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Während Containerschiffe immer größer werden, ist der Brandschutz an Bord nicht »mitgewachsen«. Vorschriften sind veraltet und nicht mehr angemessen, meinen Experten. Von Felix Selzer

Der Frachtcontainer ist in den meisten Fällen eine »black box«, die durch unabsichtlich oder systematisch falsch deklariertes Gefahrgut Brände auslösen[ds_preview] oder im Brandfall zur unkalkulierbaren Gefahr für die Löschkräfte werden kann (S. 48-49). »Die Seeleute finden an Bord einen Gemischtwarenladen vor, der in Brand geraten kann«, sagt Michael Rachow, Vorsitzender der Präventionsausschusses Seeschifffahrt und Fischerei der BG Verkehr.

Durch die Mega-Carrier steigen die Anforderungen an den gesamten Sicherheitsbereich: Schleppvorrichtungen, Löschmittel, Notliegeplätze, Rettungskräfte. Noch ist vieles nicht der neuen Realität angepasst, dadurch steigt auch das Risiko eines Totalverlustes.

Nautiker und Wirtschaftsingenieur Helge Rath hat an der Hochschule Bremen Brände auf Vollcontainerschiffen zwischen den Jahren 2000 und 2015 untersucht. Die Analyse zeige, dass Brände im Ladungsbereich auf See kaum zu löschen seien. Drei Viertel der untersuchten Fälle seien nach DIN 14010 als Großbrände einzustufen, mit durchschnittlichen Brandbekämpfungszeiten von zehn Tagen.

Zu den prominentesten Fällen der Vergangenheit, die auch Raths Statistik »nach oben verzerren«, gehören die »Hanjin Pennsylvania« (4.000 TEU; Brand am 11. November 2002, zwei Tote, Constructive Total Loss), »Hyundai Fortune« (5.551 TEU; Brand am 21. März 2006; ca. 800 Mio. $ Schaden) und »MSC Flaminia« (6.732 TEU; Brand am 14. Juli 2012; drei Tote, zwei Schwerverletzte, Constructive Total Loss).

Bestehende Regeln reichen nicht

Auf hoher See können Helfer häufig erst Stunden oder sogar Tage nach Ausbruch des Feuers beim Löschen unterstützen. Um die Effektivität der Brandbekämpfung zu erhöhen, wurde auf Initiative Deutschlands 2014 die International Convention of Safety of Life at Sea (SOLAS) geändert. Diese Veränderungen reichten allerdings nicht aus, um an Bord effiziente Löschangriffe vorzunehmen, kritisierte die Transportversicherungswirtschaft bzw. deren internationaler Verband IUMI. Die SOLAS-Bestimmungen seien für die Gegebenheiten auf Stückgutschiffen entwickelt worden. Die Ladung liegt dort offen in den Luken und ein entstehender Brand kann leicht detektiert werden, da sich die verbleibende Raumluft direkt und sofort mit Rauch füllt. Nachdem der sogenannte »Verschlusszustand« der betroffenen Luke hergestellt ist, kann das zur Brandbekämpfung eingesetzte CO2 direkt auf den Brand einwirken. Dieses Konzept passe aber nicht mehr zur Containerladung. Die in SOLAS geforderten Brandmeldeanlagen ermöglichen laut Uwe Peter Schieder, Experte beim Gesamtverband der deutschen Versicherungswirtschaft (GDV), keine wirksame Erkennung eines Entstehungsbrandes im Container. In der Regel werde Luft aus dem Laderaum abgesaugt und an einem Rauchmelder auf der Brücke vorbeigeführt. Auf einem Containerschiff habe sich das Feuer zu diesem Zeitpunkt schon ausgebreitet, in jedem Fall den betreffenden Container bereits verlassen. Es ist also kein Entstehungsbrand mehr, der mit einer Hochdrucklanze gelöscht werden könnte. Auch der Erfolg von Löschversuchen mit CO2 ist zweifelhaft, weil das Gas bei geschlossenen Containern nicht auf die brennende Ladung einwirken kann.

Containerschiffe befördern einen Großteil der Ladung an Deck, das Entdecken eines Feuers hier ist laut Schieder aber dem Zufall überlassen: Nach SOLAS sind Brandmeldeanlagen an Deck nicht ausrüstungspflichtig.

Schiff in Brandabschnitte teilen

Schieder und der Versicherungsverband schlagen daher ein neues Brandschutzkonzept vor. Container kontrolliert abbrennen zu lassen und sicherzustellen, dass sich der Brand nicht weiter ausbreiten könne sei auch weiterhin richtig, bedürfe angesichts immer größerer Schiffe aber neuer technischer Lösungen.

