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Big-Data-Systeme können Monitoring und Flottenbetrieb erheblich erleichtern. Eine aktuelle Analyse der KfW Ipex-Bank geht weiter: Potentiale können auch auf der Kosten- und der Ertragsseite sowie bei Leertransporten und in der Zusammenarbeit mit Spediteuren gehoben werden

Aufgrund des hohen Kostendrucks sowie regulatorischer Anforderungen, die eine größere Effizienz und Transparenz erfordern, spielen Big Data-Anwendungen für Container[ds_preview]-Reedereien eine zunehmende Bedeutung und stellen langfristig einen zentralen Erfolgsfaktor dar. Die maritime Industrie befindet sich infolge der zunehmenden Digitalisierung in einem umfassenden Transformationsprozess. Ein Großteil der Reedereien geht laut Umfragen davon aus, dass die Automatisierung und Digitalisierung in den nächsten Jahren »extrem« zunehmen werden. Die größte Bedeutung wird hierbei der lückenlosen Nachverfolgung von Sendungen auf dem Seewege (Zustimmung: 94%) und der Digitalisierung der Instandhaltungsprozesse (Zustimmung: 93%) eingeräumt.

Big Data bezieht sich für die KfW IPEX im Wesentlichen auf die informationstechnische Erfassung, Konnektivität und Analyse von Echtzeitdaten (mittels intelligenter Algorithmen). »Die Implementierung von Big Data-Systemen stellt eine wesentliche Voraussetzung für die Optimierung des Schiffsbetriebs und des Betriebsablaufs in den Häfen und Logistikketten dar«, heißt es in der Analyse, die der HANSA vorliegt. Laut der Beratungsfirma McKinsey sei die Produktivität datengesteuerter Unternehmen etwa 5 % höher im Vergleich zu den Wettbewerbern.

Operationell ermöglichen Big Data-Systeme vor allem die Optimierung der operativen Flottenkosten und der Schiffsauslastung, schreibt Analyst André Hofmann, Vice President bei der KfW IPEX-Bank. Grundlegende Voraussetzung hierfür ist die Ausstattung des Schiffes mit Sensoren (Advanced Sensor Modul), um eine Echtzeitübertragung operativer Parameter wie der aktueller Bunkerverbrauch und der Wartungszustand, zu ermöglichen.

Die koreanische Reederei SM-Line hat u.a. Schiffe und deren Fracht mit einem Satelliten-System (VSAT) ausgestattet, um Echtzeit-Daten bzgl. des Schiffs- und Frachtzustands zu generieren. Hierfür übermitteln Erfassungsgeräte die Daten an das Satellitensystem, das wiederum die Daten an den zentralen Rechner der Reederei weiterleitet. Darüber hinaus kann die Messung auf die komplette Flotte einer Reederei übertragen werden, in dem die Daten aller Schiffe (Cloud) miteinander verknüpft werden.

Durch die kombinierte Echtzeit-Übermittlung von Wetterdaten, Zuständen von Schiffen (Benchmarking) und Maschinen sowie Terminal- und Hafenauslastungen lassen sich die Kosten des Netzwerks insgesamt verringern. Branchenexperten gehen davon aus, dass sich allein durch die Anpassung von Schiffsgeschwindigkeiten an veränderte Wetterverhältnisse und die Berücksichtigung von Verzögerungen im Betriebsablauf (z.B. bei Hafenstreiks) der Bunkerverbrauch um bis zu 5% verringern lässt. »Weitere Kosteneinsparungen lassen sich erzielen, sofern bei unvorhersehbaren Beeinträchtigungen des operativen Betriebs zeitnahe, situationsabhängige Lösungsansätze entwickelt werden. Zur optimalen Entscheidungsfindung werden weitere Daten bzgl. Landtransporten, Kundenverhalten und -präferenzen benötigt«, heißt es weiter. Ferner müssten Zusatzkosten für Feederdienste, Landtransporte und kommerzielle Aspekte berücksichtigt werden.

