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Der langjährige KüMo-Experte Christian Buckow bedient seit 2014 den Markt mit dem Abschluss- und Index-Portal »fixbo«. Für die HANSA wirft er einen Blick auf den Shortsea-Verkehr in der Ostsee, den Zustand der Flotte und die Aussichten

Womit punkten KüMos in der Ostsee? Christian Buckow: Grundsätzlich kann man sagen, dass KüMos immer dort[ds_preview] im Vorteil gegenüber Linien- und Systemverkehren sind, wo innerhalb Europas sowohl auf der Produktions- wie auch der Verbraucherseite werksnahe Verkehre über kleine Häfen betroffen sind. Gegenüber anderen Transportsystemen wird der Wettbewerb jedoch stärker, sobald große und regelmäßige Ladungsmengen über Haupthäfen geroutet werden können. Bei welchen Güterarten sind KüMos im Ostsee-Verkehr am stärksten vertreten? Buckow: Im Verkehr innerhalb Europas können KüMos alles im Dry- und Breakbulk-Bereich transportieren, angefangen bei der Agrarwirtschaft, hier nicht nur Getreide- und Futtermittelladungen, sondern auch Düngemittel und die Forstproduktindustrie einschließt. In der Energieversorgung hat das KüMo bei den Kohletransporten an Bedeutung verloren, da diese mittlerweile hauptsächlich in größeren Einheiten bewegt wird. Ein gewisser Ersatz hat sich allerdings im Transport von alternativen Energieträgern wie Hackschnitzeln oder -pellets aus Holzabfällen oder pelletierten Agrarhülsen entwickelt. Weiterhin gibt es die Versorgung mit Rohstoffen für die ansässigen Produktionsstätten, China Clay für die Papierindustrie, Mineralien, Baustoffe für den Straßenbau. Im Stahlbereich werden neben den gängigen Produkten wie Coils oder Rebars auch Halbprodukte wie Masseln (Pigiron), Brammen, Schrott und Zusatzstoffe (Alloys), auch Metalle wie Kupfer, Nickel und Aluminium bewegt. Schnittholz, früher eine wesentliche Ladungsart, hat an Bedeutung verloren. Nicht weil die Mengen geringer sind, sondern weil große Mengen systematisiert und partiegerecht auf flatracks, Eisenbahnwaggons oder in Containern bewegt werden. »First open water« als Startsignal für einen Frühjahrsboom und passend zur wieder einsetzenden Bauindustrie hat hingegen schon lange keine Bedeutung mehr. Was hat sich verändert? Buckow: »Just in time« nimmt zu, besonders seit Dänemark, Schweden und bedingt auch Norwegen über die Beltbrücken landseitig an Europa angeschlossen sind. Da schon immer eine gegenseitige Abhängigkeit von kleinen Häfen und kleinen Schiffen bestand, haben die Landanbindungen in Ostdänemark und Südschweden zu einem »Sterben« verschiedener kleiner Häfen geführt und deshalb ist dort die Nachfrage nach kleinen KüMos gesunken. Klimatische Veränderungen können zudem wie zuletzt 2017 zu enttäuschenden Ernten führen, also zu einer Veränderung des Agrarhandels verbunden mit mehr Tonnenmeilen. Was erwarten Sie für die Zukunft? Buckow: Die rückläufige Anzahl an kleinen KüMos könnte den Betrieb weiterer kleiner Häfen unwirtschaftlich werden lassen. Dort wird sich die lokale Wirtschaft verstärkt Containern zuwenden. Wir sehen hier einen wachsenden Bedarf an Bulk-Containern. Positiv könnte sich allerdings das wachsende Interesse an einer besseren Umweltbilanz der Industrie auswirken. Weitere Vorteile durch Abgasreinigungsanlagen oder alternative Treibstoffe wie LNG könnten hier kurzfristig entstehen sobald diese Technologien ausgereift sind. Ist die KüMo-Flotte auf die neuen umweltpolitischen Regularien eingestellt? Buckow: Nein, noch lange nicht. Hier besteht enormer Handlungsbedarf. Es gibt zwar Lösungen, aber die rechnen sich noch nicht für kleine Schiffe. Neben den Abgaswerten stehen auch Veränderungen in der Ballastwasser-Behandlung an. Ein Problem ist, dass die Investitionsbereitschaft und -möglichkeit vieler Reedernach zehn Jahren Krise sehr begrenzt ist. Viele KüMos werden die Karenzzeiten bis 2022 ausnutzen und abwarten wie sich das Geschäft entwickelt. Aufgrund des hohen Durchschnittsalters der Flotte könnte es für viele Reedereien mehr Sinn machen zu verschrotten. Ist die KüMo-Schifffahrt von der Schiffsgrößenentwicklung betroffen? Containerfeeder leiden darunter, dass mehr Großschiffe direkt in die Ostsee fahren. Buckow: Der Vorteil der KüMos ist eng an die Hafengrößen gekoppelt. Und hier sind nicht nur die in der Ostsee sondern auch die übrigen kleinen Häfen in Europa von Bedeutung. Solange diese weiter bestehen, behalten die KüMos ihren Vorteil. KüMos sind die Taxis des Wassers, Linien- und Feederdienste dagegen die Linienbusse. Allein aus diesem Unterschied bietet das KüMo einen großen Vorteil durch mehr Flexibilität. Allerdings geht auch in der Ostsee der Trend zu größeren KüMos, weil kleine Schiffe heute nicht mehr kostengünstig betrieben werden können. Wie entwickelt sich das Raten-Niveau? Buckow: Bei den Ostseeverkehren für KüMos handelt es sich um ein äußerst sensibles Geflecht. Nach wie vor werden hier mehr Export- als Importladungen bewegt. Es gibt zwar statistische Zahlen, jedoch wird hier nicht nach Schiffsgrößen unterschieden, sodass es sehr schwer ist, Fakten zu nennen. Setzen wir aber die erwarteten Wachstumsraten des europäischen Wirtschaftsraums voraus, können wir eine positive Entwicklung erwarten. Wenngleich es keine akuten Anzeichen gibt, darf man für den Zeitpunkt, an dem die Wirtschaftssanktionen gegen Russland aufgehoben werden, einen Anstieg des gesamten Ladungsvolumens im Ostseeraum von bis zu 20% erwarten. Für den Zeitraum seit Januar 2016 haben wir für den gesamten KüMo-Verkehr von und in die Ostsee – mit Westeuropa bis Gibraltar einschließlich Großbritanniens und Irlands – eine interessante Entwicklung für Schiffe bis 5.000t Tragfähigkeit ermittelt. Bei einer leicht um 0,7% angestiegenen Durchschnittsgröße stieg die Indexfracht 2017 gegenüber 2016 um 15,25% – allerdings legten auch die Treibstoffkosten in diesem Zeitraum um rund 23% zu.


Interview: Michael Meyer