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In den vergangenen Jahren sind Schifffahrtsgesellschaften von der Gewinnermittlung nach § 5a EStG, der »Tonnagesteuer«, zur herkömmlichen Gewinnermittlung nach §§ 4,5 EStG zurückgekehrt. Ist dann weiter die 80-prozentige Kürzung des Gewerbeertrags aus der Auflösung von Unterschiedsbeträgen möglich?

Die Finanzverwaltung (»FinVerw«) wendet bei der Ermittlung des Gewerbeertrags für die in dem Jahr/den Jahren nach Beendigung der Tonnagebesteuerung[ds_preview] anzusetzenden Gewinne aus der Auflösung von Unterschiedsbeträgen nach § 5a Abs. 4 Satz 3 Nr. 1 EStG die 80-prozentige Kürzung nach § 9 Nr. 3 GewStG nicht an. Für die nach dem Rückwechsel »herkömmlich« ermittelten Gewinne bzw. Verluste wird die 80-prozentige Kürzung dagegen von der FinVerw anerkannt.

Begründet wird diese unterschiedliche Behandlung der Gewinne von der FinVerw im Ergebnis damit, dass es sich bei der Hinzurechnung von Unterschiedsbeträgen auch während der »herkömmlichen« Gewinnermittlung nach wie vor um Gewinne handelt, die nach § 5a EStG ermittelt wurden. Für diese Gewinne ist aufgrund § 7 Satz 3 GewStG, welcher den nach § 5a EStG ermittelten Gewinn als Gewerbeertrag (d.h. Hinzurechnungen und Kürzungen nach § 8 bzw. § 9 GewStG sind bereits inkludiert) definiert, keine 80-prozentige Kürzung nach § 9 Nr. 3 GewStG vorzunehmen.

Die daraufhin von betroffenen Steuerpflichtigen vor dem FG Hamburg geführten Klageverfahren wurden mit Urteilen vom 16. Juni 2016 (Az. 6 K 78/15 bzw. 6 K 215/14) ablehnend entschieden; hiergegen sind beim BFH Revisionsverfahren (Az. IV R 35/16 bzw. IV R 40/16) anhängig.

Angesichts der Bedeutung dieses Themas für eine Vielzahl von Schifffahrtsgesellschaften, welche z.T. nicht über die finanziellen Mittel verfügen, um die von den Städten/Gemeinden geforderte Gewerbesteuer – teilweise trotz gewährter Aussetzung der Vollziehung der strittigen Gewerbesteuermessbeträge – zu entrichten, scheint eine kritische Auseinandersetzung mit den Urteilen des FG geboten.

Urteile des FG Hamburg

Im Folgenden werden die Kernsätze der genannten Urteile des FG Hamburg dargestellt: Nach § 7 Satz 3 GewStG gilt der nach § 5a EStG ermittelte Gewinn als Gewerbeertrag. Da in dieser Vorschrift nicht (nur) auf den nach § 5a Abs. 1 EStG ermittelten pauschalen Gewinn verwiesen wird, sieht das FG auch den nach § 5a Abs. 4 EStG ermittelten Gewinn (= hinzugerechnete Unterschiedsbeträge) als von der Vorschrift erfasst an.

Eine parallele Ermittlung des Gewerbeertrags (»herkömmlich« mit Kürzungen sowie die Hinzurechnung von Unterschiedsbeträgen ohne Kürzungen) wird vom FG dabei systematisch als nicht ausgeschlossen beurteilt (analog zur Ermittlung des einkommensteuerlichen Gewinns).

Nach dem Willen des Gesetzgebers sollen die im Unterschiedsbetrag erfassten stillen Reserven der Besteuerung zugeführt werden. Dieses soll aber nicht im Zeitpunkt des Wechsels zur Tonnagebesteuerung, sondern bei Vorliegen der in § 5a Abs. 4 Satz 3 EStG genannten Voraussetzungen erfolgen.

