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Mit den ab 2020 geltenden strengeren Schwefelemissionsgrenzwerten stehen

die Reeder vor der Wahl: MGO, Scrubber, LNG oder Verschrottung. Wie hat sich

der Markt der Abgasreinigungsanlagen entwickelt und welche Trends gibt es?

Ein Überblick von Claudia Behrend

Schätzungen zufolge sind etwa 70.000 Schiffe von den ab 2020 weltweit geltenden strengeren Schwefelemissionsgrenzwerten von 0,5% der IMO (International Maritime[ds_preview] Organization) betroffen – vorbehaltlich der Ergebnisse einer Brennstoffverfügbarkeitsprüfung 2018. Für die Einhaltung haben die Reeder im Wesentlichen vier Optionen: den Betrieb mit schwefelärmerem Bunker wie MGO (Marine Gas Oil), den Einbau von Abgasreinigungsanlagen (Scrubber), den Einsatz von LNG (Liquefied Natural Gas) oder die Verschrottung.

Für 19 % der Reeder eine Option

Fest steht: Der Anteil gasbetriebener Schiffe ist viel langsamer gestiegen als noch vor einiger Zeit erwartet. Befragt man die Reeder, so ergibt sich folgendes Bild: Über 60% der Reeder von Containerschiffen, Bulkern und Tankern planen zufolge einer im Januar dieses Jahres veröffentlichten Umfrage der Schweizer Bank UBS, ihre älteren Schiffe im Hinblick auf die IMO-Vorgaben zu verschrotten. 74%beabsichtigen, niedrigschwefelhaltigen Bunker einsetzen, 19% wollen ihre Schiffe mit Scrubbern ausrüsten und lediglich 5% setzen auf LNG. Unklar ist derzeit, wie sich die Preise für MGO bis 2020 entwickeln. Abzuwarten bleibt auch, ob die zu erwartende erhöhte Nachfrage nach MGO in vollem Umfang abgedeckt werden kann.

Doch sieht beispielsweise die Reederei Maersk Line Abgasreinigungsanlagen nicht als Option: »Unsere Erfahrung mit dem Scrubber, den wir für einem Test bei einem Hilfsmotor eingebaut haben, führt uns zu der Überzeugung, dass dies keine Technologie ist, die wir auf den Hauptmotoren oder flottenweit installieren möchten«, sagt Sprecher Michael Christian Storgaard. »Die Installation eines Scrubbers würde die Komplexität des Schiffs, den Treibstoffverbrauch und weitere Verbrauchs- und Wartungskosten erhöhen.« Ein weiterer Grund sind die hohen Investitionen: Maersk geht davon aus, dass die Installation eines Scrubbers auf einem Großcontainerschiff mehr als 10Mio. $ kosten würde.

Auch die Reederei NSB aus Buxtehude hat bislang keins ihrer derzeit 68 Schiffe mit Scrubbern aus- oder nachgerüstet. Vor einigen Jahren sei man nach eingehender Analyse zu dem Ergebnis gekommen, dass der Platzbedarf, die Kosten und der Energiebedarf zu hoch seien, berichtet Jörg Erdtman, Vice President Technical Management and Service. Erneut beschäftigen werde man sich mit dem Thema Scrubber erst 2018.

Ein anderes Bild zeigt sich indes bei den Kreuzfahrtreedern. So hat der US-amerikanische Kreuzfahrtkonzern Carnival Corporation inzwischen auf 60 seiner insgesamt 100 Kreuzfahrtschiffe Scrubber installiert. Auch die deutsche Kreuzfahrtgesellschaft TUI Cruises setzt auf drei ihrer derzeit fünf Kreuzfahrtschiffe diese Technik ein. »Wir haben uns für Scrubber statt MGO entschieden, weil sie uns im weltweiten Einsatz die höchste Flexibilität ermöglichen«, erklärt die Umweltmanagerin Lucienne Damm. Die Schiffe von TUI Cruises seien weltweit im Einsatz und die MGO-Verfügbarkeit in Asien erst seit etwa ein bis zwei Jahren gewährleistet, im Orient gebe es bisher kaum oder gar kein MGO. Zudem seien Scrubber wirtschaftlich sinnvoll und böten zudem gegenüber MGO Vorteile bei der Reduktion von SOx, Partikeln und NOx.

