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Lange Zeit pendelte die Diskussion beim Thema LNG zwischen der Henne-und-Ei-Frage hin und her. Nun kommt Bewegung in den Markt. Wilhelmshaven reklamiert für sich, der beste deutsche Standort für ein LNG-Importterminal zu sein. Von Hermann Garrelmann

Bislang fahren nur wenige, oft kleinere Schiffe und Fähren mit verflüssigtem Erdgas. Das Problem sind einerseits die Kosten, aber auch[ds_preview] der erforderliche Platz für die Tanks und – last not least – die sichere Versorgung der Schiffe.

Entlang der Nordseeküste haben derzeit Rotterdam und Zeebrugge als Importhäfen für LNG eine Vormachtstellung. Die erkennbare Marktentwicklung, die durch verstärkte Emissionsgrenzwerte beflügelt wird, hat vor einiger Zeit auch die Wilhelmshavener Hafenwirtschaft auf den Plan gerufen. Sie wollten wissen, wie sich die LNG-Infrastruktur an der deutschen Nordseeküste darstellt und welche Rolle ihr Hafen dabei spielen könnte. Die nun abgeschlossene Potenzialstudie wurde jüngst im Maritimen Kompetenzzentrum Mariko in Leer vorgestellt, mit einem für die Wilhelmshavener nicht unwillkommenen Ergebnis: Der Standort ist die ideale Location für einen LNG-Importterminal für Deutschland.

Die Studie belegt die wachsende Bedeutung von LNG, sowohl für den Erdgasmarkt als auch als langfristige Option für den Import von regenerativ erzeugtem Erdgas und als Kraftstoff für Schiffe und den Schwerlastverkehr.

Dabei gehen die Autoren von einer Reihe von Rahmenbedingungen und Annahmen aus. Demnach wird spätestens 2028 eine Erdgasversorgungslücke erwartet. Nicht nur der Wegfall der heimischen Förderung, sondern vor allem auch ein deutlicher Rückgang der Lieferungen aus gewohnten Regionen würde in einer Monopolisierung der Lieferströme münden. Daraus entstünden Risiken bei der Versorgungssicherheit. LNG-Importe könnten diesem Trend entgegenwirken, obgleich die aktuelle Preissituation Investitionen erschwere. Allerdings könnten schon ab 2020 die Preise von Pipelinegas und LNG vergleichbar hoch sein.

Bei der Frage nach einem Importterminal geht es aber nicht nur um konventionell gefördertes Erdgas. Man setzt auch auf Green-Gas oder Green-LNG – synthetisches Gas, gewonnen aus erneuerbaren Energien. Dies werde zukünftig nicht nur heimisch erzeugt, sondern vermehrt in sehr sonnenreichen Ländern. »Dieses CO2-freie Gas kann dann ebenfalls über Wilhelmshaven importiert werden«, so die Studie.

»Deutschland sollte als Industrieland und großer Player im Welthandel ein Importland für LNG sein«, forderte Felix Jahn, Geschäftsführer der IHK in Oldenburg. Weltweit seien bereits 36 Länder LNG-Importeure, ihre Zahl nehme rasch zu. Die EU lege ihren Mitgliedsländern nahe, Importterminals zu schaffen, um ihre Versorgung zu diversifizieren.

Die Verfasser der Studie haben verschiedene LNG-Konzepte und fünf Standorte an der Nordseeküste und an der Elbmündung untersucht und dabei Kriterien der Nautik, der Standortqualität, der Anbindung an das Erdgasnetz und der Erschließbarkeit eines Marktes für Small-Scale-LNG-Anwendungen analysiert.

Als idealer Standort für ein derartiges Terminal wird Wilhelmshaven identifiziert. Der Standort habe gegenüber anderen klare Vorteile: Wilhelmshaven sei aufgrund seiner geografischen Lage, der nautischen Rahmenbedingungen sowie der Gasnetzanbindung inklusive der Kavernenkapazitäten am besten geeignet, ein Importterminal zu errichten, beschrieb John H. Niemann, Präsident der Wilhelmshavener Hafenwirtschaftsvereinigung die Vorteile am Jadebusen.

