Print Friendly, PDF & Email

Kleiner Aufwand, große Wirkung – Nabenkappenflossen und für Slow Steaming optimierte Propeller liegen im Trend, während Numerik und 3D-Druck die Entwurfs-

und Testprozesse verändern. Von Felix Selzer

Nabenkappenflossen sind eines der »Hot Topics«, mit denen sich die Experten an der Hamburgischen Schiffbau-Versuchsanstalt (HSVA) derzeit beschäftigen. Die[ds_preview] hinter dem Propeller auf der Ablaufhaube angebrachten Flügel sollen Energie aus dem Nabenwirbel zurückgewinnen. Auch Kappel-Propeller, die durch leicht gebogene Flügelspitzen deutliche Effizienzzugewinne versprechen, werden vermehrt nachgefragt und getestet. »Was die Nabenkappenflossen angeht, haben wir sogar eine neue Versuchstechnik entwickelt«, sagt Christian Johannsen, Leiter der Abteilung Propeller und Kavitation an der HSVA. Klassischerweise würden Propulsionsversuche im Schlepptank gemacht und Kavitationsversuche im Kavitationstunnel. Im Tank müsse man sich stets um das froud­sche Ähnlichkeitsgesetz kümmern, was aber nur relativ niedrige Propellerdrehzahlen erlaube, wodurch Reibungseffekte überzeichnet würden. »Das ist gerade bei den Nabenkappenflossen ein Problem, weil der Gewinn, den sie bringen, durch die zusätzliche Reibung aufgezehrt wird. Daher haben wir eine Technik entwickelt, bei der die vergleichenden Propulsionsversuche bei sehr viel höherer Geschwindigkeit im Kavitationstunnel gemacht werden. Dabei lässt sich nicht absolut der Leistungsbedarf eines Schiffes ermitteln, aber den Unterschied zwischen einem Schiff mit und einem Schiff ohne Nabenkappenflossen kann man auf diese Weise sehr genau bestimmen«, so der Experte. Das werde derzeit stark nachgefragt von Werften und Reedereien.

Der Grund dafür ist der Trend zum »Slow Steaming«. Schließlich sind noch viele Schiffe im Markt, bei deren Design Geschwindigkeit oberstes Ziel war. Den gegenteiligen Trend gibt es schon seit einer Weile, dennoch beobachtet Johannsen immer noch eine starke Nachfrage nach der Anpassung von Schiffen mit möglichst geringem Aufwand.

»Fährt das Schiff langsam, geht der Leistungsbedarf dramatisch zurück, die Kavitationsgefahr sinkt von allein und man kann näher an das Wirkungsgrad­optimum heran designen«, erklärt Johannsen. Auch Hans-Jürgen Heinke, Head of Department Propeller & Cavitation an der SVA Potsdam, sieht durch den Trend hin zu geringen Schiffsgeschwindigkeiten, kleinen Drehzahlen und großen Durchmessern zur Reduzierung der Propellerbelastung ganz neue Freiräume für den Entwurf. Diese könnten z.B. genutzt werden, um das Flächenverhältnis zu reduzieren und auch die Wahl der üblichen Flügelzahl in Frage zu stellen. Bei der Reduktion des Flächenverhältnisses und der Flügelzahl mit dem Ziel der Wirkungsgradsteigerung dürften die anderen Aspekte der Propelleroptimierung, wie Einhaltung der Grenzen für die Druckschwankungsamplituden und die breitbandige Schallabstrahlung, außer Acht gelassen werden. Dies gelinge immer besser durch die Anwendung moderner Optimierungsverfahren für die Propellerauslegung mit Mehrzielkriterien.

Die speziellen Propellertypen und Nabenkappen werden derzeit auch von den Herstellern selbst sehr stark forciert. Üblicherweise zahlt die Modellversuche die Werft, aber es gibt laut Johannsen mehr und mehr Fälle, in denen die Hersteller die Kosten übernehmen oder sich beteiligen. »Für ein Schiff werden verschiedene Propellerentwerfer eingeladen, die ihre Entwürfe präsentieren, die dann hier getestet werden. Früher hatte die Werft ihren Haus- und Hof-Propellerhersteller, der hat den Entwurf gemacht, dieser wurde getestet und genommen, wenn er gut war. Heutzutage sehen wir regelrechte Wettbewerbe«, berichtet er.

Der Potsdamer Experte beobachtet, dass sich mit der Fokussierung auf Passagier- und Spezialschiffbau in Europa die Nachfrage in der Propellerentwicklung für Neubauprojekte gewandelt hat. Gefordert würden Propeller und Propulsionssysteme für Spezialschiffe, große Yachten, Forschungs- und Marineschiffe mit hohem Wirkungsgrad und gleichzeitig einem niedrigen Druckschwankungs- und Schallpegelniveau. Diese zum Teil gegenläufigen Entwurfsziele erfordern besondere Sorgfalt beim Propellerentwurf.

Immer mehr in den Fokus rücke die Schallabstrahlung von Schiffen. Im Falle von Kreuzfahrtschiffen und Yachten geht es um den Komfort an Bord, bei Propelleranwendungen für Marine- und Forschungsschiffe kommt der Reduktion von elektrischen und magnetischen Signaturen eine zunehmend größere Bedeutung zu, da hier die propellerbedingte Geräuscherzeugung bereits erheblich reduziert werden konnte. Um hier noch weitere Fortschritte zu ermöglichen, wird unter anderem der Einsatz von Kunststoffen und reibungsmindernden Beschichtungen erforscht.

