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Die Zukunftsperspektiven und die Digitalisierungen in der Stahl-Branche waren beim 17. Branchenforum Stahl in Dortmund die zentralen Themen

Hermann Grewer,Vorsitzender des Verbandes Verkehrswirtschaft und Logistik Nordrhein-Westfalen (VVWL), rückte in seiner Begrüßung zunächst den Preisdruck in den[ds_preview] Vordergrund: Transport- und Logistikdienstleister hätten durch hohe Flexibilität und Kundenorientierung, aber eben auch durch Kosten-Optimierungen die Stahlindustrie flankiert. Er warnte vor einem unreflektierten Fortsetzen dieser Prozesse. »Das reine Denken in kurzfristiger Einkaufspreisoptimierung ohne angemessene Refinanzierungszeiträume wirkt kontraproduktiv und ist mittelfristig nicht mehr zielführend«, stellte Grewer fest.

Doch den Stahltransporteuren droht daher noch immer zusätzlich Ungemach wegen der aktuellen Marktsituation der Industrie: So beklagte Sebastian Bross, Geschäftsführer Vertrieb und Logistik von Salzgitter Flachstahl, unter anderem Ungerechtigkeiten aus dem Emissionsrechtehandel. Die daraus resultierenden Belastungen könnten die erzielbaren Gewinne deutlich übersteigen. Das könne wiederum zum Abwandern der Industrie in Länder mit niedrigeren Umweltauflagen führen.

Die Konjunktur habe sich gefestigt und die Indikatoren zeigten nach oben, beruhigte Martin Theuringer, Geschäftsführer und Leiter Geschäftsfeld Wirtschaft und Märkte der Wirtschaftsvereinigung Stahl, schränkte aber sogleich ein, dies sei nur eine moderate Erholung. Problematisch sei, dass der Maschinenbau seit drei Jahren stagniere und in Südeuropa zu wenig Schwung in den Stahlmarkt komme; so liege Spanien derzeit immer noch 45% unter Vorkrisenniveau. Fraglich sei zudem, ob der Rückgang des chinesischen Exports nachhaltig sei, denn die Überkapazitäten blieben auf unverändert hohem Niveau, während die Nachfrage sinke.

Langfristig andere Szenarien

»Die Konjunktur brummt und wird das auch weiter tun, die Zinsen bleiben niedrig und die Welt kompliziert«, bestätigte Jörn Quitzau,Senior Economist und Leiter Wirtschaftstrends der Berenberg Bank, Joh. Berenberg, Gossler & Co. KG. Allerdings müsse sich die Industrie insgesamt, also auch die Stahlindustrie, langfristig auf ressourcenärmere, weniger materialintensive Wachstumsszenarien einstellen.

Einen durchaus nachhaltigen Kostensenkungseffekt, der nicht zu Lasten der Branche gehe, sieht Karsten Lork,Mitglied des Vorstandes von Klöckner & Co., in der Digitalisierung der Stahlbranche und Stahllogistik. Ineffiziente und intransparente Lieferketten müssten in einem auf digitale Plattformen gestützten Prozess verbessert werden, so Lork. »Die Stahlindustrie arbeitet oft noch so wie in den 1990er-Jahren – mit viel Papier und vielen Telefonaten«, kritisierte er den aktuellen Zustand der Branche.

Auch wenn der Großteil der Rohstoffe und Produkte über Bahn und Binnenschiff abgewickelt würde, sei der Straßentransport für die Stahlindustrie unerlässlich, gab Rolf Bennemann, Niederlassungsleiter Stute Logistics, zu bedenken. Die Volatilität der Märkte stelle die Logistik dabei vor zusätzliche Herausforderungen: »Durch Staus und die marode Infrastruktur kann es vorkommen, dass Fahrer kurz vor dem Ziel noch eine halbe Stunde Pause einlegen müssen, denn die Sozialvorschriften werden in Deutschland streng kontrolliert«, warb er für mehr Verständnis bei den Auftraggebern.

Uneinheitliche Digitalisierung

Dem Geschäftsführer von Rheinkraft International, Dirk Müller, lag in diesem Zusammenhang vor allem der Schwerlastverkehr am Herzen. Er ging auf die unterschiedlichen und uneinheitlichen Entwicklungen im Digitalisierungsprozess ein. Als Beispiel für nicht zielführenden digitalen Fortschritt nannte er VEMAGS. Dies ist das bundeseinheitliche Produkt zur Online-Abwicklung des Antrags- und Genehmigungsverfahrens für Großraum- und Schwertransporte (GST) aller 16 Bundesländer und des Bundes. Es sei derzeit noch ohne Mehrwert, denn es bilde nur 1:1 den ursprünglich analogen Papierprozess ab. Müller forderte autonome Systeme mit einem neuen Risikomanagement und zügige Weiterentwicklung standardisierter Vernetzungen: »Abwarten ist bei der Digitalisierung wirklich keine Option«, warnte er.

Christoph Kösters,Clustermanager Logistik.NRW und Hauptgeschäftsführer des VVWL, mahnte abschließend eine Optimierung für die gesamte Lieferkette an. Oftmals seien die Systeme auf die Bedürfnisse der direkten Anwender ausgerichtet. Sie würden aber die notwendige Systemoptimierung für die Ressourcen der Transporteure und Spediteure allenfalls unzureichend berücksichtigten.


Martin Heying