In § 5a Abs. 4 Satz 3 EStG sind unterschiedliche Anlässe für die Auflösung von Unterschiedsbeträgen genannt (u.a. Rückwechsel zur »herkömmlichen« Gewinnermittlung).

Da aber der Besteuerungsgegenstand (festgestellte stille Reserven im Zeitpunkt des Wechsels zur »Tonnagesteuer«) identisch bleibt, muss nach Auffassung des FG auch die gewerbesteuerliche Behandlung gleich sein (unabhängig vom Anlass der Auflösung der Unterschiedsbeträge oder von der Art der Gewinnermittlung im Zeitpunkt der Hinzurechnung der Unterschiedsbeträge).

Kritische Anmerkungen

Nach dem Rückwechsel wird der Gewinn nach §§ 4, 5 EStG ermittelt. Diesem so ermittelten Gewinn wird der nach § 5a Abs. 4 Satz 3 Nr. 1 EStG hinzuzurechnende Unterschiedsbetrag außerbilanziell hinzugerechnet.

Diese außerbilanzielle Hinzurechnung führt aber nicht dazu, dass es sich bei dem sich danach ergebenden Gewerbeertrag um einen Gewerbeertrag i.S.d. § 7 Satz 3 GewStG handelt. Der nach §§ 4,5 EStG ermittelte Gewinn einschließlich der außerbilanziellen Hinzurechnung des Unterschiedsbetrags stellt insgesamt einen nach den Vorschriften des EStG ermittelten Gewinn aus Gewerbebetrieb nach § 7 Satz 1 GewStG dar, für den die entsprechenden Hinzurechnungen/Kürzungen der §§ 8,9 GewStG anwendbar sind.

Der heutige Satz 3 des § 7 GewStG wurde nach Einführung der Tonnagebesteuerung eingefügt, um in den Fällen der Option zur Gewinnermittlung nach § 5a EStG den Gewerbeertrag zu definieren.

Die Anwendbarkeit von § 7 Satz 1 und § 7 Satz 3 GewStG ist demnach von der angewandten Art der Gewinnermittlung (§§ 4,5 EStG versus § 5a EStG) abhängig. Da der Steuerpflichtige in einem Wirtschaftsjahr seinen Gewinn »nur« nach einer Gewinnermittlungsart ermitteln kann und darf, schließen sich § 7 Satz 1 und § 7 Satz 3 GewStG hinsichtlich ihrer Anwendung gegenseitig aus.

Die vom FG dagegen als systematisch nicht ausgeschlossen beurteilte parallele Ermittlung des Gewerbeertrags widerspricht dem Wortlaut von § 7 Satz 1 und 3 GewStG, welcher in klarer Abgrenzung voneinander den Gewerbeertrag definiert. Eine parallele – gemischte – Ermittlung sieht das Gesetz nicht vor.

Zudem betrifft die Frage der 80-prozentigen Kürzung auch nicht den Fall eines vom FG angeführten sog. Mischbetriebs, bei dem die aus dem Schiffsbetrieb stammenden Einkünfte nach § 5a EStG ermittelt werden, während die übrigen Einkünfte nach §§ 4,5 EStG zu ermitteln sind. Die hier zu beurteilenden Einkünfte (lfd. Einkünfte, hinzugerechnete Unterschiedsbeträge) stammen sämtlich aus dem Betrieb von Handelsschiffen im internationalen Verkehr.

Wenn das FG nun die Auffassung vertritt, es komme hinsichtlich der Frage der 80-prozentigen Kürzung nicht auf den Anlass der Hinzurechnung der Unterschiedsbeträge an, so kann dem nicht gefolgt werden.