Numerik vs Tank

Beim Entwurf von Rumpfformen und Propellern steht der klassische Versuch im Schlepptank schon seit einiger Zeit unter Beschuss. Während die Vorreiter im Bereich Computational Fluid Dynamics (CFD) wie ANSYS, CD-adapco bzw. Siemens und Numeca schon länger einen Abgesang auf das Testbecken angestimmt haben, kann Johannsen hier noch keine eindeutige Trendwende erkennen. »Bei der HSVA – und vermutlich bei allen anderen Propellerentwerfern – ist es nach wie vor so, dass man sich im Wesentlichen auf potenzialtheoretische Verfahren verlässt. Im Schiffsentwurf, bei der Linienentwicklung, ist es aber eindeutig so, dass man heute vermehrt RANS-Rechnungen macht, und auch im Großausführungsmaßstab versucht, Nachströme und Schiffswiderstände zu berechnen«, erklärt er.

Laut Heinke liefern die CFD-Verfahren Details über Strömungsvorgänge, die experimentell nicht oder nur mit großem Aufwand gewonnen werden könnten. Die Möglichkeiten zur hydrodynamischen Bewertung und Optimierung mittels CFD hätten sich sowohl durch moderne Berechnungsmethoden als auch durch leistungsfähigere Hardware erheblich verbessert. »Auf dem Gebiet der vergleichenden Entwurfsbewertung (design ranking) kommen die Vorteile der CFD Methoden voll zu Geltung, da der Effekt von Geometrieänderungen schnell und einfach herausgearbeitet werden kann«, so der Mann von der SVA.

Über die Bestimmung der Integralwerte wie Schub und Drehmoment hinaus müssten zur Beurteilung eines Propellers die Kavitationseigenschaften bestimmt werden, um Aussagen über kavitationsbedingten Schubabfall und die Druckschwankungen treffen zu können. »CFD-Verfahren können im Allgemeinen die am Propeller auftretenden unterschiedlichen Kavitationsarten nicht voll erfassen und erreichen in vielen Fällen die erforderliche Prognosegenauigkeit nicht«, erklärt er. Die hydroakustische Bewertung von Propellern mittels Berechnungsverfahren befinde sich momentan noch im Forschungsstadium.

Sowohl in der Versuchsanstalt in Hamburg als auch in Potsdam halten die Experten Modellversuche trotz der Fortschritte in den theoretischen und numerischen Methoden für unerlässlich, um quantitativ zuverlässige Aussagen zu erhalten. Modellversuche und Großausführungsmessungen seien weiterhin notwendig für die Prüfung der Annahmen in der Theorie und der Genauigkeit der Berechnungen. Je schneller die Rechner würden und je mehr man bei der Netzgenerierung und Variantenerstellung automatisieren könne, umso mehr werde sich das Gewicht zugunsten der Numerik verschieben. In absehbarer Zukunft werde man aber auf den Tankversuch nicht verzichten können, meint Christian Johannsen.

Zudem wollen sich Kunden nach der Erfahrung der Fachleute zum überwiegenden Teil auf die numerischen Verfahren allein noch nicht verlassen. Freifahrtversuche beispielsweise, bei denen nur der Propeller untersucht wird, könne man heute schon sehr gut rechnen, sagt der HSVA-Experte. »Trotzdem wollen die Kunden physikalisch das Modell im Schlepptank sehen und Messergebnisse haben.« Die Aktzeptanz für numerische Verfahren sei einfach noch nicht in ausreichendem Maße vorhanden. Es gehe schließlich um viel Geld und um Strafen, wenn etwas nicht stimme. »Da verlassen sich viele lieber weiterhin auf gemessene Werte.«

Einen schnelleren Technologiewandel erwartet Johannsen beim 3D-Druck. Das wird auch bei der HSVA immer mehr zum Thema, insbesondere bei Modellpropellern. »Das ist ganz gut für Propulsionsversuche, bei denen es um die Charakteristik bezüglich Schub und Drehmoment geht. Für Kavitationsversuche halten wir aber die erzielbare Genauigkeit noch nicht für ausreichend, das Gleiche gilt für die Festigkeit«, sagt Johannsen. Durch die relativ hohen Drehzahlen bei Kavitationsversuchen verlören diese Propeller ihre Sollgeometrie. Das beobachtet auch Heinke.

Mit der Einführung der Rapid Prototyping Technologie verringerten sich zwar die durchschnittlichen Bearbeitungszeiten der Prototypen auf ein Drittel bei höherer Komplexität. Die SVA realisiert seit 2014 den Prototypenbau mittels 3D-Druck fotoaktivierbarer Acryl­­­­poly­­­­m­­ere. Dabei wird eine flüssige Polymermischung auf dem Bauteil aufgebracht und mit Hilfe von UV-Licht ausgehärtet. Der 3D-Druck von Rudern, Wellenböcken, Querkanalgittern, Zu- und Abläufen, Nabenkappenflossen, Gehäusen für Thruster und Podded Drives habe sich in Verbindung mit speziellen Beschichtungen und Versteifungen bewährt, so Heinke.

Er geht davon aus, dass die Weiterentwicklung der Druckverfahren Laser Engineered Net Shaping, Selektives Laserschmelzen und Selektives Lasersintern langfristig das 3D-Drucken von Modellpropellern und anderen Modellbauteilen aus Metall zulassen wird.


Felix Selzer