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Für die Mehrzweckschifffahrt wichtige Auslandsdirektinvestitionen (FDI) dürften 2018 wieder zulegen. Bei den Vereinten Nationen sieht man Afrika als »schlafenden Riesen«, Südamerika ist mittlerweile stabil, die USA erzeugen große Wirkung. Von Michael Meyer

Joachim Karl, Chef der Abteilung Investment Policy Research bei der »Konferenz der Vereinten Nationen für Handel und Entwicklung«, besser bekannt[ds_preview] als UNCTAD, gab der HANSA exklusive Einblicke in die Erwartungen an Investitionen und Transportbedarf. »Wir sind vorsichtig optimistisch, dass es in diesem Jahr wieder etwas nach oben geht, was die weltweite Entwicklung anbelangt«, so der Experte. Im jüngsten »Trends Monitor« wird ein Wert von knapp 1,8 Bio. $ genannt. Sollte die Prognose so eintreten, wäre die Welt wieder auf normalem Niveau. Der doch recht starke Rückgang um 16% auf 1,52 Bio. $ 2017 lag vor allem am extrem starken Jahr 2016, dessen Wert durch eine Handvoll sogenannter »Mega-Deals« als Ausreißer gilt. Die größten Rückgänge gab es 2017 für Europa (-27%) und Nordamerika (-33%). Die sogenannten »Greenfield«-Investitionen, die eher auf Industrie und Infrastruktur ausgelegt sind, schrumpften sogar um 32% auf 571Mrd. $ – das niedrigste Niveau seit 2003 – der Wert für Entwicklungsländer sackte gar um 49% auf 261Mrd. $ ab.

Über 8.000 Projekte auf dem Weg

Aktuell sehen die UNCTAD-Experten knapp 8.150 Transaktionen für die Segmente »Industrie« und »Rohstoffe« in der Pipeline. Zu den größten Projekten gehören eines von Saudi-Aramco für die Raffinerie-Industrie in Südkorea oder chinesische Engagements für die Stahlindustrie in Russland und Indonesien. Gerade der südostasiatische Inselstaat taucht häufig in der Liste auf.

Aus neuen Projekten in den Bereichen Industrie und Rohstoffe entsteht sehr oft eine messbare Nachfrage nach seeseitigen Transporten von Modulen, Maschinen, Industrie-Gütern oder Stahl – alles Ladungen, auf die die Mehrzweck- und Schwergut-Schifffahrt setzt und hofft.

Andererseits gilt auch für diese Branche das Risiko, dass der Handel durch die aktuelle politische Entwicklung Schaden nehmen könnte. Zölle und Sanktionen sind nie gut für Transportvolumina.

Karl ist dennoch »vorsichtig optimistisch«. Wie kommt es dazu? Prinzipiell wäre aus seiner Sicht sogar mehr Zuversicht denkbar. Er beobachtet jedoch zwei gegensätzliche Entwicklungen. »Das makroökonomische Umfeld sieht weltweit recht gut aus, in den meisten Ländern mit gar nicht so geringem Wachstum. Die USA sind stark, die EU steht besser da, für China gilt das sowieso. Asien ist nach wie vor eine starke Wirtschaftsregion. Das spricht für zunehmende Investitionen. Gestützt wird die Annahme dadurch, dass wir das jetzt schon im Handel sehen. Die weltweiten Ströme zeigen eindeutig nach oben«, erläutert Karl.

Hinzu kommt das große geopolitische Umfeld als Gegengewicht, sodass er zur Vorsicht mahnt: »Es gibt viel mehr Anzeichen für Protektionismus mit US-Strafzöllen als jüngstem Beispiel. Die Gefahr eines Handelskriegs ist derzeit sehr real. Wenn es dazu kommt, wird das auch die Investitionsströme beeinflussen«, so der Experte weiter. Auch die Sicherheitslage sei »nicht so rosig«.

Die Wachstumsprognose resultiert im Ergebnis jedoch vor allem aus dem Umstand, dass der positive Einfluss der wirtschaftlichen Faktoren als schwerwiegender eingeschätzt wird als der negative Effekt politischer Risiken. »Wenn eine große Katastrophe ausbleibt, müsste es 2018 wieder aufwärts gehen«, sagt Karl.

Die volumenstärksten Zielmärkte für FDI sind nach wie vor die USA, China und die EU. Nach Meinung der UNCTAD wird sich daran so schnell nichts ändern. Die Reihenfolge gelte sowohl für die Kombination aus Greenflield-FDI und Übernahme-Projekten (M&A) als auch für das Greenfield-Segment allein. »Eine klare Tendenz ist aber, dass die aufstrebenden Nationen immer attraktiver werden, in erster Linie China und Indien«, so Karl.

Noch immer maximal »schleppend« sieht es in Afrika aus – ein Kontinent, der seit Jahren als einer der wichtigsten Zielmärkte überhaupt für Greenfield-FDI gilt. 2017 verzeichnete man dort sogar ein Minus von 1%. Der große Sprung lässt auf sich warten, auch wenn China mit »One Belt One Road« für Infrastrukturprojekte sorgt. »Insgesamt steht Afrika relativ schlecht da, aber es gibt große Unterschiede und einzelne Highlights wie natürlich Südafrika. Aber auch Länder wie Äthiopien und Ruanda entwickeln sich positiv«, so Karl. In absoluten Zahlen seien die Investitionen aber gering.

US-Steuersenkung mit Effekt

Auch Südamerika gilt als potenziell wichtiger FDI-Markt. Ölpreis-Verfall und politische Instabilitäten sorgten immer wieder für einen Rückzug von Investoren. Auch auf diesem Kontinent gebe es große Unterschiede, so die UNCTAD. Venezuela ist ein Extrembeispiel mit sehr eingeschränkter Attraktivität, ähnlich Bolivien. »In Südamerika gehen Investitionen überwiegend in den Rohstoffbereich. Das ist politisch immer ein sensibler Sektor, in einigen Ländern ein ›strategischer Sektor‹. Nach Regierungswechseln sieht man dort sehr oft das Risiko eines Politikwechselns«, so Karl, das wirke abschreckend. Derzeit sei es relativ stabil. Einen signifikanten Anstieg erwartet er nicht »aber wohl auch keine Rückgänge«. 2017 gab es ein FDI-Wachstum von 3%.

Ein Faktor ist dem Experten wichtig: Für die USA dürfte sich seiner Meinung nach die jüngste Steuersenkung sehr positiv auswirken, für andere Länder drohen hingegen herbe Einbußen. Man könne jetzt schon sehen, dass US-Tochterunternehmen aus dem Ausland zurückverlagern und dass ausländische Unternehmen überlegen, in die USA umzusiedeln. Vor allem den Standort Europa könne das betreffen. Im Extremfall droht demnach eine Rückführung von Auslandsinvestitionen im Umfang von 2 Bio. $.


Michael Meyer