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Die Hamburger Reederei Rickmers hat heute einen Insolvenzantrag beim zuständigen Hamburger Amtsgericht gestellt. Eine Analyse, wie es dazu kam.

Eigentlich sollten heute die Gläubiger der Rickmers-Anleihe in Hamburg zusammenkommen, um über das Sanierungskonzept für das angeschlage[ds_preview]ne Unternehmen abzustimmen. Ein positives Votum galt als nicht ausgeschlossen. Doch seit dem Vorabend ist alles hinfällig. Denn die HSH Nordbank als Hauptkreditgeber hat unmittelbar vor der Versammlung den Geldhahn zugedreht.

Damit ist die Reederei nicht mehr in der Lage, die in zehn Tagen fällige Zinszahlung in Höhe von 24,4 Mio. € auf die Anleihe zu leisten. Konsequenz: Das Traditionsunternehmen musste in die Insolvenz und will die endgültige Pleite »in Eigenregie« verhindern. Für die Anleger bedeutet dies herbe Verluste: Sie können mit ihren Forderungen lediglich auf eine Quote von 2,8% (worst case) bis maximal 6,7% (best case) rechnen, hatte die Kanzlei Brinkmann & Partner in ihrem Liquidationswertbericht ermittelt.

Als »wirtschaftlich nicht tragfähig« hat der Vorstand der Landesbank das vorgelegte Sanierungskonzept bezeichnet. Soll heißen: Auch die geplante Restrukturierung hätte die finanzielle Krise aus Sicht der Banker nicht gestoppt, eine positive Fortführungsprognose wird angesichts der anhaltenden Marktkrise und des Schuldenbergs von insgesamt 1,5 Mrd. € nicht mehr gesehen. Der Großteil der Verbindlichkeiten liegt bei der HSH Nordbank, sie hätte im Fall einer Sanierung auch die größten Zugeständnisse machen müssen. Die Rede ist von insgesamt mehr als 700 Mio. €, die durch Verzicht, Stundung oder sonstige Hilfen aufgelaufen wären.

Bertram Rickmers, Rickmers Gruppe
Bertram Rickmers (Foto: Rickmers)

Bertram Rickmers ist einer der Grand Seigneurs der Hamburger Szene. Die Familie ist schon seit Mitte des 19. Jahrhunderts im Reederei- und Werftengeschäft tätig, erst auf Helgoland, später in Bremerhaven, dann in Hamburg. Der Branchendienst Alphaliner listet die Rickmers Group auf Position 8 unter den größten Tramp-Reedern mit 69 eigenen Schiffen und einer Kapazität von 352.000 TEU. Davor rangieren aus Deutschland Peter Döhle (4) und Claus-Peter Offen (6), dahinter auf den Plätzen 11 bis 14 die NSB, E.R. Schiffahrt von Erck Rickmers, die Norddeutsche Reederei H. Schuldt und die Schulte Group.

Ein Imperium zerfällt

Doch spätestens seit diesem Jahr zerfällt das Imperium. Nach der gescheiterten Kooperation mit Bruder Erck und dessen E.R. Schiffahrt, dem Verkauf der Rickmers-Linie an die Bremer Zeaborn-Gruppe und der Abwicklung des Rickmers Maritime Trust in Singapur sollte wenigstens das Hamburger Stammhaus gerettet werden. In der Debatte um die Abstimmung der Anleihe-Gläubiger war offenbar, auch bei Rickmers selbst, verdrängt worden, dass die am 19. April geschlossene vorläufige Vereinbarung (Term Sheet) zwischen der Reedereigruppe und der Bank unter dem Vorbehalt der HSH-Entscheidungsgremien gestanden hatte. Und ganz offensichtlich war der Optimismus zu groß, dass man am Ende alle Beteiligten ins Rettungsboot bekommen würde. Ein fataler Irrtum, doch ganz sicher nicht der erste auf einem langen Leidensweg.

RickmersRickmers ist, wie eigentlich alle deutschen Reedereien, mit der weltweiten Finanzkrise ab 2008 und dem folgenden Ratenverfall in der Schifffahrt in größte Schwierigkeiten geraten. Das Traditionsunternehmen wollte den Markteinbrüchen und den finanziellen Engpässen mit frischem Geld privater Investoren entfliehen.

Daher wurde 2013 die Unternehmensanleihe in Höhe von insgesamt 275 Mio. € platziert, versehen mit einem für die Anleger höchst attraktiven Coupon von 8,875%. Die Rückzahlung 2018 sollte aus einem Börsengang finanziert werden, der jedoch Anfang 2016 abgesagt werden musste. Damit war auch diese erhoffte Geldquelle versiegt, stattdessen wurden die Schulden immer größer. Allein im vergangenen Geschäftsjahr machte die Firmengruppe einen Verlust von 341 Mio. €.

Anders als vielleicht von Bertram Rickmers und seinem Vorstand erhofft oder sogar erwartet, war die Reederei offensichtlich keinesfalls »too big to fail«. Und die 30 Mio. € aus dem Privatvermögen des Firmengründers und Alleinaktionärs reichen für eine Sanierung nicht aus. »Da hätte früher etwas passieren müssen«, heißt es in der Stadt.

Die drohenden Verluste hat die HSH Nordbank jedenfalls längst über eine erhöhte Risikovorsorge aufgefangen. 2015 hatte sie bereits Wertberichtigungen in Höhe von 3 Mrd. € vorgenommen, im vergangenen Jahr kamen noch einmal 2 Mrd. € hinzu. Ein möglicher Fall von Rickmers wurde dabei vorsorglich mit eingepreist, ist zu hören.

Kein zweiter Fall Kortüm

Es wird also keine Rettung nach dem Muster der Norddeutschen Vermögen von Bernd Kortüm geben. Heiß umstritten und diskutiert hatte die HSH Nordbank im Herbst vergangenen Jahres Schulden von gut 547 Mio. € erlassen und so den Fortbestand der kriselnden Reederei gesichert. Von einer Ungleichbehandlung könne keine Rede sein, heißt es aus HSH-Kreisen. Denn anders als bei Rickmers wurde für Kortüm eine wirtschaftliche Perspektive gesehen.

Für den laufenden Verkaufsprozess der Bank ist die Abkehr von Rickmers ohnehin eher förderlich. Je weniger Altlasten und Problemfälle am Ende im Portfolio stecken, umso attraktiver wäre das Paket für mögliche Investoren – und umso höher der Preis, der dafür erzielt werden könnte.

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