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Ob für die Brücke oder die Maschine, Simulatortraining wird zunehmend wichtiger. Die Herausforderungen für die Simulationsentwickler sind vielfältig, die Chancen für die Schifffahrt der Zukunft aber auch. Von Felix Selzer

Mit detailreichen Darstellungen und realistischen Oberflächen beeindrucken viele maritime Simulatoren. Heute spielt das Thema »Sicht« beim Verkauf von Simulatoren eine[ds_preview] große Rolle, der Überwasserbereich soll gut aussehen. Aus der Welt der Computerspiele ist man verwöhnt, was virtuelle Darstellung angeht. »Für uns ist eigentlich spannender, was unter Wasser passiert. Sind die Tiefenangaben korrekt, sind die 3D-Stromdaten, die teilweise in der Praxis gar nicht vorliegen, richtig? Präzise Tiefenkarten sind sicher noch eine der Herausforderungen technischer Art«, sagt Thomas Jung, Professor im Studienbereich Nautik an der Hochschule Bremen und Leiter des Instituts für maritime Simulation (IfmS). Es sei heute kein Problem, die kritischen Seewege durch Simulatoren abzudecken, ob Bosporus oder Kadetrinne. Vor allem geht es hier um Revierfahrten, Lotsung in engeren Gewässern mit viel Verkehr. Das Problem sind für die Simulationsentwickler die Basisdaten, sie brauchen exakt vermessene Seekarten mit viel mehr Tiefenpunkten und Details als es die Karten an Bord leisten können. Am schwierigsten sei es, an die exakten Strömungsdaten zu kommen, meint der Fachmann. In Deutschland sei es umproblematisch, weil das Bundesamt für Wasserbau viele Daten zur Verfügung stellen könne, im Ausland werde es aber schwierig. »Wenn wir in Mombasa die Ansteuerung planen und die Lotsen zum trainieren hierher kommen, müssen wir das auf Erfahrungswerten und Diskussionen aufbauen.«

Alles in allem komme man damit aber nah an die Realität. Eine Simulation sei eben nur eine Simulation, sagt Jung. Bei zu vielen Details würden die Modelle einfach zu komplex. »Man kann ein Schiff in der Hydrodynamik modellieren, wie es die Weser auf und ab fährt, inklusive Interaktionen mit dem Untergrund und anderen Schiffen. Aber wenn es an der Pier anlegt, gibt es auf einmal ganz andere Herausforderungen an die Rechenmodelle.« Wenn es beispielsweise um die Interaktion von Schiff und dem Schraubenwasser eine Schleppers geht, kommt man in Grenzbereiche. Um das in Echtzeit zu rechnen, sind kaum bezahlbare Rechenkapazitäten nötig. »Der letzte Meter bis zur Pier ist momentan der aufwändigste, den wir heute nicht zu 100% abbilden können.«

Beim Erstellen einer Simulation ist das aber nur eine von vielen Herausforderungen. Eine andere ist die fehlende Standardisierung im Schiffbau. Selbst Schwesterschiffe sind nicht völlig gleich gebaut, sie verhalten sich daher im Wasser letztlich unterschiedlich. Kommt beispielsweise ein neuer Mega-Carrier nach Bremerhaven, müssen die Lotsen zunächst im Simulator trainieren bevor sie die Schiffe anlegen. Denn die Neubauten haben andere Antriebe, schwächere Maschinen, Doppelschrauben, andere Ruder und Querstrahlruder. »Wir bauen dann Modelle auf Basis von Probefahrtdaten. Wir bekommen die Fahrdaten, die allerdings auch nur für einen bestimmten Beladungszustand geliefert, nämlich in Ballast. Dann wird mit Erfahrungswerten so lange an den Modellen gearbeitet, bis sie der Wirklichkeit sehr nahe kommen«, erklärt Jung. Nach dem Einsatz bekommen die Simulationsexperten von den Lotsen ein Feedback. »Zu 95% sind wir an der Wirklichkeit dran«, sagt Jung.

Ohne Standardisierung werde es aber in Zukunft nicht gehen. So lange jede Brücke und jedes Radargerät anders aussehe, und sich die Hersteller sträubten Standards zu setzten, werde das schwierig.

Simulatortraining im Trend

Auch wenn die Kosten für ein Training im Simulator niedriger sind, zeigen sich deutliche Unterschiede in einzelnen Segmenten. Wer gut verdient, investiert auch stärker in moderne Aus- und Weiterbildung. Vor allem in der Passagierschifffahrt werden intensiv Trainings durchgeführt. Bei den verpflichtenden Kursen für Nautiker dienen vielfach die Pilotentrainings und Assessments der Luftfahrtindustrie als Vorbild. Kreuzfahrt-Gruppen wie Carnival oder Royal Caribbean bauen teils eigene Simulatorenzentren auf.

