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Mit einer ultimativen Warnung an die Rickmers-Anleger wird eine morgige Telefonkonferenz angekündigt: entweder Zustimmung zur geplanten Restrukturierung – oder aber sofortige Insolvenz.

Die von der Rickmers Gruppe beauftragte Anwaltskanzlei Raschke | von Knobelsdorff | Heiser[ds_preview] hat für heute alle Rickmers-Anleger zu einer Telefonkonferenz eingeladen. Drei Stunden Zeit will man sich nehmen, um alle offenen Fragen zu besprechen. Einziges Thema: die für den 1. Juni angesetzte »Präsenzversammlung«, die über das Schicksal einer der größten und ältesten deutschen Reedereien entscheiden wird.

Für ein positives Votum zur geplante Sanierung des finanziell angeschlagenen Unternehmens müssten für 25% des Anlagevolumens (insgesamt 275 Mio. €) gültige Stimmen abgegeben werden – das entspricht Anteilen im Wert von 68,75 Mio. €. Davon wiederum müssen 75% der anwesenden Rickmers-Anleger (entspricht einem Anleihevolumen von 51,56 Mio. €) mit »Ja« stimmen.

Anleger mit 30 Mio. € Anlagekapital für Sanierung

Die Rickmers-Kanzlei verweist ihrerseits darauf, dass sie inzwischen für ein Volumen von rund 30 Mio. € »positive Signale für eine Restrukturierung« und auch für die Einsetzung eines gemeinsamen Vertreters erhalten habe. Das ist immerhin knapp die Hälfte der benötigten Gesamtsumme.

Bertram Rickmers, Rickmers Gruppe
Bertram Rickmers (Foto: Rickmers)

Die erste »Abstimmung ohne Versammlung« am 10. Mai war klar gescheitert, weil die abgegebenen Stimmen lediglich einem Volumen 17,37% des Anleihekapitals (gut 47 Mio. €) entsprochen hatten. Für einen Beschluss wären 50% (137,5 Mio. €) nötig gewesen. Sollte auch in der zweiten Runde das positive Votum ausbleiben, droht die sofortige Insolvenz. Darauf hat die Rickmers Gruppe mehrfach verwiesen.

Kein Verhandlungsspielraum mehr

Nun legt die Anwaltskanzlei Raschke | von Knobelsdorff | Heiser noch einmal nach. Es gebe keinen Verhandlungsspielraum mehr, um die übrigen Kreditgeber wie die HSH Nordbank oder Bertram Rickmers als bisherigen Alleinaktionär zu weiteren Zugeständnissen zu bewegen. Am Ende langer und harter Verhandlungen sei ein Kompromiss mit allen Beteiligten erzielt worden. Das vorgelegte Sanierungs- und Restrukturierungskonzept sei »nachvollziehbar und angesichts der aktuellen Situation wirtschaftlich alternativlos«.

»Sollte das vorgeschlagene Sanierungs- und Restrukturierungskonzept nicht die erforderliche Mehrheit
der Stimmen erhalten oder das erforderliche Anwesenheitsquorum von 25% des Anleihevolumens
nicht erreicht werden, halten wir es aufgrund des Wegfalls der positiven Fortführungsprognose
für überwiegend wahrscheinlich, dass es zur Insolvenz der Rickmers Holding AG kommen wird.«

Auszug aus dem Kanzlei-Schreiben an die Gläubiger der Rickmers-Anleihe

Vor wenigen Tagen hatte die Schnigge Wertpapierhandelsbank an die Rickmers.Anleger überraschend ein Kaufangebot für Schuldverschreibungen im Wert von nominell 30 Mio. € unterbreitet. Es sieht einen Preis, nach Abzug der eigentlich fälligen Zinszahlungen, von 12,95% je Anleihepapier mit einem Nominalwert von je 1.000 € vor. Zum Vergleich: Die Anleihe notierte zuletzt (Montag) bei 6,90 € – verbessert gegenüber dem Tiefststand von 3,65 €, aber doch meilenweit entfernt vom Ausgabepreis von 100 €. Die Schnigge-Offerte endet am 25. Mai, einen Tag nach der Telefonkonferenz.

Werden die Karten neu gemischt?

Der weitere Fahrplan:

24. Mai – Telefonkonferenz für die Anleger der Rickmers-Anleihe

25. Mai – Ende des Angebots der Schnigge Wertpapierhandelsbank über den Kauf von Schuldscheinen in Höhe von nominell 30 Mio. €

1. Juni – Präsenzversammlung der Anleihe-Gläubiger

Unklar ist bislang, ob es sich um einen »weißen Ritter«, der das Unternehmen retten will, oder aber um ein feindliches Manöver handelt, um bei einem möglichen Untergang der Reederei zu profitieren. In jedem Fall dürfte der unbekannte Investor mit einem Anteil von knapp 11% bei der Abstimmung eine gewichtige Rolle spielen, sollte das Kaufangebot angenommen werden.