Gasunie-Zusage für Brunsbüttel

Die drei Standorte Emden, Stade und Bremerhaven schieden aus verschiedenen Gründen als ungeeignet aus, sodass ein FSRU-Terminal (Floating Storage and Regasification Unit) in Wilhelmshaven oder in Brunsbüttel in Frage kämen. Ein Vorteil für Brunsbüttel ergebe sich nur bei der Erschließbarkeit eines Small-Scale-LNG-Absatzmarktes. In allen anderen Parametern habe Wilhelmshaven die besseren Argumente, hieß es.

Im Jahr 2015 war für Brunsbüttel bereits eine Bedarfsanalyse entwickelt worden. Unter anderem wurden auf dieser Basis bereits erste Pläne entwickelt: Der niederländische Gasversorger Gasunie will dort Deutschlands erstes Terminal zum Anlanden von LNG errichten. Die gemeinsam mit den Tanklagerbetreibern Oiltanking und Vopak geplante Anlage soll an der Elbmündung entstehen. Im Sommer 2017 hat die EU die Gründung eines joint Ventures genehmigt.

Das aber ficht die Wilhelmshavener nicht an. Sie sehen ihren Hafen vorn, vor allem bei einem LNG-Terminal mit Nutzung der FSRU-Technologie (hier erfolgt die Regasifizierung an Bord eines Spezialschiffes). Das würde durch die gegebenen Standortvorteile mit niedrigen Investitionskosten und schnellen Bauzeiten einen wirtschaftlich attraktiven und wettbewerbsfähigen Service ermöglichen. Katja Baumann, Geschäftsführerin des Mariko, zeigte auf, dass ein solches Terminal auch dazu dienen würde, die in den nächsten Jahren steigende Zahl von LNG-nutzenden Schiffen in Deutschland mit Kraftstoff zu versorgen, zu wettbewerbsfähigen Preisen. »Der Anteil der Hafenanläufe durch mit Gas betriebene Frachtschiffe nimmt an den untersuchten Standorten bis 2030 kontinuierlich zu«, schätzte Heiko Wenzel, Geschäftsführer der CPL, die Entwicklung ein. Insgesamt steige die Nachfrage auf ca. 176.000t je Jahr. Die größte Kraftstoffmenge werde über Bunkerschiffe abgewickelt, etwa 75% davon mit Einzelchargen von über 500t. Die meisten Tankvorgänge würden allerdings im Segment bis 200t als Truck-to-Ship-Bebunkerung erfolgen.

Schon vor der Präsentation der Studie hatte Niedersachsens Wirtschaftsminister Olaf Lies kommentiert: »Als Wirtschaftsstandort können wir es uns keinesfalls leisten, die jahrzehntelange Diversifizierung der Erdgasversorgung aufzugeben. LNG ist die Grundlage für Wettbewerb und langfristige Versorgungssicherheit. Angesichts der Vorlaufzeiten für ein solch elementares Infrastrukturvorhaben, werde ich mich beim Bund dafür einsetzen, schnellstmöglich wettbewerbliche Anreize für LNG-Projekte zu schaffen. Gleiches gilt hinsichtlich der regulatorischen Rahmenbedingungen, die einen fairen, transparenten und diskriminierungsfreien Zugang zu Gasinfrastrukturen gewährleisten müssen. Wilhelmshaven ist dabei der perfekte Standort für einen Importterminal.« Die Herausgeber der Studie, Mariko in Funktion als GreenShipping Kompetenzzentrum, die IHK, der Maritime Strategierat Weser-Ems und die Wilhelmshavener Hafenwirtschafts-Vereinigung planen nun nächste Schritte, um das identifizierte Potenzial zu heben. In diesem Zusammenhang soll eine »Geschäftsstelle LNG Infrastruktur« eingerichtet werden, um die Realisierung einer LNG-Import-Infrastruktur weiter voranzutreiben. Das Land habe an dem Projekt Interesse.


Hermann Garrelmann