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Der LNG-Umbau der »Wes Amelie« ist abgeschlossen, das Projekt geht weiter. Experten der Wessels Reederei begleiten nun die Inbetriebnahme und wollen das erworbene Know-how im Markt anbieten. Für die HANSA zieht die Reederei exklusiv eine erste Bilanz.

Nach der Betankung begann die »Wes Amelie« am 7. September die Charter für Unifeeder und fährt nun im Feeder-Dienst[ds_preview] zwischen Rotterdam und den Ostseehäfen Tallinn, Riga, Klaipeda und Gdynia. »Die Probefahrten sind alle erfolgreich abgeschlossen worden, am Ende des Tages waren alle beeindruckt«, freut sich Gerd Wessels, geschäftsführender Gesellschafter der Wessels Reederei.

Obwohl man mit der Umrüstung nun fertig ist, übergibt die Reederei die »Wes Amelie« nicht einfach an den Charterer. Denn auch die Betriebsphase ist Neuland. Eine besondere Konstellation sei das, sagt Wessels: »Das kann man als Gemeinschaftsprojekt bezeichnen. Das Bunkern ist im Chartermarkt eigentlich Sache des Charterers, aber weil es innovativ und etwas ganz Neues ist, haben wir uns mit Unifeeder auf einen mehrmonatigen Begleitprozess geeinigt.« Zum Teil sei das Thema für Häfen in der Rotation neu, daher müsse man jetzt gemeinsam Lösungen finden, die zunächst »Stand-alone-Aktionen für ein paar Monate« blieben, bis es langfristige Regelungen gebe.

Christian Peter Hoepfner, Prokurist und Leiter von Wessels Projects, fügt hinzu: »LNG steckt immer noch in den Kinderschuhen, sowohl auf der Nachfrage als auch auf der Angebotsseite. Da muss man einfach mit einem höheren Zeitaufwand pro Bunkervorgang rechnen und das muss in enger Abstimmung zwischen Manager und Charterer passieren.«

Die Erstbetankung der »Wes Amelie« nahm der Hamburger Lieferant Nauticor vor. Einen langfristigen Vertrag oder Volumenkontrakt für das Flüssiggas gibt es aber noch nicht, weil die Entwicklung sehr dynamisch ist, sowohl was den Preis als auch die Infrastruktur angeht.

»Wir wissen, dass sehr viele Leute auf das Projekt schauen, insbesondere auf die nächsten Monate. Die wichtigen Fragen werden sich jetzt um Zeitverlust und Frequenz beim Bunkern, Bunkermöglichkeiten und –kapazitäten drehen. Diese Fragen haben aber eigentlich nichts mit dem Umbau selbst zu tun«, erklärt Wessels. »Wir haben jetzt gezeigt, dass es technisch möglich und kontrollierbar ist, so einen LNG-Umbau auf die Beine zu stellen. Es ist jetzt gefordert, dass die Infrastrukturseite nachzieht, dass flexible Bunkermöglichkeiten eingerichtet werden. Wir sind sehr zuversichtlich, dass es sich weiter entwickelt. Die neue LNG-Förderrichtlinie ist sicher ein ganz wichtiger Punkt.«

Hoepfner hakt ein: »Es gibt zwei elementare Faktoren für so ein Projekt, der eine ist die für den Umbau nötige Investition. Der zweite ist die LNG-Versorgung im operativen Betrieb.Der Charterer möchte keine Zeitverluste hinnehmen, weil er z.B. das Schiff irgendwo hin verholen muss, um LNG zu bunkern. Zielsetzung ist die wasserseitige LNG-Versorgung des Schiffes bei simultanem Lade- und Löschbetrieb. Eine hierfür vorgesehene Lösung konnte letztlich nicht umgesetzt werden. Temporär müssen wir daher noch auf eine Truck-to-Ship-Lösung zurückgreifen. Wir leisten hier viel Pionierarbeit.«

