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Für manche ist sie ein willkommener Partner für mehr Sicherheit, für andere ein notwendiges Übel. Die Rede ist von der Berufsgenossenschaft

Berufsgenossenschaften sind aus dem beruflichen Leben nicht wegzudenken. Als Träger der gesetzlichen Unfallversicherung sind sie für die Verhütung, Rehabilitation und[ds_preview] Entschädigung von Arbeitsunfällen, Unfällen auf dem Arbeitsweg und für Berufskrankheiten zuständig. Zu den neun Berufsgenossenschaften in Deutschland gehört auch die BG Verkehr, zuständig für alles, was rollt, schwimmt und fliegt. Für die Binnenschifffahrt, die seit 130 Jahren über eine eigene Berufsgenossenschaft verfügte, ist die BG Verkehr seit 2005 zuständig. Innerhalb der BG Verkehr ist der technische Teil der Binnenschiffs BG eigenständig, aber nicht selbständig. Die entsprechende Einheit wird Fachgruppe genannt.

Referatsleiter und zuständig für diese in Duisburg ansässige Fachgruppe ist Friedrich Füngerlings. Zusammen mit seinem Mitarbeiter André Stäudtner gibt er der »Binnenschifffahrt« einen Einblick in die vielfältigen Tätigkeiten seiner Fachgruppe und entsprechend eingetretene Erfolge.

»In den sechziger Jahren hatten wir noch 80–100 Ertrinkungstote pro Jahr bei etwa 30.000 Versicherten. Seit Ende der Neunzigerjahre ist die Zahl auf drei zurückgegangen in den letzten Jahren konnte sie oft auf null reduziert werden, bezogen auf rund 8.000 Versicherte«, beschriebt Füngerlings einen Erfolg. Ein Grund dafür sei, dass das Geländer am Gangbord verpflichtend eingeführt wurde. Auch die Weiterentwicklung und Einführung der Rettungswesten, die heute einen hohen Tragekomfort haben, habe die Entwicklung wesentlich gestützt,.

Aktuell werden von der BG rund 2.600 Betriebe betreut, die mit einem Betriebssitz in Deutschland in der Binnenschifffahrt tätig sind. Überwiegend, so Stäudtner, seien es Klein- und Kleinstbetriebe, wo oft nur Mann und Frau, vielleicht noch ein Mitarbeiter, an Bord tätig seien. Die Zahl der größere Betriebe (mit mehr als 20 Mitarbeitern) beläuft sich auf rund 130. Dazu zählen auch die Einheiten der Fahrgastschifffahrt einschließlich der in der Gastronomie tätigen Kräfte.

Vom Kontrolleur zum Berater

Als Erfolgsfaktor nennen die beiden auch die inzwischen geänderte Rolle der Berufsgenossenschaft. Ehemals eher als Kontrolleure mit »Aufsichtsbeamten« unterwegs, sehen sich die heute »Aufsichtspersonen« genannten Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen eher in beratender Funktion, als Partner der Branche. Durch intensive Information, durch Schulungen schon bei den Nachwuchskräften, sei ein entsprechendes Bewusstsein für mehr Sicherheit an Bord geschaffen worden.

»Während sich beispielsweise das Dezernat Technische Schiffssicherheit (ehemals ZSUK) um die technischen Aspekte eines Schiffes kümmert, sehen wir das Schiff als Arbeitsplatz der Menschen, die dort zum Teil auch wohnen«, so Füngerlings. Das setze eine andere, auch ganzheitliche Sichtweise voraus. Von dem früher geflügelten Wort »Unsere Unfallverhütungsvorschriften sind mit Blut geschrieben« sei man seit etwa 30 Jahren weggekommen, heute spiele Prävention eine große Rolle. Die Maxime laute heute: »Was kann passieren, wenn …«

Diese Sichtweise versuche man seit Ende der 1980er Jahre, auch in vielen freiwilligen Schulungen, zu verbreiten. »Wir betrachten uns insgesamt als Partner der Branche«, so Füngerlings. Die Wasserschutzpolizei und das Gewerbeaufsichtsamt seien die Aufsichts- und Strafbehörden. »Auch wenn wir als Aufsichtspersonen auftreten, wir sind eher der beratende Partner. Das hat natürlich auch die Akzeptanz unseres Einsatzes wesentlich erhöht«, so die Erkenntnis in der Duisburger Zentrale.

Technisch top

Nicht selten komme es vor, dass Betriebe bei der BG direkt nach Rat fragten oder einen Besuch an Bord wünschten, beispielsweise vor geplanten Veränderungen am Schiff, so Stäudtner. Je enger die Kontakte würden, umso mehr wachse die Erkenntnis: »So böse sind die ja doch nicht«.

»Wir wollen, dass der Schiffer und seine Mitarbeiter ihre Arbeit mit minimalem Risiko für Leib und Leben und möglichst kostenoptimiert verrichten können«, beschreibt Stäudtner seinen Arbeitsansatz. Das Ergebnis dieses Bewusstseinswandels sei, dass man häufig auf Schiffe komme, wo man sage könne: »Hier ist wirklich alles top«. Das gelte vor allem für den technischen Zustand. Was den Bereich der Unterweisung angehe, sei allerdings oft noch »Platz nach oben«. Aber auch da sei man auf gutem Weg. »Sicher gibt es auch in der Binnenschifffahrt schwarze Schafe, wo man die Hände über dem Kopf zusammenschlägt, wenn man an Bord kommt. Unsere Erfahrung ist aber auch: Wenn man vernünftig über die Themen redet, kommen die Einsicht und das Verständnis«, weiß die Stäudtner, der selbst gelernter Matrose ist.

Trotz aller Beratung und Prävention kommt es immer wieder zu Unfällen. Stürzen und Stolpern steht in der Häufigkeit ganz oben. Daher zielt auf diesen Bereich eine intensiv geführte Kampagne.

Ein weiteres Stichwort führt bei den Experten zu Falten auf der Stirn: Brückenanfahrungen. Füngerlings kennt die Statistik: In den letzten fünf Jahren fast alle zwei Wochen ein abgefahrenes Steuerhaus. Nicht nur die Experten in der BG-Zentrale wünschen sich dort mehr Aufmerksamkeit und auch den verstärkten Einsatz technischer Hilfen, die derartige Unfälle in hohem Maße verhindern könnten. Dann bräuchte die Unfallabteilung mit ihrer Zuständigkeit für Entschädigung, bestmögliche gesundheitliche soziale und berufliche Rehabilitation und mögliche Rentenzahlung nicht so häufig aktiv zu werden.

Hermann Garrelmann