Es wird darauf verwiesen, dass bereits der 2. Senat des FG Hamburg (Urteil vom 27. Januar 2011, Az. 2 K 183/10) im sog. obiter dictum die Auffassung vertreten hat, dass die Vorschrift zur Hinzurechnung von Unterschiedsbeträgen nach dem Rückwechsel (§ 5a Abs. 4 Satz 3 Nr. 1 EStG) sich gerade dadurch auszeichnet, dass diese Regelung nur dann greift, wenn der Gewinn nicht mehr nach der Tonnage ermittelt wird. Dann gelange aber auch nicht mehr die Sondervorschrift des § 7 Satz 3 GewStG (keine Hinzurechnungen/Kürzungen) zur Anwendung.

Die gleiche Folgerung ergibt sich aus der Rechtsprechung des BFH zur Anwendbarkeit des § 9 Nr. 3 GewStG. So weist der BFH in seinem Urteil vom 26. Juni 2014 (Az. IV R 10/11) ausdrücklich darauf hin, dass soweit Unterschiedsbeträge während der Zeit der Tonnagebesteuerung aufgelöst werden, gewerbesteuerlich § 7 Satz 3 GewStG gilt. Der entsprechende Gewinn ist dann nicht nach § 9 Nr. 3 GewStG zu kürzen, da diese Regelung nach § 7 Satz 3 GewStG während der Gewinnermittlung nach der Tonnage nicht anwendbar ist.

Damit drückt der BFH indirekt aus, dass § 7 Satz 3 GewStG und somit der Ausschluss der 80-prozentigen Kürzung nach § 9 Nr. 3 GewStG im Anschluss an die Zeit der Tonnagebesteuerung, also während der »herkömmlichen« Gewinnermittlung, nicht anwendbar sind.

Wenn das FG wie dargestellt für seine ablehnende Argumentation u.a. auch systematische Überlegungen (stille Reserven als identischer Besteuerungsgegenstand) einbezieht, ist hinsichtlich der Besteuerung der Unterschiedsbeträge auf folgende Tatsache hinzuweisen:

Die Unterschiedsbeträge wurden zum Schluss des letzten Wirtschaftsjahres vor Anwendung der »Tonnagesteuer« ermittelt und festgestellt, also zu einem Zeitpunkt, in dem der Gewinn noch nach der »herkömmlichen« Gewinnermittlung ermittelt wurde.

Entstanden sind diese stillen Reserven im Wesentlichen durch Abschreibungen, welche sich aber aufgrund der in diesen Jahren anzuwendenden 80-prozentigen Kürzung nach § 9 Nr. 3 GewStG nur zu 20 % ausgewirkt haben. Wenn nun nach Beendigung der Tonnagebesteuerung gemäß § 5a Abs. 4 Satz 3 Nr. 1 EStG eine Hinzurechnung dieser Unterschiedsbeträge erfolgt, ist es angesichts des Umstands, dass sowohl Entstehung als auch Hinzurechnung dieser Unterschiedsbeträge während der Gewinnermittlung nach §§ 4,5 EStG erfolgt, absolut systemgerecht, dass diesbezüglich dann auch die 80-prozentige Kürzung nach § 9 Nr. 3 GewStG zu gewähren ist.

Fazit

Im Hinblick auf die in § 7 Satz 1 und 3 GewStG voneinander – je nach Anwendung der Gewinnermittlungsart – abgegrenzte unterschiedliche Definition des Gewerbeertrags sowie der Tatsache, dass die »unterschiedsbetragsbegründenden« Abschreibungen in »Vor-Tonnagesteuerjahren« sich aufgrund § 9 Nr. 3 GewStG nur zu 20% gewinnmindernd ausgewirkt haben, ist es gesetzeskonform und auch systemgerecht, in Jahren nach dem »Ausstieg aus der Tonnagesteuer« die 80-prozentige Kürzung auf die aufzulösenden Unterschiedsbeträge vorzunehmen.

Es bleibt mit Spannung abzuwarten, zu welcher Entscheidung der BFH in den Revisionsverfahren gelangen wird.

Autoren: Robert Brückner, Markus Reinke BDO ARBICON GmbH & Co. KG robert.brueckner@bdo-arbicon.de
Robert Brückner, Markus Reinke