Dabei lief beim Umbau der »Wes Amelie« bei German Dry Docks in Bremerhaven nicht alles nach Plan – nichts Ungewöhnliches bei einem Pilotprojekt. »Eine große Herausforderung stellte das Wetter dar, insbesondere für den sensiblen Rohrleitungsbau im cryogenen Bereich «, erklärt Wessels. »Wir haben Zeit verloren, aber das ist bei so einem komplexen Innovationsprojekt nicht ungewöhnlich. Wir waren uns der Komplexität durchaus bewusst, aber der Teufel steckt eben im Detail. Dafür hatten wir und die anderen am Projekt beteiligten Gewerke eine steile Lernkurve.« Der Maschinenumbau des MAN 8L48/60B auf 51/60 sei relativ problemlos verlaufen. Der Motorenhersteller hatte den Motorentyp bereits in mehreren Landanwendungen für den Gasbetrieb umgebaut. »Bei anderen Bereichen wie Tank- und Rohrleitungsbau, Elektrik und den jeweiligen Schnittstellen gab es jedoch viel Neues zu Lernen. «, so Wessels.

Die »Wes Amelie« wurde von Wessels im August 2011 als zweites Container-Feederschiff einer Viererserie in Fahrt gesetzt. Das Schiff wurde unter der Klassifikation von Bureau Veritas in China gebaut, ist 151,72m lang, 23,40m breit und hat einen Tiefgang von 8m. Die Ladekapazität beträgt 740TEU/14t bei Stellplätzen für 1.036TEU. Durch die Umrüstung gingen im Vorschiffbereich durch den Einbau des 500m3-Tanks samt Tankhaube 29 Stellplätze verloren. »Hätten wird den Tank hinten vor den Aufbauten platziert, wäre das erheblich aufwändiger gewesen und wir hätten deutlich mehr gut zahlende, schwer tragende Stellplätze verloren«, sagt Wessels. Auch der Brandschutz war laut Hoepfner ein Faktor für die Wahl der Tankposition: »Es hätte sonst neue Feuerschutzzonen im Bereich des Deckshauses geben müssen. Im Falle eines Neubaus wäre es aber immer gut, den Tank in der Nähe des Motors zu haben.«

Für die Mannschaft an Bord ändert sich mit dem neuen Kraftstoff einiges. »Je nach Rang und Aufgabenbereich benötigt die Besatzung einen großen oder kleinen Gasschein. Qualifiziertes Personal ist noch rar und wir haben unsere Leute selber mitausgebildet«, sagt Wessels. »Die Weiterbildung unserer Ingenieure haben wir unter anderem auch in Kooperation mit MAN in Augsburg vorgenommen. Einen erfahrenen LNG-Tankerkapitän und leitenden Ingenieur aus dem Markt zu nehmen, wäre grundsätzlich eine Option. Diese qualifizierten Seeleute genießen allerdings eine hohe Nachfrage«, so der Reederei-Chef. Daher sei man am besten beraten, das selbst in die Hand zu nehmen, möglichst zwei Jahre vor Inbetriebnahme des Schiffs.

Ein Gedanke, mit dem die Reederei schon bei der Ankündigung des Projekts an die Öffentlichkeit ging, war die Skalierbarkeit. Insgesamt fahren 23 Schwesterschiffe des Typs weltweit (16 baugleich), der MAN-Motor kommt auf 82 Schiffen zum Einsatz. Der nun abgeschlossene Umbau soll weitere Eigner ermutigen. »Wir haben mit unserem Ingenieurteam jetzt einen riesigen Erfahrungsschatz gesammelt. Wir haben unheimlich viel gelernt, was Fragestellungen und Problemstellungen angeht. Das ist sicherlich etwas, womit wir werben können«, sagt Hoepfner. Man könne sich gut vorstellen, dieses Know-how jetzt im Markt anzubieten und dabei Ingenieurdienstleistungen auch Reedereien zur Verfügung zu stellen, die ihrerseits Bestandstonnage umrüsten wollen.


Felix Selzer