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Das Forschungsprojekt »FLIPPER« hat einen Durchbruch geschafft und eine Oberflächenbeschichtung für Schiffsrümpfe entwickelt, die ähnlich wie die Delfinhaut den Strömungswiderstand messbar verringert. Bis zur industriellen Anwendbarkeit gibt es jedoch noch Hürden

Für eine elegante und ökonomische Fortbewegung im Wasser geben Delfine den Wissenschaftlern ein exzellentes Vorbild. Sie erzielen erstaunliche Schwimmleistungen, deren[ds_preview] Ursachen einerseits in der Körperform und andererseits in den elastischen Eigenschaften ihrer Haut zu finden sind. Letzteres Phänomen ist bereits seit Mitte des vorigen Jahrhunderts bekannt, konnte aber bislang nicht erfolgreich auf technische Anwendungen übertragen werden. Experten des Fraunhofer IFAM und der Hamburgischen Schiffbau-Versuchsanstalt (HSVA) haben nun gemeinsam mit weiteren Forschungspartnern eine Oberflächenbeschichtung entwickelt, die ähnlich wie die Delfinhaut den Widerstand im Wasser reduziert.

Der kooperative Ansatz war dabei von entscheidender Bedeutung. »Für ein derartiges Projekt sind verschiedene Kompetenzen nötig, etwa zur Hydrodynamik, für das Beschichtungsmaterial und die chemische Umsetzung. In unserer Gruppe konnten wir diese Kompetenzen versammeln«, sagt Volkmar Stenzel vom Fraunhofer IFAM. In der Vergangenheit seien schon Versuche mit einem vergleichbaren Forschungsansatz durchgeführt worden, aber vor allem mit flachen Platten – bislang nicht auf einem schiffsähnlichen Körper.

Delfine haben eine glatte Haut mit einer darunter liegenden dicken, nachgiebigen Speckschicht. Diese speziellen Hauteigenschaften führen zu einer signifikanten Widerstandsminderung durch Erhaltung einer laminaren Strömung entlang der Oberfläche. Die Wirkung beruht darauf, dass die weiche Oberfläche unvermeidliche wellenartige Schwankungen in der Strömung – sogenannte Tollmien-Schlichting-Wellen, Vorboten der Turbulenz – abschwächt und damit den Umschlag von laminarer zu turbulenter Strömung hinauszögert. Eine solche Verzögerung ist wünschenswert, da der Reibungswiderstand laminarer Strömung erheblich geringer ist als der des turbulenten Zustands, heißt es seitens der Forscher

Für die Schifffahrt sind widerstandsvermindernde Rumpfbeschichtungen interessant, da eine Reduzierung des Schiffswiderstands den Brennstoffverbrauch deutlich senkt. Vor diesem Hintergrund haben es sich die Wissenschaftler in dem durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie geförderten Projekt »FLIPPER – Flow improvement through compliant hull coating for better ship performance«  zur Aufgabe gemacht, mithilfe von Simulationen eine »künstliche Delfinhaut« für Schiffe  zu entwickeln, welche die Strömung positiv beeinflusst, sich unkompliziert verarbeiten lässt und langzeitstabil ist.

Nachgiebig polymer

Zur Entwicklung eines geeigneten Materials haben Wissenschaftler der HSVA Strömungsberechnungen für ein knapp 6m langes Schiffsmodell durchgeführt. Diese wurden durch zusätzliche Berechnungen an der Technischen Universität Hamburg unterstützt. Ziel dieser Berechnungen war die Ermittlung geeigneter viskoelastischer Parameter und Schichtdicken für »künstliche Delfinhäute«. In der HSVA kam dafür ein mechanisches Ersatzmodell zum Einsatz, das die flexible Fettschicht und die steife Epidermis des Delfins durch Federn, Dämpfer und eine dünne Membran nachbildet. Dieses Modell wurde an ein Prognoseverfahren für das Auftreten von Tollmien-Schlichting-Wellen gekoppelt. Die viskoelastischen Modellparameter wurden nun so lange variiert, bis eine deutliche Abschwächung der Tollmien-Schlichting-Wellen festgestellt werden konnte. Nach diesen Vorgaben wurde am Fraunhofer IFAM ein gelartiges elastisches Polymer entwickelt, welches in Schichtdicken von einigen Millimetern im Bugbereich des Schiffsmodells aufgetragen wurde. Eine dünne, mechanisch stabile Folie bildete zum Abschluss die feste »Epidermis«.