Die Argumente für eine Sanierung: Käme es zu einer Insolvenz, würden die Rickmers-Anleger weder die für den 11. Juni 2017 vorgesehenen Zinszahlung erhalten, noch von einer möglichen Wertaufholung nach einer erfolgreichen Restrukturierung profitieren. Die zu erwartende Insolvenzquote dürfte laut dem von Brinkmann & Partner erstellten Liquidationswertbericht lediglich bei 2,3% (»Worst Case«) bis maximal 5,5% (»Best Case«) liegen.

Zinszahlung lukrativer als Insolvenz-Quote

Daher dürfte, lässt die Anwaltskanzlei verlauten, allein die im Juni vorgesehene Zinszahlung in Höhe von 24,4 Mio. €, die die Rickmers Gruppe aus eigenen Mitteln aufbringen will, eine höhere Ausbeute für die Rickmers-Anleger bedeuten als das Insolvenz-Szenario. Nach heutigem Ermessen könnte die Wertaufholung einschließlich Zinszahlung bei rund 40% liegen. Entscheidend werde dabei der Zeitpunkt des Verkaufs sein, heißt es.

Flagge, Rickmers Group, Rickmers, Rickmers-Anleihe
(Foto: Rickmers Group)

Das Restrukturierungskonzept sieht vor, dass Alleinaktionär Bertram Rickmers 75,1% seiner Anteile an das Luxemburger Finanzverhikel »LuxCo« überträgt. Sie soll künftig einen Teil der Bankkredite und die Anleiheschulden bündeln und über einen späteren Verkauf »versilbern«. Die Gläubiger werden faktisch zu Anteilseignern des Unternehmens und sollen über einen Verkauf der Anteile an einen Investor innerhalb der nächsten drei Jahre ausgezahlt werden.

Vetorecht für den Anleger-Vertreter

Der Verteilungsschlüssel wurde bereits festgelegt. Abzüglich einer Anfangszahlung in Höhe von 54 Mio. € an den Hauptgläubiger HSH Nordbank sollen die restlichen Erlöse zu 62% an die Anleihegläubiger und zu 38% an die HSH Nordbank ausgeschüttet werden. Dabei soll der gemeinsame Vertreter der Gläubiger ein Vetorecht erhalten, so dass ein Verkauf auch gegen den Willen der HSH Nordbank AG verhindert werden könnte.

»Es wird daher darauf ankommen, mit der HSH Nordbank AG einen angemessenen Kompromiss
über den richtigen Zeitpunkt des Verkaufs, die Höhe des Verkaufspreises
und den Umfang der zu veräußernden Aktien zu erzielen«

Auszug aus dem Kanzlei-Schreiben an die Gläubiger der Rickmers-Anleihe

Ob und inwiefern sich eine möglichst optimale Wertaufholung erreichen lasse, hänge von einer Vielzahl von Umständen ab, die aktuell noch nicht abschließend bewertet werden könnten, heißt es einschränkend.

Wertaufholung für Rickmers-Anleger auf 94 Mio. € denkbar

Laut einer »unverbindlichen« Modellrechnung ergäbe sich bei einem jährlichen EBITDA von 130 Mio. € bis 2020 und einem beispielhaft angenommenen Multiple von 7,0x ein Unternehmenswert von 910 Mio. €. Abzüglich der voraussichtlich bestehenden Schulden einschließlich von Back-up-Fazilitäten sowie unter Berücksichtigung der dann zu erwartenden liquiden Mittel bliebe ein Eigenkapitalwert in Höhe von 194,2 Mio. € übrig.

Rickmers-Anleihe, Rickmers-Anleger
Grafik: HANSA

Für die Anleihe-Gläubiger wären das dann 94,2 Mio. €. Das entspräche einer Erlösquote von 31,5% gemessen am geplante Sanierungsbeitrag in Höhe von 299,4 Mio. € (Anleihe plus zurückbehaltene Zinsen). Erfolge der Verkauf der Aktien vor 2020, könne der Verkaufspreis »aufgrund der dann noch deutlich höheren Finanzverbindlichkeiten erheblich niedriger ausfallen und gegebenenfalls sogar Null betragen«, hieß es zu einem früheren Zeitpunkt.

Bei Rickmers hatte sich der Verlust im Geschäftsjahr 2016 mehr als verdoppelt. Das Ergebnis nach Steuern fiel auf –341 Mio. €, vorrangig getrieben durch sinkende Chartererlöse und steigende Wertberichtigungen. Die Flotte zählte zum Stichtag noch 114 Einheiten. Neben Containerfrachtern sind das Car Carrier, Bulker und MPP-Schiffe.

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