Technik funktioniert

Auch andere Schifffahrtsunternehmen, die sich für Scrubber entschieden haben, sind zufrieden. Ein Beispiel ist die Lübecker Reederei TT-Linie mit den auf drei ihrer sechs Fähren installierten Hybrid-Scrubbern. Die erreichten Abgaswerte für SOx und Partikel beziehungsweise Feinstaub lägen deutlich unter den lokalen und internationalen Grenzwerten, heißt es.

Die Hamburger Reederei Buss-Shipping ließ 2016 mit der »Condor« und der »Corsar« (jeweils 1.025TEU) ebenfalls zwei ihrer Feederschiffe mit Hybrid-Scrubbern ausrüsten. Und es sollen noch mehr werden: »Da unsere Scrubber zufriedenstellend und zuverlässig das Abgas der zwei Schiffe reinigen und auch finanziell unsere Erwartungen erfüllen, überlegen wir derzeit, weitere fünf Feeder­schiffe, die in der Nord- und Ostsee verkehren, mit Scrubbern auszurüsten«, sagt Geschäftsführer Torben Koelln.

Über 360 Scrubber-Projekte bis 2020

»Es ist ordentlich Bewegung auf dem Markt«, berichtet auch Stine Mundal, Head of Section Environmental Certification bei DNV GL in Hamburg. »Von den Abgasreinigungsherstellern hören wir, dass es sehr viele Anfragen gibt.« Die Klassifikationsgesellschaft selbst hat inzwischen bereits 130 Installationen zertifiziert und verzeichnet damit einen Marktanteil von knapp 40%. Rund 20 weitere Nachrüstungen seien geplant, so Mundal. Auch von DNV GL zertifizierte Neubauten werden mit Scrubbern ausgerüstet: 13 waren es im vergangenen Jahr und im Orderbuch stehen weitere 25. Insgesamt gibt es nach Angaben von DNV GL bis 2020 mehr als 360 bestätigte Scrubber-Projekte. Dabei wird ein Großteil der geplanten oder bereits installierten Scrubber auf Kreuzfahrtschiffen, Fähren (42%) und RoRo-Schiffen (24%) eingesetzt. Auf Bulker und General Cargo-Schiffe entfallen jeweils neun, auf Containerschiffe sechs und auf Tanker 4%.

Nachfrage bei Werften noch gering

Bei den deutschen Werften ist allerdings noch keine erhöhte Nachfrage festzustellen. Bei Pella Sietas wurden nach Angaben der Werft bisher vier Schiffe mit Scrubbern ausgerüstet, alles Bulkcarrier mit einer BRZ von 25.000 bis 32.000. Weitere Installationen seien derzeit nicht geplant, so COO Björn Pape. Bei German Dry Docks wurden neun Abgaswäscher installiert. Scrubber blieben ein Thema und man führe derzeit Gespräche, berichtet Conrad Schmidt, Projektmanager für Nachrüstungen. Allerdings erwartet auch er derzeit lediglich etwa ein Projekt pro Jahr. Dies würde sich erst dann ändern, wenn die Treibstoffpreise steigen und die IMO-Vorgaben gälten.

Hybrid-Scrubber setzen sich durch

Zum Einsatz kommt sehr unterschiedlicher Technik: Die Reederei Rörd Braren, die 2015 eine der ersten war, ihre Schiffe nachzurüsten, entschied sich bei der »Timbus« und der »Cellus« für Dry-Scrubber, da das Verhältnis von Kosten und Nutzen am besten gewesen sei, so der Managing Rörd Braren. Anfängliche Probleme seien inzwischen gelöst.

Durchgesetzt hat sich diese Technik dennoch nicht. »Es kann festgehalten werden, dass Trocken-Scrubber im maritimen Umfeld nicht einsatzfähig sind«, sagt Matthias Becker, General Manager Marine Solutions bei Wärtsilä Deutschland. »Derzeit halten sich Hybrid- und Open-Loop-Systeme die Waage, allerdings werden aktuell vermehrt Hybrid-Scrubber eingebaut – und dieser Trend wird sich aus unserer Sicht verstärken«, berichtet Mundal. »Unter den Nass-Scrubbern sind eindeutig die Hybridanlagen dominierend«, erklärt auch Becker.

Die Reeder, die überlegen, einen Scrubber zu installieren, sollten für den Einbau und die Zertifizierung inklusive der Planungsphase mindestens ein Jahr Zeit einplanen, sagt Mundal. »Richtung 2020 könnte sich die erforderliche Vorlaufzeit verlängern, da unter Umständen die Werftkapazitäten knapp werden können.«
Claudia Behrend