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Antwerpen will seine Top-Stellung ausbauen und blickt nach Osteuropa und Houston. Rotterdam und Algeciras wollen wachsen und sich als Alternativen anbieten: In Europas Häfen wird um Projekt- und Schwergutumschlag gerungen.

Die großen Schwerpunkte liegen zwar vor allem auf den Container- und Flüssiggutsegmenten. Doch damit wollen sich die Standorte zwecks Diversifizierung[ds_preview] des Portfolios nicht begnügen. So gibt es eine nicht unerhebliche Konkurrenz um Stückgut-, Projekt- und Heavylift-Ladungen in den jeweiligen Regionen.

Antwerpen gilt gemeinhin als Europas Marktführer. Eines der zentralen Charakteristika des Wettbewerbs ist allerdings die problematische Vergleichbarkeit. Angefangen bei der Einordnung der Gütergruppen: So wird mancherorts RoRo-Ladung mit einbezogen, zum Teil nur die Mafi-Trailer, zum Teil auch Fahrzeuge, andernorts hingegen nicht. Manche rechnen Bulk-Ladungen mit ein, sofern sie auf MPP-Schiffen ankommen, andere wiederum nicht. Besonders schwer zu überschauen ist es aber, wenn Projektladungen, die üblicherweise in Kubikmeter gemessen werden, zur »Vereinfachung« mit einem bestimmten Schlüssel in einen Tonnen-Wert umgerechnet werden, der wiederum unterschiedlich festgelegt ist.

Belgier blicken nach Ost und West

Ungeachtet dessen hat Antwerpen nach Ansicht der dortigen Verantwortlichen eine hervorgehebene Stellung in Europa. Im ersten Quartal legte der Stahlumschlag um 15% zu, das gesamte Breabulk-Segment um 8%, für Segment-Chef Wim Dillen ein Trend, keine Momentaufnahme. Rund 13% des Gesamtumschlags entfallen auf Breakbulk. 15 Betriebe sind an 17 Terminals ansässig. Zu den wichtigsten Akteuren gehören Euroports, Katun Natie, Seainvest oder Zuidnatie. Sehr viel Breakbulk-Umschlag findet am Churchill-Dock statt.

»Im letzten Jahr entfielen rund 27% aller Breakbulk-Ladungen zwischen Hamburg und Le Havre auf uns«, sagt Dillen im Gespräch mit der HANSA. Große Mengen sind Ladungen aus dem und für das Ruhrgebiet und Nordfrankreich. 10Mio.t gingen in Antwerpen über die Kaikanten, rund 80% davon waren Stahlprodukte oder NE-Metalle, der Rest stammt vor allem aus den Bereichen Holzprodukte, Baumaterialien und konventionelles Stückgut. Zudem ist man der größte Frucht- und Kaffeehafen des Kontinents.

Im Projektbereich profitiere man unter anderem davon, dass einige Großkonzerne Antwerpen nutzen, um ihre Transporte für den weltweiten Export zu bündeln – vor allem für Afrika und die NAFTA-Region mit Mexiko, Kanada und den USA. Auch der russische Markt gewinnt zunehmend an Bedeutung für den Stahl-Umschlag.

»NAFTA ist ein enorm wichtiger Markt für uns«, so Dillen. Das Geschäft soll ausgebaut werden, dafür wurde eigens eine Kooperation mit dem Breakbulk-Hub Houston vereinbart. »Es gibt große Volumen für uns aus Houston. Dafür arbeiten wir an einem gemeinsamen Ansatz, weil Antwerpen der Haupt-Hub für Transporte von und nach Houston werden soll.«

Sorgen um protektionistische Tendenzen der neuen US-Regierung macht sich Dillen nur bedingt. Vielmehr erwartet er, dass sich der Freihandel durchsetzen wird. »Wir lehnen Protektionismus ganz klar ab. Aber die Politik von Donald Trump hat sogar einen positiven Effekt. Viele Unternehmen wollen an der Infrastruktur-Offensive teilhaben. Daraus wird Nachfrage nach Transporten entstehen.«

Auch Strafzölle, beispielswiese die der EU gegen chinesische Stahlprodukte, wirkten sich positiv auf die Zahlen in Antwerpen aus. »Was wir sehen, ist eine Veränderung der Transportwege. So wurden die Rückgänge im Stahlimport aus China durch andere Regionen wie Korea, Indien und Brasilien sogar überkompensiert. Offenbar weiten einige Unternehmen ihre Importe aus, weil sie nicht wissen, was die Zukunft bringt«, erläutert der Belgier.

Als zweite Region, in der man seine Aktivitäten verstärken will, haben die Verantwortlichen Osteuropa ausgemacht. Eigentlich spielen hierfür andere Seehäfen eine wichtigere Rolle, etwa Hamburg und Gdansk oder Koper im Süden. Die Antwerpener wollen angreifen und haben ihre Vertriebsorganisation im Osten ausgebaut. »In Osteuropa wird viel Breakbulk-Ladung produziert, wir wollen einen Teil davon zu uns holen«, sagt Dillen.

