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Nicht nur wegen der zunehmenden Relevanz globaler Reefer-Transporte wird Lateinamerika für viele Container­linien immer bedeutender. Die jüngsten Übernahmen und Allianzen wirken sich ebenfalls auf den Wettbewerb aus. Was sagen die Carrier dazu? Die HANSA sprach mit drei der wichtigsten Akteure. Von Michael Meyer

Die großen Linien weiten ihre Reefer-Transporte seit Jahren immer mehr aus – zu Lasten der konventionellen Reefer-Carrier, die Dienste[ds_preview] einstellen oder reduzieren (müssen), weil sie mit den geringeren Transportkosten der Containerschiffe nicht mithalten können. 2016 wurden 79% aller Reefer-Ladungen mit Containerschiffen transportiert. Die Analysten von Drewry erwarten, dass sich der Modal Split bis zum Jahr 2021 auf ein Verhältnis von 85:15% entwickeln könnte. Der gesamte Reefer-Markt soll bis dahin um jährlich 2,8% auf rund 134Mio.t pro Jahr anwachsen.

Das alles wird unter anderem auch im Lateinamerika-Verkehr einige Auswirkungen haben. Der Branchendienst Alphaliner erwartet ein weiteres Wachstum auf den Asien-Lateinamerika-Routen, nachdem die dortigen Umschlagmengen zuletzt bereits um 10% zugelegt hatten.

36% Marktanteil für Maersk

Nach der nun abgeschlossenen Übernahme der deutschen Linienreederei Hamburg Süd ist der dänische Weltmarktführer Maersk Line künftig auch in diesem Fahrtgebiet die klare Nummer 1. Mit den eigenen Angeboten, den intra-regionalen Routen der Tochter SeaLand und jetzt Hamburg Süd könne man ein »unerreichtes« Netzwerk aufbauen, heißt es exklusiv gegenüber der HANSA. Für die Dänen wird Lateinamerika durch die Übernahme der Markt mit dem größten Exposure, auch weil rund drei Viertel der traditionell roten Frachter aus Hamburg in den entsprechenden Diensten eingesetzt werden. Bei Maersk machen laut Alphaliner die Nord-Süd-Verkehre im dritten Quartal 2017 49% der Container-Liftings aus, dieser Wert wächst mit der Übernahme auf 55%. Zum Vergleich: die Ost-West-Verkehre machen 31% aus, intra-regionale Routen lediglich 14%.

Ein Maersk-Sprecher hatte schon nach der Übernahme-Ankündigung gegenüber der HANSA gesagt, das einer der wichtigsten Gründe für die Transaktion die Wettbewerbsposition im Nord-Süd-Verkehr sei, weil man in Lateinamerika, aber auch in Ozeanien wachsen wolle. Hamburg Süd verfügte zuletzt über 130 Schiffe (rund 625.000TEU Kapazität, 4,1Mio. TEU Transportvolumen). Lange galt die Reederei als Spezialist und Marktführer in Südamerika. Zuletzt war der chilenische Rivale CCNI übernommen worden.

Doch dann drängten die »big player« mit großen Schiffen in die einstige Nische – Maersk, MSC, CMA CGM und Hapag-Lloyd samt CSAV.

»Prinzipiell begrüßen wir die Konsolidierung«, so der Sprecher auf die Frage, welche Auswirkungen die M&A-Welle auf das Geschäft haben könnte. Schließlich wird die Branche durch die Übernahme von Mercosul durch CMA CGM, von OOCL durch COSCO, durch die neue japanische Allianz »ONE« und die Fusion von Hapag-Lloyd und UASC gehörig durcheinandergewirbelt. Hinzu kommen die noch immer relativ jungen Allianzen »THE Alliance«, »2M« und Ocean Alliance«.

