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Nach einer wahren S&P-Rallye 2017 flaut die rege Flotten-Aktivität in der Mehrzweck-

und Schwergutschifffahrt etwas ab. Das Interesse ist nach wie vor groß, auch an Neubauten, aber die Preise ziehen an. Profitieren könnten davon die »Großen«, was das Marktbild weiter verändern würde. Von Michael Meyer

Rund 100 Schiffe gingen im vergangenen Jahr über die Ladentheke – nach der Anzahl der Einheiten gerechnet immerhin rund 10% der[ds_preview] Flotte. Es wurde in den vergangenen Monaten viel ge- und verkauft, neu geordnet und konsolidiert. Zu den Gründen gehörten unter anderem Notverkäufe, gerissene Geduldsfäden bei Banken und ihren Regulierern, neue bzw. aufstrebende Akteure wie Zea­born oder relativ umfangreiche Flotten-Umstrukturierungen wie bei BBC in Leer oder Thorco.

An diesen Faktoren hat sich prinzipiell nicht vieles geändert, sie gelten nach wie vor als Treiber auf dem Markt. Dennoch ist seit Jahresbeginn zu erkennen, dass sich die Rallye etwas verlangsamt, meint Analyst Nicolas Breiding vom Hamburger Makler Toepfer Transport.

Preise steigen

Anfang Februar umfasste die MPP- und Heavylift-Flotte 1.007 Einheiten mit insgesamt 15,3Mio.tdw. Im vergangenen Jahr wuchs das Segment dank 18 Ablieferungen, 14 Verschrottungen und einem Verlust lediglich um drei Schiffe. Auf den Schwergut-Bereich über 250t Krankapazität entfallen davon 340 Schiffe sowie 2017 acht Ablieferungen, fünf Verschrottungen und der eine Verlust, was einem Wachstum von zwei Frachtern entspricht.

Den größten Anteil in beiden Klassen nehmen mit 291 und 111 Schiffen die Größe zwischen 10.000 und 15.000tdw ein – das Segment, zu dem auch das »Arbeitspferd« gehört, der E/F-Typ.

Das S&P-Interesse ist zwar nach wie vor vorhanden, zumal nicht Wenige Anzeichen für einen Aufschwung sehen. Allerdings: Das macht sich natürlich auch im Preisniveau für gebrauchte Schiffe bemerkbar, und das wiederum schreckt mittlerweile doch einige von weiteren Käufen ab. »Es hängt auch immer von den Plänen und Geschäftsstrukturen der Akteure ab. Aber wenn jemand gleichzeitig Eigner und Operator ist und beispielsweise für einen sieben Jahre alten E/F-Typ mehr als 8,5Mio.$ zahlen soll, dann braucht er mitunter ein Time Charter Equivalent (TCE) von über 8.000$. Das halten manche für schwer zu realisieren«, erläutert Breiding gegenüber der HANSA.

Für den »freien« Tramp-Einsatz ist es dann noch schwieriger, als wenn es gute und halbwegs langfristige Kontrakte gibt. Dann wird unter Umständen ein höherer Preis eher akzeptiert. Gleiches gilt für »Newcomer«, die sich eine Flotte aufbauen, weil sie überhaupt erst einmal Zugang zu Tonnage brauchen und wollen.

An einigen Schiffen wurde in der Krise seit vielen Jahren nur das Nötigste in die Technik und die Ausstattung investiert. Nicht zuletzt wird auf Verkäuferseite darauf sowie auf den Restwert geschaut, ob sich also ein Verkauf lohnt oder ein Schiff doch eher gleich verschrottet wird.

Da die MPP-Schifffahrt vergleichsweise heterogen strukturiert ist, mit zum Teil stark differierenden Geschäfts- und Flotten-Modellen, ist auch die Palette der »Objekte der Begierde« breit gefächert. Trotz oder gerade wegen der jahrelangen Krise auf den Frachtmärkten gibt es weiterhin einen bunten Mix aus Tramp-, Semi-Liner-, Liner- und Kontrakt-Geschäften. Unter den Großen der Branche setzt BBC auf einen Mix aus Tramp-, Semi-Liner- und Kontraktfahrten, ähnliches gilt für die niederländische Spliethoff-Reederei, COSCO macht vor allem Linie, AAL ebenso, Thorco aus Dänemark fokussiert sich auf den Tramp-Markt.

Entsprechend differenziert ist die Flotte, mit einer großen Anzahl der klassischen E/F-Typen von 12.500-Tonnern, den großen Frachtern mit mindestens 30.000tdw sowie kleineren Einheiten von unter 10.000t Tragfähigkeit – und damit auch das S&P-Interesse an diesen.

Große Nachfrage gibt es nach dem E/F-Typ. Zuletzt gab die Hamburger Reederei Hansa Heavy Lift, Tochter des US-Finanzinvestoren Oaktree und Nachfolger der abgewickelten Bremer Beluga-Gruppe, die »HHL Congo« und »HHL Rhine« ab. Mehr als ein Dutzend Interessenten beteiligten sich anfangs an einem »wahren Bieterverfahren«.