Die zunehmende Containerisierung – auch im Fruchtsegment – macht ihm ebenfalls keine allzu großen Sorgen. Denn trotz des Trends konnte Antwerpen im letzten Jahr zulegen. »Außerdem wird es immer Ladungen geben, die nicht in die Stahlboxen passen.«

Obwohl Antwerpen selbst fast keine unmittelbar angebundene Stahlindustrie (»captive industry«) habe, sei man einer der führenden Umschlagplätze. Andere Standorte haben in diesem Punkt tatsächlich Vorteile, etwa Amsterdam, Ijmuiden, Dünnkirchen oder Ghent, wo es zum Teil Stahlwerke von Großkonzernen wie Tata Steel oder Arcelor Mittal in unmittelbarer Umgebung der Wasserkante gibt.

Zu den Vorteilen des Standorts zählt Dillen neben Spezialanlagen wie einem Allwetter-Terminal für witterungssensible Ladungen einen Umstand, der in der Vergangenheit zumeist als Nachteil ausgelegt wurde: die geographische Lage, beziehungsweise die vergleichsweise große Entfernung zum offenen Meer. Antwerpen liegt rund 80km von der Nordsee entfernt. »Früher war das ein Handicap, heute ist es unser wichtigster Vorteil. Wir liegen sehr gut positioniert zu den großen Produktions- und Verbrauchermärkten Europas«, erläutert Dillen. Bei den derzeit niedrigen Frachtraten ist es ökonomisch sehr sinnvoll, die Ladung so weit wie möglich auf Schiffen zu transportieren.

Nötig und gewünscht sind aus Sicht der Hafen-Verantwortlichen private Investitionen in Umschlag- und Industrie-Anlagen. Auf der »Left Bank« sollen dafür rund 1.000ha Fläche bereit gestellt werden, vor allem, aber nicht nur für den Containerumschlag. Wegen langwieriger behördlicher Prozesse dürfte es jedoch noch bis 2020 dauern, ehe es losgehen kann, erfuhr die HANSA.

Auch am Churchill-Dock gibt es Freiflächen, seitdem man sich mit General Motors über die Übernahme der mittlerweile verlassenen Fläche geeinigt hat, auf der in der Vergangenheit eine Produktionshalle für Opel-Fahrzeuge stand. Noch ist die Fläche nicht vergeben, es gibt recht konkrete Vorstellungen. »Wir wollen keine Logistiker, sondern Industrie«, heißt es aus der Hafenverwaltung. Dem Vernehmen nach gibt es Interesse aus Saudi-Arabien.

Rotterdam will Alternative sein

In Europas größtem Hafen Rotterdam gibt man sich angesichts des Vorsprungs von Antwerpen verhältnismäßig bescheiden, was das Segment betrifft. Zwar konnte der Stückgut-Umschlag im ersten Quartal um 49% gesteigert werden – allerdings auf relativ niedrigem Niveau auf 1,8Mio.t.

Anders als im Container- und Gesamtumschlag bleibt Europas größter Hafen im Breakbulk- und Projektgeschäft hinter Antwerpen zurück. Es gibt einen großen RoRo-Hub und das Segment wird für das Projektgeschäft immer wichtiger, weil sich ein echter Trend zur Verschiffung solcher Ladungen auf MAFI-Trailern mit RoRo-Schiffen erkennen lässt. Aber im klassischen Breakbulk-Geschäft kommt man trotz 21 zum Teil spezialisierter Terminals – verteilt auf das gesamte Hafengebiet von der Maasvlakte bis zum Eems-/Waalhaven – nicht an die belgische Konkurrenz heran. Das heißt aber nicht, dass die Niederländer keine Wachstumspläne haben: »Ich habe keinen Zweifel an der Qualität in Antwerpen. Unser Argument ist jedoch, dass Rotterdam es genauso gut kann, wenn nicht besser«, sagt Breakbulk-Manager Robert Jan Timmers.

Aktuell liegt der Segment-Schwerpunkt in Rotterdam auf Stahlprodukten (30%) und NE-Metallen (45%). Daran will man arbeiten: »Projektladung und Super-Heavylifts spielen eine entscheidende Rolle in unserer Strategie für die nächsten Jahre«, so Timmers weiter. Da habe man große Stärken und auch Vorteile: Indoor-Fertigungsanlagen mit bis zu 700t Kapazität und Schwimmkrane, die bis zu 1.800t heben können. Zum Vergleich: In Antwerpen sind es 800t.

Nach der Jahrtausendwende sah man sich an der Rheinmündung bemüßigt, den vormals (zu) starken Fokus auf Containern und Flüssigladungen zu überdenken. Vor vier Jahren wurde schließlich die Initiative »Rotterdam loves breakbulk« aufgesetzt. Seither versucht man gemeinsam mit Terminalbetreibern, in der Verladerschaft zusätzliche Volumen anzuziehen. Dazu gehöre auch die »Hausaufgabe, die bestmögliche Infrastruktur bereitzustellen, inklusive einem effizienten Transportsystem mit Binnenschiffen, Gleisen und Straßen«, erläutert Timmers. Die in Rotterdam in der Vergangenheit nicht selten auftretende Verstopfung der Verkehrswege will man durch einen verbesserten Modal Split verhindern – »weniger Trucks, mehr Züge und Binnenschiffe«. Man arbeite daran mit Hochdruck.

