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Schifffahrt und Schiffbau befinden sich im Umbruch. Die neue Zeit bringt Unsicherheiten, bietet aber viele neue Möglichkeiten – Möglichkeiten, die noch vor wenigen Jahren kaum vorstellbar waren

Einen Blick auf die mögliche oder wahrscheinliche Zukunft in Schifffahrt und Schiffbau eröffneten im vergangenen Monat gleich zwei Tagungen. Während[ds_preview] sich die HIPER 2017, dieses Jahr im südafrikanischen Zevenwacht, mit reellen und möglichen Verfahren und Methoden einer digitalisierten Welt in Schiffbau und Schifffahrt befasste (siehe S. 58-61), setzte sich die Rostocker Schiffsmaschinentagung überwiegend mit praktischen Verfahren und Beispielen auseinander, wie die neuen Wege genutzt werden können, um Schifffahrt und Schiffbau zu verbessern und die Belastung der Umwelt dabei kontinuierlich zu reduzieren.

Neben Projektberichten über den Betrieb von Kreuzfahrtschiffen oder Motoranlagen bot die Rostocker Tagung interessante Referate über digitale Möglichkeiten auch bei Komponentenherstellern

Exhaust Gas Scrubbers

Stian Aakre von Wärtsilä Moss AS beschrieb neueste Erkenntnisse und Erfahrungen mit Abgas-Scrubbern. Die Entwicklung von Abgasreinigungssystemen geht mit der Verschärfung von Vorschriften einher. Scrubber sind komplex geworden und haben die Reife für den Dauerbetrieb erreicht. Verschiedene Varianten sind im Einsatz und bewähren sich gut.

Turbocharging und Digitalisierung

ABB hat bereits viele Jahre Erfahrung mit Fernüberwachung und Ferndiagnose an Land und auf See. Oliver Heinrich stellte das hochentwickelte Überwachungs- und Beratungssystem von ABB vor. Ausgehend von den Messungen an den Turboladern und der gesamten Motorenanlage werden Daten vom Schiff für Fernanalysen und Diagnosen an Land gesendet. Im Flottenzentrum werden die Daten überwacht und analysiert. Bei Abweichungen oder Störungen können tiefergehende Analysen durchgeführt und Entscheidungen über erforderliche Wartung oder Reparatur gefällt werden, (condition based maintenance).

Gemischt aufgeladener Gasmotor

Eine interessante Konzeptstudie des gemischt aufgeladenen Gasmotoraggregats CG132 von 400-800eew bei 1.500 bis 1.800ppm für die maritime Anwendung beschrieben Markus Luft und Detlef Kiste von Caterpillar Energy Solutions. Dabei handelt es sich um einen Power-Generator, bei dem auf Einfachheit und Zuverlässigkeit des Systems, niedrige Gesamtkosten und flexiblen, umweltverträglichen Einsatz geachtet wurde. Die reine Gas Anlage hat extrem geringe Emissionen.

Gleitlagertechnologie für große Verbrennungsmotoren

Die Entwicklung von Gleitlagern für große Verbrennungsmotoren wird einerseits von erhöhten Anforderungen der Anwendungstechnik – höhere Leistungsdichte bei erhöhtem Wirkungsgrad – bestimmt, andererseits durch strengere Umweltvorschriften und Beschränkungen in der Rohstoffverfügbarkeit. Die Bestimmung der Betriebsfestigkeit einer Gleitlagerung erfordert heute aufwändige (T)EHD- (Thermo-Elasto-Hydro-Dynamische) Berechnungen gepaart mit CFD, bei denen dynamische Verformungen von Welle und tragender Konstruktion sowie das Schmierfilmverhalten berücksichtigt werden. In Erwartung strengerer Vorschriften kommen Cadmium, Arsen und Blei bei Neuentwicklungen nicht mehr vor, berichtete Edgar Gust von Zollern BHW Gleitlager.