Aber dennoch: »Unsere Industrie ist noch immer recht fragmentiert und die Konsolidierung kann den Nutzen für die Kunden erhöhen. So kann etwa die Kosteneffizienz stärker verbessert werden als durch Kooperationen in Vessel Sharing Agreement«, meint man bei Maersk. Die Einschätzung ist auch eine Reaktion auf die Vorgabe einiger Wettbewerbsbehörden, dass sich Hamburg Süd aus diversen Kooperationsdiensten zurückziehen muss, um die Marktmacht von Maersk zu begrenzen. Laut Alphaliner betrifft dies sieben Dienste, mit denen die Küsten Lateinamerikas mit Europa und Asien verbunden waren.

Zwar veröffentlichen die Dänen keine genauen Zahlen über die eingesetzten Schiffe und Kapazitäten. Allerdings wird bestätigt, dass sich der Marktanteil in Lateinamerika auf 36% erhöht. Vor allem am Reefer-Wachstum wolle man partizipieren. Zusammen mit Hamburg Süd werde man jeden dritten Reefer-Container in Lateinamerika transportieren.

Der Schlüssel für nachhaltiges Wachstum in der Region ist nach Ansicht der Maersk-Verantwortlichen die Diversifikation. Nur so könnten Unternehmen ihre Kundenstruktur erweitern und die Erlöse steigern. Dann dürften auch die Transportvolumen weiter zulegen. Zudem könnten die Transitzeiten verkürzt und die Logistikketten der Kunden optimiert werden. Besonders das in 2017 eingeführte »Remote Container Management« soll neues Geschäft anziehen.

An Land gebe es aber durchaus noch Verbesserungspotenzial: »Eine Herausforderung ist, die Zoll- und behördlichen Prozesse zu verbessern und zu automatisieren«, heißt es weiter. Als »adäquat« wird die Hafeninfrastruktur in Lateinamerika beschrieben. Das größere Problem sei das Hinterland – sowohl auf der Straße als auch auf der Schiene – um die Konsumentenmärkte zu erreichen. »Da sind viele Verbesserungen nötig, etwa zwischen Lima in Peru und dem Hafen Callao, zwischen der kolumbianischen Hauptstadt Bogota und den Häfen des Landes oder zwischen dem Hafen Santos und Sao Paulo.«

Es ließen sich allerdings auch schon Verbesserungen beobachten, getrieben von Transport- und Logistikunternehmen. Maersk selbst engagiere sich beispielsweise stark in Mexiko, um ein intermodales Netzwerk aufzubauen.

Kritik an Hinterland

Auch für Deutschlands größte Linienreederei Hapag-Lloyd spielt Lateinamerika eine wichtige Rolle im Portfolio – trotz der vor einigen Jahren angedachten, letztlich jedoch bekanntermaßen gescheiterten Fusion mit Hamburg Süd. Ein Sprecher bestätigte der HANSA, dass man auf den verschiedenen Routen Marktanteile zwischen 10% und knapp 30% habe. »Wir sind stark vertreten im intraregionalen Verkehr, aber auch mit Europa, Asien und Nordamerika«, heißt es. Die größten in Lateinamerika eingesetzten Frachter haben 10.500 Stellplätze und 2.100 Reefer-Anschlüsse. »Durch die aktuelle Konsolidierung der Branche gehören wir zu den Top 3 in der Region, die auch Mexiko, Zentralamerika, die Karibik und den Südteil des Kontinents einschießt«, man gehöre überall zu den führenden Anbietern. Rund ein Viertel aller Ladungen aus Lateinamerika für Hapag-Lloyd seien Reefer-Ladungen.

Für die Zukunft haben sich die Hamburger vorgenommen, ihre Position zu halten und mit dem Markt zu wachsen. Dafür wolle man unter anderem den Service für die Kunden weiter verbessern.