Einen allgemeinen Trend kann man bei Toepfer Transport jedoch nicht wirklich beobachten. Die chinesische Staatsreederei COSCO etwa hat ihre Flotte für ihr Linienangebot mit großen Einheiten aufgestockt, zum Teil mit bis zu 38.000tdw. Auch die »Da«-Typen oder die Schiffe der Rickmers-Line sind vergleichsweise groß.

Schlägt COSCO zu?

Der Branchendienst Dynamar hatte jüngst verkündet, dass die Chinesen die Briese-Tochter BBC Chartering als Marktführer abgelöst haben – allerdings auf Basis der gesamten Flotten-Kapazität, nicht in Bezug auf die Schiffsanzahl. Dort führt weiter BBC und setzt damit auf eine möglichst breite Abdeckung auf den Weltmeeren. COSCO setzt weniger auf kleinere Einheiten, allenfalls zur Bedienung spezifischer Kontrakte, die im Zuge von Pekings »One Belt One Road«-Initiative weiter zunehmen dürften. Fast keiner zweifelt trotz chinesischer Dementis daran, dass die für den Infrastruktur-Aufbau notwendigen staatlichen Aufträge an »eigene« Reedereien vergeben werden. Zuletzt war COSCO dem Vernehmen nach auch an einigen E/F-Typen interessiert, die auf dem S&P-Markt aufgetaucht waren. In der Branche wird erwartet, dass der Carrier kurz- und mittelfristig sicher noch auf dem S&P-Markt zuschlägt.

Die Chinesen, das polnisch-chinesische Joint Venture Chipolbrok oder Nischen-Carrier wie MACS aus Hamburg ausgeklammert, sei allerdings durchaus zu beobachten, dass das Interesse an großen Frachtern nicht so ausgeprägt ist, heißt es. Zu angespannt erscheint so Manchem der Markt mit großen Liniendiensten, zu schwierig sei es, die Kapazität mit gut zahlender Ladung auszulasten. Viele dieser Angebote hingen bei der Entstehung mit dem Boom in China zusammen. Dort sieht der Markt jedoch zurzeit nicht mehr so rosig aus. Von Europa in die Häfen der Volksrepublik sei die Situation besser, aber es gibt Probleme ausreichend passende Ladungen für den Rückweg zu finden, so ist zu hören.

»Wir gehen davon aus, dass die S&P-Aktivität weiter auf hohem Niveau ablaufen wird, aber nicht so intensiv wie 2017«, so Breiding weiter. Ändern könne sich die Situation je nach Marktlage aber schnell, auch mit Blick auf die weiter anhaltende Konsolidierung.

»Weiter hohes S&P-Niveau«

Schaut man sich die Entwicklung und ihre Ursachen an, drängt sich ein mögliches Szenario auf: Die Großen der Branche werden noch größer, kleineren Eignern und Operateuren mit weniger Finanzkraft droht weiteres Ungemach. Die finanzierenden Banken – etwa die NordLB mit dem Portfolio der übernommenen Bremer Landesbank oder die privatisierte HSH Nordbank – pochen weiter auf Verkäufe. Schon im vergangenen Jahr hatte etwa BBC über ein Dutzend dieser Bankenschiffe aufgenommen und sich gegenüber der HANSA offen für weitere derartige Transaktionen gezeigt.

Es gibt zudem Schiffe, die zum Teil seit langer Zeit bei den Bauwerften liegen geblieben sind, weil die Ablieferungsfrist gerissen worden war. Dafür wurde in China eigens eine Auffanggesellschaft gegründet, die allein sechs große MPP-Frachter verkaufen will, angesichts zu hoher Preise jedoch auf ihnen sitzen bleibt.

Kleine Eigner, die zuletzt ohnehin »nur noch« Manager ihrer ehemaligen Schiffe waren und sind, könnten weiter an Substanz verlieren. Die Branchengrößen haben, zum Teil mit Kapitalpartnern im Rücken, noch am ehesten die Mittel, ihre Flotten selbst bei steigenden Preisen auszubauen oder zu modernisieren. Und für besagte »Newcomer« gilt Ähnliches. »Die Konzentration könnte weiter zunehmen«, meint auch Breiding, zumal es bereits Spekulationen über neue M&A-Aktivitäten gibt, beispielsweise zwischen Zeaborn und dem US-Carrier Intermarine, ausgestattet mit der Unterstützung vom Bremer Bauunternehmer Zech beziehungsweise dem Investor New Mountain Capital.

Trotz der Marktturbulenzen gibt es auch Neubau-Aufträge – den Schwierigkeiten der Werften und dem damit einhergehenden Preis-Rutsch geschuldet. Im vergangenen Jahr und Anfang 2018 stand das Orderbuch für die gesamte Flotte ab 100t Krankapazität bei 4,81% und 4,57% beziehungsweise 47 und 44 Schiffen, im Schwergutbereich ab 250t waren es 9,83% und 10,32%, entsprechend 32 und 35 Frachtern.