Ship-shaped Well Intervention UNIT

Über ein Bohrungs-Versorgungsschiff für die Öl- und Gasförderung in mittleren und großen Wassertiefen, berichtete Oliver Lorkowski von der FSG. Das 158m lange Schiff hat verschiedenste Aufgaben wie Reinigungsarbeiten an Ölquellen, Erschließung und Versiegelung von Bohr- und Fördersträngen, Reparatur und Instandhaltung sowie Arbeiten in großer Wassertiefe. Zudem dient es als Basis für ROVs.

Entsprechend den vielseitigen Aufgaben stellt es ein komplexes System dar, für das komplexe Regelwerke anzusetzen sind. Als frei fahrendes Schiff muss es alle Anforderungen des Flaggenstaats, aber auch des Küstenstaats erfüllen. Festigkeit und Stetigkeit des Rumpfs werden vor allem durch den großen Moon-Pool stark beeinflusst. Für Festigkeits- /Schwingungsberechnungen entstand ein umfassendes globales FE-Modell.

Weniger Schnittstellen, weniger Risiko

Jens Kohlmann von Carnival Maritime, Hamburg, beschreibt Zukunftsaspekte und Anforderungen an die Antriebsanlage aus Sicht des größten Kreuzfahrt-Operators. Der Konzern hat ein anspruchsvolles Programm von 14 großen Neubauten zwischen 124.100 und 184.100 gt, die bis 2020 entstehen. Die meisten werden bis zu 5.250 Passagiere aufnehmen.

Nach der Havarie der »Costa Concordia« und Feuerunfällen auf zwei anderen Schiffen hat Carnival ein strenges Qualitätsmanagement eingeführt. Analysen zeigen: Die Komplexität moderner Kreuzfahrer hat so zugenommen, dass es schwerfällt, stets die Sicherheit zu garantieren. Die fast unüberschaubare Anzahl von Unterlieferanten und damit verbundenen Schnittstellen in den Systemen enthalten Risiken. Carnival hat daher seine Auftragsvergabe bei Neubauten geändert.

Neue Vorschriften, neues Motorendesign

Internationale Vorschriften werden strenger. Ab 2020 ist der Ausstoß von SOx auf offener See international auf 0,5% begrenzt. Wir brauchen neue Maritime Treibstoffe, neue Technologie in den Motorenanlagen, meint Kjeld Aabo von MAN Diesel and Turbo, Kopenhagen Research Center.

Motorenanlagen werden heute dem erwarteten Fahrprofil entsprechend nicht auf den Volllastpunkt ausgerichtet, sondern auf die meist gefahrenen Teillast-zustände. Die Optimierung führt auch bei Teillast zu höheren Zünddrucken, die jedoch stets zu stärkerer NOx-Bildung. NOx im Abgas muss reduziert werden. Die neuen MAN-Motoren G-Typ haben längeren Hub, langsamere Drehzahl und werden kombiniert mit möglichst großen Propellern. Das führt zu größerer Effizienz des Gesamtsystems.

Engine Health und Energiemanagement

Die Möglichkeiten der Digitalisierung sind nur durch die Grenzen unserer Fantasie beschränkt, meint Finn Arne Rognstad von Rolls-Royce Marine.

In der Luftfahrt hat die Digitalisierung schon Grundlegendes verändert. Triebwerke werden vielfach nicht mehr gekauft sondern geleast, bleiben Eigentum der Hersteller, Überwachung und Wartung läuft über ein zentrales Service-Center. Das klärt die Zuständigkeit für den sicheren Betrieb und die Verantwortung für die großen Datenmengen, die von Sensoren und Kameras übermittelt werden. Hier kann die maritime Welt viel lernen. Mit einem vernetzten »Engine Health and Energy Management« möchte man mehr Sicherheit, verlässliche Auskünfte, Kostenreduktion durch optimierten Betrieb, Verbesserung der Effizienz bis zur Unterstützung bei Umweltregeln erreichen.


Hans Payer