Wahlkampfgetöse

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Naturschutzgebiet, Elbvertiefung, Schlick-Verklappung … an der Elbe war mal wieder einiges los in den letzten Wochen. Am politischen Spieltisch wurden[ds_preview] hohe Einsätze gemacht, mit EU-Recht und Moratorien argumentiert, Unwissen und Praxisferne suggeriert. Das dürfte bis zur Bundestagswahl am 24. September und zur niedersächsischen Landtagswahl im Oktober weitergehen.

Denn die Diskussion um das von Hannovers scheidender rot-grüner Koalition geplante Schutzgebiet an der Elbmündung sowie (un-)mögliche Auswirkungen auf die ach so dringend benötigte Elbvertiefung kann man vor allem auch als eines wahrnehmen: Wahlkampfgetöse.

In unserer Republik hat es sich etabliert, dass die Landespolitik im Bundestagswahlkampf mit am Tisch sitzt. Echte wie rhetorische Grenzen verschwimmen. Ob das von den Vätern unserer föderalistischen Verfassung so gedacht war, sei mal dahingestellt.

Wie auch immer: Wahlkampf ist Doppel-Wahlkampf und da sollte man nicht alles für bare Münze nehmen, auch das zeigt die Erfahrung. Ungeachtet der harschen (Re-)Aktionen stellen die Diskussionen um ökologischen und ökonomischen (Un-)Sinn auch eine Chance dar: Wenn sich die Wogen geglättet haben – und das werden sie – ist Zeit für einen neuen Anlauf zu grenzüberschreitender Hafen-Kooperation.

Vom Föderalismus ist in wirtschaftspolitischen Fragen ohnehin nicht mehr viel übrig. Und nach den beiden Wahlen könnte ein wenig Ruhe einkehren, denn die nächsten Wahlkämpfe in Hamburg oder Bremen stehen nicht unmittelbar an. Warum also die Jetons nicht noch einmal einsammeln und ein neues Spiel beginnen? Richtig ist, dass der Hafen Hamburg enorme Bedeutung für die Metropolregion sowie den Hinterlandverkehr nach Mittel- und Osteuropa hat. Die Notwendigkeit, den Standort als Welthafen zu erhalten, wird nicht angezweifelt. Richtig ist aber auch, dass das Schicksal des Hafens nicht allein an der Elbvertiefung hängt. Reeder können die Diskussionen ohnehin schon nicht mehr hören. Zudem werden immer mehr Mega-Carrier schon jetzt direkt in die Ostsee geschickt – ein wichtiger Markt für die ab Hamburg gehenden Feederverkehre. Im europäischen »Hafen-Ausland« wird über die leidige Diskussion mittlerweile nur noch milde geschmunzelt.

Ob und wann die Elbvertiefung kommt, ist kaum noch seriös vorhersehbar. Warum also nicht einen anderen Kurs einschlagen? Warum setzen sich Hamburg, Bremen/Bremerhaven und Niedersachsen nicht (noch einmal) an einen Tisch? Zweifellos hat der JadeWeserPort als Deutschlands einziger Tiefwasserhafen noch Potenzial. Tiefgangsbeschränkungen und verstopfte Verkehrsinfrastruktur kennt man in Wilhelmshaven nur vom Hörensagen.

Die Wirtschaft hat bereits reagiert, etwa mit Container-Shuttlezügen von Hamburg und Bremen an den Jadebusen, die Politik noch immer nicht.

Prestige, Traditionsbewusstsein und Lokalpatriotismus sind wichtig, sollten aber nicht eine nachhaltige Weiterentwicklung bremsen. Niemand will und kann den Ladungseignern den Weg ihrer Güter vorschreiben. Eine engere Verzahnung der Häfen scheint dennoch machbar, um das Ladungsvolumen zu halten. Klar ist jedoch auch: Ohne tatkräftige politische Flankierung ist eine echte operative Kooperation nicht zu realisieren. Eigentlich auch ein gutes Wahlkampfthema…

Viel Spaß beim Lesen wünscht


Michael Meyer