Der HSVA-Experte Jochen Marzi kann sich sehr gut vorstellen, dass es bestimmte Schiffsformen gibt, für die mit der Beschichtung gute Ergebnisse zu erzielen sind, beispielsweise solche ohne Wulstbug, wie sie in der jüngsten Vergangenheit wieder vermehrt gebaut werden: »Ein konventioneller Wulstbug erzeugt relativ schnell einen Druckabfall am Rumpf, teilweise schon nach weniger als einem Meter. Das führt dazu, dass die Strömung instabil wird und vom laminaren in einen turbulenten Zustand umschlägt. Wir wollen aber gerade den laminaren Zustand so lange wie möglich aufrechterhalten.« Davon hängt auch ab, welche Einsparungen möglich sind. Das wird sich aber erst zeigen, wenn man die Technologie auf großen Schiffen anwendet oder testet.

Nach dem theoretischen Funktionsnachweis sollte nun das praktische Potenzial künstlicher Delfinhäute im »HYKAT« der HSVA demonstriert werden, einem der weltweit größten Wasserkanäle. Zu diesem Zweck wurde der Unterwasserrumpf des FLIPPER-Schiffsmodells mit auswechselbarem Bugsegment aus Holz gefertigt. Die Beschichtung der portablen Segmente erfolgte am Fraunhofer IFAM. Die Versuche zeigten eine Widerstandsminderung dank der Beschichtung von bis zu 6% gegenüber einem lackierten Referenzbug auf. Dabei wurde die theoretische Vorhersage bestätigt, dass sich mit zunehmender Schichtdicke die Reibung entlang der künstlichen Delfinhaut verringerte; weiterhin zeigte sich eine Vergrößerung des positiven Effekts mit wachsender Geschwindigkeit, d. h. mit zunehmend turbulenter Strömung. Dies werteten die Forscher als »ein klares Indiz dafür, dass die Wirkungsweise der nachgiebigen Beschichtung tatsächlich auf einer Verzögerung des Strömungsumschlags zur Turbulenz beruht.«

Kombination mit Ribletstruktur

Das nächste Ziel ist nun, diese Technologie für die industrielle Anwendung nutzbar zu machen. Hier sind noch einige Hürden zu überwinden, die etwa die Übertragbarkeit auf verschiedene Schiffstypen, die Auftragstechnik im Werftbetrieb und die Vereinbarkeit mit herkömmlichen Anti-Fouling-Lösungen betreffen. Laut Marzi wird sich die Beschichtung aufgrund ihrer Beschaffenheit wohl nicht spritzen lassen. Als nächstes muss die bisherige Simulation auf größere Schiffe übertragen werden, da sie bislang nur auf kleine Test-Einheiten abgestimmt war.

Das Einsparpotenzial kann den Angaben zufolge durch eine Kombination der hier vorgestellten Technologie mit einer gerillten Beschichtung (»Haifischhaut«/»Riblets«) im hinteren Bereich des Schiffs maximiert werden. In einer derartigen Kombi-Beschichtung würde die künstliche Delfinhaut zur laminaren Strömungskontrolle im Bugbereich des Schiffes in eine künstliche Haifischhaut zur turbulenten Strömungsbeeinflussung im Mittel- und Hinterschiff übergehen. Der Reiz solcher funktionaler Beschichtungen bestehe darin, dass sie ihre Wirkung ohne zusätzliche Aufwendung von Energie entfalten und somit potenziell kostengünstiger sind als aktive Systeme zur Strömungskontrolle, meinen die Wissenschaftler.


MM