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Steht der Seeverkehr mit dem Iran vor dem Zusammenbruch? Versicherte Seetransporte selbst nicht-sanktionierter Waren dürften schwierig werden, schreibt Michael Hollmann

Mit dem Ausstieg der USA aus dem Iran-Atomabkommen und der Verschärfung von Sanktionen für Wirtschaftsbeteiligte, die mit dem Iran[ds_preview] Handel treiben, drohen erhebliche Komplikationen für die Schifffahrt. Der Iran und iranische Gewässer könnten allein schon deshalb zum Tabu für Reedereien werden, weil Reisen dorthin nicht mehr versicherbar sein könnten, wenn spätestens Anfang November die »sekundären« Sanktionen der USA wieder voll greifen.

Diese Strafmaßnahmen für Drittstaaten und nicht-US-amerikanische Unternehmen im Geschäftsverkehr mit dem Iran waren seit dem Iran-Atomabkommen 2015 ausgesetzt. Allerdings hatte Washington an den »primären« Sanktionen, die für Personen und Unternehmen in den USA gelten, festgehalten. So ist auch Dollar-Zahlungsverkehr bei Iran-Geschäften nicht mehr möglich gewesen, was gerade für die Schifffahrt ein großes Problem darstellt. Selbst wenn die übrigen Vertragspartner des Atomabkommens (Deutschland, Frankreich, UK, EU, China, Russlan daran festhalten, könnten die Geschäfte zwischen Dritten und dem Iran weitgehend zum Erliegen kommen. Denn die Mehrzahl der Unternehmen kann es sich nicht erlauben, wegen Verstoßes gegen Sanktionen in den USA auf die schwarze Liste gesetzt zu werden.

Zum Knackpunkt dürfte die Verfügbarkeit von Haftpflichtdeckung (P&I) für die Schifffahrt werden. Die großen P&I Clubs der International Group hatten ihr milliardenschweres Rückversicherungsprogramm in den vergangenen Jahren durch Ausschluss von US-Versicherern entsprechend angepasst, um Schäden unter Beteiligung iranischer Interessen abdecken zu können, allerdings nur in anderen Währungen als dem US-Dollar. Die Wiedereinführung der sekundären Sanktionen könnte darauf hinauslaufen, dass der Iran-Handel komplett ausgeschlossen werden muss. Andernfalls bekäme die International Group of P&I Clubs vom Markt keine Kapazität mehr für ihr P&I-Rückversicherungsprogramm. Transporte auf eigene Gefahr in den Iran werden internationale Reedereien wohl nicht riskieren. Mögliche Schäden in iranischen Gewässern – etwa Ölverunreinigung, Kollision oder Versorgung von Verletzten – könnten existenzbedrohend werden.

Konkrete Aussagen zur etwaigen Anpassung der P&I-Deckung lehnen sowohl die Clubs als auch ihre Dachorganisation (International Group) gegenwärtig ab. Es sei zu erwarten, dass die Wiedereinführung von Sanktionen »schwerwiegende Auswirkungen auf den Seehandel mit dem Iran und der Versicherung dieses Handels« haben werde, teilten einige Clubs in ähnlich lautenden Schreiben mit. Zusätzliche Brisanz erhielt das Thema Mitte Mai, als die Kanzlei Freehill Hogan & Mahar die P&I Clubs darauf hinwies, dass Schifffahrtsgesellschaften wohl nicht wie zunächst angenommen eine Übergangsfrist bis 6. August bzw. 4. November ausschöpfen dürfen, um alle Irangeschäfte zu beenden. In Gesprächen mit dem US Office of Foreign Asset Control (OFAC) sei den Anwälten beschieden worden, dass bereits alle neuen iran-bezogenen Aktivitäten ab 8. Mai geahndet werden könnten, so die US-Kanzlei. Kurz nach Verbreitung dieser Information durch die P&I Clubs verkündete die zweitgrößte Linienreederei MSC am 16. Mai, dass keine Buchungen mehr für Verladungen aus dem oder in den Iran angenommen werden.

Nur für einen kleinen Teil der P&I-Welt wird sich durch Wiedereinführung der sekundären Sanktionen nichts ändern. So haben sich kommerzielle Festprämienversicherer wie Hanseatic P&I stets nach den primären Sanktionen der USA gerichtet und sowohl Verkehre mit dem Iran als auch iranische Schiffe vom Versicherungsschutz ausgeschlossen. Grund: Sie bekommen ihre Versicherungskapazität von Lloyd’s-Syndikaten, die sich teils in US-Besitz befinden.
Michael Hollmann