So wurde die A15 ausgebaut, auch die Betuwe-Route für den Schienenverkehr wurde (weiter-)entwickelt, sie sei sehr gut für Breakbulk-Ladungen geeignet. Zudem steht ein Neubau einer Brücke zwischen den Gebieten Europoort und Botlek an.

Ob sich die Entwicklung des ersten Quartals fortsetzen lässt, ist unklar. Timmers sieht aber positive Anzeichen: Immer mehr Ladungseigner kombinieren ihre vormals kleineren Volumen und wollen einen zusätzlichen Hafenanlauf als Alternative. »Rotterdam wird mehr und mehr zu einem Standard-Anlaufhafen, anstatt nur eine weitere Option zu sein.« Einer der Vorteile seien die umfangreichen Transhipment-Möglichkeiten, weil Rotterdam aus vielen Regionen – vor allem aus Nord- und Ostsee – von vielen Reedereien regelmäßig angelaufen wird.

Algeciras setzt auf die EU

Im südspanischen Algeciras spielt Transshipment ebenfalls eine Rolle in den Planungen. Dort ist man sich seiner bisherigen Randposition allerdings bewusst. Der Hafen an der Straße von Gibraltar ist zwar der umschlagstärkste Hafen des Landes. 2016 gingen knapp 103Mio.t über die Kaikanten, 60% des Umschlags enfallen allerdings auf Container, weitere 30% auf Flüssiggüter.

Algeciras wird dank seiner exponierten Lage von Container-Großlinien als Transshipment-Hub für Südeuropa und Afrika genutzt. Im Breakbulk-Segment jedoch ist der Hafen ein eher kleines Licht. Mit der innerspanischen Konkurrenz, etwa in Bilbao, kann man nicht mithalten. Dort sorgt besagt »captive industry« aus dem Maschinenbau- und Stahlgeschäft für Ladungen. Derartiges ist in und um Algeciras nicht in ähnlichem Maße zu finden. Dennoch ist Hafenentwicklungschef Nicolas Martinez optimistisch, künftig größere Volumina anziehen zu können.

Das gewichtigste Pfund, mit dem er zu wuchern versucht, ist die geographische Lage. »Unsere Lage an der Straße von Gibraltar ist sehr günstig, die Bucht ermöglicht sicheren Umschlag und wir liegen direkt an einer der größten Handelsrouten«, so Martinez. Seiner Ansicht nach könnten Verlader und Reeder in Algeciras sehr gut ihre Operationen bündeln. Zudem sei man ein idealer Standort für Verschiffungen von und nach Afrika. Auch an Platz mangelt es nicht, im Hafengebiet gibt es das Campamento-Areal direkt an der Bucht. Hier wäre eine Ansiedlung von Breakbulk-Terminals problemlos zu realisieren.

An der seeseitig exponierten Lage besteht tatsächlich kaum ein Zweifel. Ein gewichtiger Nachteil ist allerdings die landseitige Anbindung. Algeciras liegt im äußersten Südwesten Europas, sowohl Konsumenten- als auch Industriemärkte sind relativ weit entfernt, anders als etwa in Bilbao.

Im Containersegment kann das über den Anschluss ans Feeder-Netz der Liniencarrier aufgefangen werden. Im Breakbulk-Geschäft sind derartige Transshipment aber eher selten, allein schon aufgrund der kleineren Tonnage. Martinez sieht dennoch Chancen für Transshipment. »Von den 4,7Mio. TEU sind 39% Transshipment-Container. Wir wissen also, womit wir es zu tun haben und könnten das auch im Breakbulk-Markt machen.«

Vor allem aber setzt er auf die Europäische Union. Man sei zwar schon recht gut an das Autobahn-Netz und darüber an das Hinterland angebunden. Noch mehr betont Martinez allerdings den Schienenverkehr. »Wir wurden als einer der Hubs der Transeuropäischen Netzwerke (TEN-T) ausgewählt. Beide Korridore für die Iberische Halbinsel starten in Algeciras«, so Martinez. Man sei damit fest auf der Schienen-Karte der Zukunft verankert.

Gleichzeitig gesteht er allerdings ein, dass dies auf Dauer nicht ausreiche, sondern dass die Schienen-Infrastruktur auch ertüchtigt werden muss. Zumal die politischen Verhandlungen noch laufen. »Wir benötigen Investitionen und haben dies bei der spanischen Regierung auch deutlich gemacht. Madrid hat ein Budget für das TEN-T-Netzwerk erhalten. Wir haben aber bislang nur einen Teil davon bekommen«, moniert der Hafen-Manager. Algeciras brauche mehr Geld, um den von der EU geforderten Zeitplan einhalten zu können.

Bis zu einer größeren Eintritt in den Breakbulk-Markt wird sich Algeciras daher auf seine starke Stellung im Containerumschlag verlassen (müssen).


Michael Meyer