Effiziente Leertransporte

Aufgrund der ungleichen Handelsströme stellt das Management von Leercontainertransporten nach Ansicht Hofmanns eine große Herausforderung dar. Big-Data-Analysen ermöglichen demnach die effiziente Durchführung von Leercontainer-Transporten durch Verwendung moderner Prognose-Algorithmen. Um den Bewegungsstrom von Containern zu optimieren und Leertransportkosten zu reduzieren, sind Echtzeitdaten bzgl. der Standorte der Containerboxen zu ermitteln.

Hierfür werden Ortungsgeräte an den Boxen angebracht und ggf. Daten anderer operativer Systeme (AIS-Tracking von Schiffen, GPS-Ausstattung von Trucks, Auslastung der Container-Depots) bzw. Lkw-Wartezeitprognosen für logistische Knoten (Leercontainerdepot, Containerpackstation, Distributionszentrum) herangezogen. Maersk habe beispielsweise 270.000 Reefer-Container mit der GPS-Technologie ausgestattet, um neben der Position auch Temperatur, Luftfeuchtigkeit und mechanische Probleme in Echtzeit zu übertragen. Durch zusätzliche Einbeziehung empirischer und erwarteter Kundenbedürfnisse können Big Data-Anwendungen nicht nur sicherstellen, dass die erforderliche Anzahl an Containern an den richtigen Standort transportiert wird, sondern dass Anzahl und Kosten der Leertransporte gesenkt werden.

Preis-Management betroffen

Ein weiteres wichtiges Einsatzfeld von Big Data-Systemen bei Reedereien betrifft das Preis- und Kapazitätsmanagement. »Da im Containersegment die Differenzierung gegenüber den Wettbewerbern vor allem über die Preissetzung und damit über die Kostenbasis erfolgt, ist es für die Ertragsmaximierung der Reedereien von essenzieller Bedeutung, exakte Preiskalkulationen auf Basis der Stückkosten vornehmen zu können«, so das KfW-Ipex-Papier. Die Errechnung der exakten Stückkosten – benötigt werden u.a. Daten zu operationalen Aspekten wie Beladungs- und Stauapplikationen sowie die Kosten und Verfügbarkeiten von Lkw und Zügen – als auch die Berücksichtigung der Reaktion der Wettbewerber und Kunden auf Ratenanpassungen ermögliche die ertragsoptimierende Frachtratenbestimmung für jeden einzelnen Containertransport.

Gegen Marktmacht der Spediteure

Digitale Technologien wie Cloud und Blockchain, das Internet der Dinge (vor allem die Ausstattung von Flotten und Containern mit Sensoren) sowie hierauf aufbauende Big Data-Anwendungen haben nach Ansicht der Analysten kurzfristig die größte Bedeutung für das Container-Segment. Ein wesentlicher Erfolgsfaktor werde es sein, Kundeninteraktionen und operative Systeme vollständig zu digitalisieren. Eine Vielzahl von Reedereien – wie MOL, NYK, K-Line, PIL, Maersk – kooperiere bereits mit IBM, um eine Blockchain-Plattform zu entwickeln, die den Großteil der Inter-/Transaktionen der Supply-Chain umfasst, inklusive Broker und Versicherer.

Ziel ist vor allem eine signifikante Verringerung der Prozess- und Dokumentationskosten, auf die ca. 20% der Transportkosten entfallen. »Sofern es gelingt, das Geschäftsmodell der Reedereien zu einem integrierten Logistikprovider auszuweiten (v.a. durch Integration der Hafeninfrastruktur, Einführung digitaler Marktplätze) kann dies gemäß McKinsey die Verhandlungsmacht der Spediteure deutlich verringern«, meint Hofmann. Voraussetzung sei, dass die Reedereien die Digitalisierung als strategisches Programm auffassen, tradierte Organisationsstrukturen, Prozesse und Systeme hinterfragen und diese auf disruptive Ansätze überprüfen. »Sofern Reedereien den digitalen Transformationsprozess nicht als strategisches Programm auffassen, werden digitale Disruptoren das Big Data-Wertschöpfungspotential zuvor abschöpfen«, mahnt er.