In anderen Sektoren wie der Tankerschifffahrt sind die Treiber vor allem die Kunden, also die Oil Majors, die bestimmte Standards und Crew Trainings verlangen. Auch hier bauen einige Reedereien selbst Trainingszentren verstreut über die ganze Welt auf. »Natürlich baut man diese dann so, dass die Anreise jeweils kurz ist. Solche Zentren finden sich dann eben nicht unbedingt in Deutschland, sondern in Singapur, auf den Philippinen oder in Odessa«, sagt Jung. Betreiber können die Reedereien selbst, Tochterunternehmen oder unabhängige Provider sein. In der zurzeit von Kostendruck geplagten Container- und Bulk-Schifffahrt ist das Thema laut Jung noch nicht so ausgeprägt. »Ich rechne aber damit, dass es weiter kommen wird. Die IMO fordert ja über das STCW einen intensiveren Einsatz von Simulation. Das versuchen wir auch an der Hochschule Bremen entsprechend umzusetzen. Selbst zu erleben, zu sehen und zu spüren hat einen großen Trainingseffekt, das haben alle erkannt.«

Für den Experten steht dabei die Frage nach der Qualität der Simulation im Vordergrund. Es gebe nur wenige, die Hochleistungssimulatoren bauen könnten, wie etwa Rheinmetall, Kongsberg oder Force. Es drängten aber viele günstige Anbieter in den Markt mit relativ simplen Simulatoren, die sich eher auf dem Niveau von Computerspielen bewegten, so Jung. »Die können in der Qualität nicht mithalten, sorgen aber dennoch für einen Preisdruck. Dieser Trend ist zu bemerken, jeder will seinen eigenen Simulator haben. Ob es Sinn macht oder nicht, das sei dahingestellt, aber es ist eben schick.«

Virtuelle Realität

Im Oktober war die Hochschule Bremen Gastgeber der diesjährigen Jahresversammlung des International Maritime Simulator Forum (IMSF). Die Bandbreite der diskutierten Themen erstreckte sich von Thema Human Factor bis hin zu speziellen technischen Lösungen im Bereich Fast Time Manoeuvering. Ein generelles Fazit lasse sich kaum ziehen, meint Jung, ein großes Thema seien aber derzeit sogenannte Procedure Trainings. Wie im Luftfahrtbereich werden hier Standard-Procedures definiert und von den Seeleuten trainiert. Hier wird auch die Frage nach Assessments immer wichtiger. Wie sind die trainierten Inhalte an besten abzufragen und wie kann die Umsetzung bewertet werden? Technisch gesehen rücken laut Jung Themen wie Virtual Reality und die Integration von Echtdaten in die Simulation immer mehr in den Fokus. »Wie kann man echte Daten von Schiffen, die jetzt gerade z.B. in der Nordsee fahren in die Darstellung im Simulator einbinden? Wie kann man aus Sensor- und Kameradaten virtuelle Realitäten generieren? Das ist sind in Sachen Datenmengenfluss interessante Fragen«, so Jung.

Von hier ist zumindest der gedankliche Weg nicht weit zur autonomen oder ferngesteuerten Schifffahrt: Sensoren an Bord registrieren die Umwelt um das Schiff, in der Zentrale an Land werden die Daten zu einem Gesamtbild zusammengefügt. Als Praktiker aus der Schifffahrt sieht der Bremer Experte den autonomen Schiffsbetrieb allerdings kritisch. »Technisch ist das sicherlich machbar aber die Rahmenbedingungen müssen alle stimmen«, sagt Jung. Aus der Simulation heraus gebe es interessante Ansätze, im Sinne der Automatisierung zu denken. Man könne Simulatoren nutzen, um Systeme zu testen und zu entwickeln, um Schiffe teilautonom fahren zu lassen. Dann könnte der Nautiker im Hintergrund andere Dinge erledigen und in Extremsituationen eingreifen, meint Jung. »Solche Dinge in der Simulation aufzubauen und zu testen, bietet sich an, eher als auf See. Dass ferngesteuerte Schiffe funktionieren wissen wir alle, das hat es schon vor 20 Jahren gegeben. Interessant ist dabei die Schnittstelle Mensch Maschine. Wie können Menschen mit autonomen Systemen noch arbeiten, insbesondere, wenn sie dort eingreifen müssen? Dazu können wir in der Simulation einiges beitragen.«


Felix Selzer