders die Gewässer zwischen den Philippinen und Malaysia als gefährdet. Dort ist die Terrorgruppe Abu Sayyaf aktiv. Auch Segler sind betroffen, wie das Schicksal des deutschen Jürgen Kantner zeigte.