Neubau-Interesse? Ja, aber …

In den kommenden Monaten könnten weitere Platzierungen hinzukommen. Was mit der Spliethoff-Order von sechs 18.000-Tonnern bei Ouhua passiert, ist noch offen. Die Werft hat große Probleme und wird den Auftrag wohl nicht abarbeiten können. Inwieweit alle Projekte aus dem Orderbuch tatsächlich realisiert werden, ist fraglich, bei Toepfer zählt man ein gutes Dutzend Schiffe mit insgesamt 280.000tdw, die wahrscheinlich nicht kommen werden, davon acht im Schwergutbereich.

Aber dennoch: »Wir sehen reges Interesse an Neubauten«, bestätigt Breiding, allerdings nicht ohne eine Einschränkung: Die Werften erhöhen mittlerweile die Preise zum Teil deutlich, um bis zu 10%, weil sie ebenfalls auf eine Erholung der Märkte hoffen und weil die Stahlpreise tendenziell steigen. In China werden und wurden aus umwelt- und wirtschaftspolitischer Motivation heraus Stahlfabriken geschlossen, die protektionistischen Maßnahmen der US-Regierung tragen ebenfalls zu der Entwicklung bei.

Angesichts der Preiserhöhungen stellt sich manch Reeder die Frage, ob er bestellt oder es lieber lässt. Ein Beweggrund ist die Frage, ob man auf die Erholung setzt und daran mit zusätzlicher Tonnage partizipieren kann und will oder ob man sich auf die Konsolidierung der eigenen Geschäfte konzentriert. Zwar wird den Operateuren mehr Frachtvolumen in Aussicht gestellt, auch höhere Raten. Auf der anderen Seite steigt jedoch der Bunkerpreis genauso wie die Zeitcharter-Forderungen der Schiffseigner.

Eine knappe Handvoll Akteure will oder muss aber etwas am Neubaumarkt tun, meinen die Experten von Toepfer Transport. Dabei geht es nicht um einzelne Schiffe, sondern kleinere Serien. Zudem gibt es Spekulationen über eine Zehner-Serie von 12.500-Tonnern mit 500t Krankapazität, der neue F500-Typ, mit dem die deutschen Reedereien Krey und Auerbach sowie BBC Chartering vor einigen Jahren an die Öffentlichkeit gegangen waren. Es ist jedoch nicht klar, wer hinter dem potenziellen Auftrag steht. Im Markt scheint sich bezüglich dieser Schiffe etwas zu entwickeln. Das gleiche gilt für größere Einheiten über 30.000tdw, heißt es.

Die Unbekannte »Schrott«

Insgesamt dürfte der Anteil des Orderbuchs nach Einschätzung von Breiding relativ stabil bleiben. Es wird mit 29 Neubauten in 2018 und 16 in 2019 zwar eine nicht unerhebliche Masse an Kapazität in Dienst gestellt werden. Ob die Flotte dennoch auch netto so stark wächst, ist im Detail nicht abzusehen, zu unklar ist vor allem das Verschrottungsniveau. »Es gibt 115 Einheiten, die älter als 20 Jahre sind, gut 6% der Gesamtflotte. Da müsste eigentlich etwas passieren. Aber in der Vergangenheit haben wir schon des Öfteren gesehen, dass ältere Schiffe aus Europa oder Nordamerika nach Asien, Afrika oder Russland durchgereicht werden und dort im Regional- oder Küstenverkehr eingesetzt werden«, sagt der Analyst.

Zudem gibt es einige Frachter, die offiziell noch zur Flotte gehören, aber seit über einem Jahr nicht bewegt wurden – etwa aufgrund eines Maschinenschadens oder wegen juristischer Streitigkeiten. Zudem liegen einige Neubauten seit längerer Zeit bei ihren Bauwerften nachdem die Aufträge gecancelt wurden. »Wer diese Schiffe kauft, geht auch ein Risiko ein, weil einige Zulieferer bereits deutlich gemacht haben, dass die Garantieansprüche ausgelaufen sind«, so Breiding weiter. Andere Schiffe gelten mittlerweile als nahezu unverkäuflich. Das und der gestiegene Schrottpreis dürfte wohl zu Scrap-Transaktionen führen.

Der Branchendienst Drewry traut sich eine etwas konkretere Prognose zu. Analystin Susan Oatway meint, nach einem leichten Schrumpfen um 1% in 2017 dürfte sich die verfügbare Tonnage in diesem Jahr weiter reduzieren (S. 18)

In der Flotte dürften allzu große Sprünge insgesamt ausbleiben. Ganz anders als auf dem Unternehmenslevel. Die Konsolidierung ist bei weitem noch nicht abgeschlossen, meinen Experten und Beteiligte.


Michael Meyer