Ohne das wirtschaftlich Machbare aus dem Auge zu verlieren, biete hier einzig das Einteilen des Schiffes in Brandabschnitte eine effektive und effiziente Lösung. Es biete sich an, die bestehende Aufteilung des Schiffes unter Deck (Luken) für das Einrichten der Brandabschnitte zu nutzen. Ein Brandabschnitt kann sich über eine oder mehrere Luken erstrecken. Vertikal sind die Brandabschnitte durch Lukendeckel und Deck begrenzt, unter Deck durch die Schotte und die Schiffshülle. Zusätzliche Kühlung der Schiffsstruktur soll die Wirksamkeit des Brandabschnitts unter Deck herstellen. Ziel ist es, bei Bränden unter Deck die Stabilität des Rumpfs inklusive des Decks und der Lukendeckel zu erhalten sowie ein Übergreifen des Feuers zu verhindern. An Deck könnten für eine vertikale Abgrenzung der Brandabschnitte die Laschgerüste genutzt und ausgebaut werden. Sprüheinrichtungen an den Laschbrücken sollen die Ausbreitung eines Brandes verhindern, Löschmonitore die gezielte Bekämpfung des Feuers ermöglichen.

Um in den einzelnen Brandabschnitten unter Deck einen Brand wirksam bekämpfen zu können, schlagen die Versicherungsexperten vor, zusätzlich zur CO2-Feuerlöschanlage ein auf Wasser basierendes Feuerlöschsystem vorzuhalten. Damit soll die Schiffsstruktur inklusive Laderaumwände, Schotte, Tankdecke, Lukendeckel, Decks und Ladung gekühlt werden. Durch die Kühlung könne der thermische Einfluss des Feuers auf die Schiffsstruktur und ein Übergreifen des Feuers auf andere Brandabschnitte vermieden werden. Laut Jens Neumann von der Arbeitsgruppe Löschboote der Feuerwehr Hamburg wird die Wärmekapazität von CO2 oft überschätzt, das Gas kühlt kaum.

Die Wasserversorgung sollte für den Fall eines Übergreifen des Feuers auf andere Bereiche so ausgelegt werden, dass mindestens drei Brandabschnitte zeitgleich bedient werden können. Für eine gewisse Redundanz sollte das wasserbasierte Feuerlöschsystem vollkommen unabhängig von der CO2-Anlage arbeiten können.

Falls nicht sichergestellt werden kann, dass das Schiff für jeden Beladungsfall über ausreichende Leckstabilität verfügt, soll das Lenzsystem entsprechend leistungsfähig ausgelegt oder auf eine Löschanlage zurückgegriffen werden, die auf einem wasserarmen Löschmittel beruht, z.B. Wassersprühnebel (Hi-Fog). Für letzteren Fall könnte der Lukendeckel als »Tank« mit Wasser durchspült werden, um die Wärme abzuführen.

Die Begrenzungen der Brandabschnitte an Deck sollten vertikal so gesetzt werden, dass sie mit den wassergekühlten Schotten unter Deck einen baulichen Abschnitt bilden. So können bei einem Durchtritt des Feuers nicht gleich zwei Brandabschnitte an Deck erfasst werden. »Die Begrenzungen sollten so ausgeführt werden, dass sie eine auf Wasser basierende Feuerlöschanlage aufnehmen können, welche die Decksladung auf maximaler Höhe und Breite sowie auf der Vor- und Achterkante des Brandabschnittes mit Wasservorhängen kühlen kann«, fordert der GDV. Wichtig sei, dass die Begrenzungen zumindest einen Monitor aufnehmen können, mit dem jede Position des Brandabschnittes bis Bft. 9 erreicht werden kann. Durch eine Fernbedienung und Kameras würden die Monitore unabhängig von Rauchgasen gesteuert.

Branderkennungstechnik nutzen

Zur Früherkennung von Bränden könnten nach den Vorstellungen der Versicherer Infrarotkameras, Thermomelder etc. eingesetzt werden, die die Erwärmung eines Containers erkennen können. An Deck biete sich an den Begrenzungen die Nutzung von Infrarot-Kameras an.

»Es ist schon seltsam, dass an Land jedes kleine Palettenlager mit einer Feuermelde- und Sprinkleranlage ausgerüstet ist, während Schiffe, die tausende von Containern – teilweise mit Gefahrgut – durch ein sensibles Ökosystem transportieren, zumindest an Deck weder das eine noch das andere haben. Auch unter Deck können durch die vorgeschriebenen Feuermeldeanlagen keine Entstehungsbrände entdeckt werden«, sagt Schieder und rechnet vor: »Wenn so ein Containerschiff durch ein gut durchdachtes Feuerlöschsystem 0,5 bis 1% teurer wird, kostet das pro Container bei einer Reise nach Fernost höchstens 3€ mehr.«

Der Versicherungsverband will das Thema über ein Formal Safety Assessment (FSA) bei der IMO einbringen, um zumindest auf lange Sicht die Bau-und Ausrüstungsvorschriften für Containerschiffe zu ändern.


Felix Selzer