Für Lateinamerika erwartet man am Ballindamm infolge der Konsolidierung auf Carrier-Seite zwar kurzfristige Änderungen. Zu berücksichtigen seien auch die Anforderungen der Wettbewerbsbehörden. »Wir rechnen aber nicht mit allzu großen Veränderungen für die Kunden«, heißt es weiter. Langfristig könnte es nach Meinung der Verantwortlichen Auswirkungen durch Digitalisierung, Automatisierung und Umweltaspekte geben, »aber es ist noch zu früh, um zu beurteilen, was genau auf uns zukommt.«

COSCO will Märkte entwickeln

Wie bei Maersk bewertet man auch bei Hapag-Lloyd die Hafeninfrastruktur besser als die der Hinterland-Verkehre. »Insgesamt hat sich die Produktivität der Häfen in den letzten Jahren verbessert – auch wenn es noch einige Standorte gibt, die Investitionen tätigen müssen, um größere Schiffe abfertigen zu können.« Ansonsten würden es Transshipment-Häfen bleiben, wodurch zusätzliche Kosten für den Markt entstünden. Die größeren Probleme werden auf der Straße und der Schiene gesehen. »Einige Länder hinken in diesem Punkt noch hinterher«, heißt es. Darüber hinaus wird das Geschäft den Angaben zufolge auch durch politische Instabilitäten und Arbeitskämpfe erschwert. »Das gehört zu unseren größten Herausforderungen.«

Die chinesische Reedereigruppe COSCO will sein Engagement in Lateinamerika künftig ausbauen und setzt dabei auf eine ganzheitliche Strategie – inklusive entwicklungspolitischer Ansätzen. Aktuell ist man vor allem auf den Routen zwischen Fernost und Mexiko, Panama/Karibik, sowie den West- und Ostküsten Südamerikas einerseits und zwischen Nordwest-Europa und Südamerika-Ostüste andererseits aktiv. Dort werden schwerpunktmäßig Schiffe mit 8.000 bis 9.000TEU Stellplatzkapazität eingesetzt, wie der HANSA bestätigt wurde. Ein Vorteil ist dabei sicher die enge Verbindung zum chinesischen Staat und damit auch der chinesischen Wirtshaft, so machen Autos, Elektronikgeräte und andere in China hergestellte Produkte einen großen Teil der Transporte Richtung Lateinamerika aus.

»Insgesamt sind wir sehr zuversichtlich bezüglich der Entwicklung des lateinamerikanischen Marktes. Wir halten an der globalen Strategie fest und wollen dort wachsen und so auch die Entwicklung der lokalen Wirtschaftsregionen und des Handels unterstützen«, heißt es seitens COSCO. Angesichts des wachsenden Bedarfs an Logistikdienstleistungen – ausgelöst duch die stärkere regionale Wirtschaftsintegration – werde man weiter einen Fokus auf Lateinamerika legen und auch »one-stop«-Leistungen im Hinterland anbieten.

CMA CGM steigt tiefer ein

Zu den wichtigen Transaktionen im Lateinamerika-Markt gehört auch die Übernahme der ehemaligen Maersk-Tochter Mercosul durch CMA CGM. Der dänische Branchenprimus musste nach den Vorgaben der brasilianischen Wettbewerbsbehörde CADE die bisherige Tochter im Zuge der Übernahme der Hamburg Süd verkaufen, weil ansonsten seine Marktmacht im Südamerika-Verkehr zu groß geworden wäre, vor allem, weil dort auch die Hamburg-Süd-Tochter Aliança aktiv ist. Nur kurz nach dem Verkauf von Mercosul wurde dann auch die Kapazität im Aliança-Verkehr erhöht. Zwei 3.830-TEU-Schiffe kamen hinzu, so dass die Gesamtkapazität auf 39.800TEU wächst.

Mercosul war 1996 gegründet und 2006 von Maersk Line übernommen worden. Zuletzt betrieb die Reederei vier Schiffe mit je 2.500TEU im Kabotage-Verkehr in Südamerika. Es wurden 12 Häfen angelaufen, 2016 war ein Umsatz von 128 Mio. $ erzielt worden. Dem Vernehmen nach kontrollierten Mercosul und Aliança zusammen über 70% des brasilianischen Kabotage-Verkehrs. Als einziger unabhängiger Carrier unter brasilianischer Flagge ist dort noch die Reederei Log-In Logistica aktiv.

Für CMA CGM sei die Übernahme ein weiterer Schritt, um die Regional-Verkehre auszubauen, heißt es aus Marseille. CMA CGM wollte sich auf Anfrage zu ihrer Strategie im Lateinamerika-Verkehr allerdings nicht weiter äußern.

Michael Meyer