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Eine Mehrheit deutscher Reeder sorgt sich um den Fortbestand der deutschen Handelsflotte. Die deutsche Flagge wird eher als Nachteil gesehen. Die Flotte bleibt aber u.a. für den Erhalt des Know-hows am Standort bestimmend.

In den letzten Jahren ist viel über die deutsche Flotte[ds_preview] diskutiert worden. Aus diesem Grunde hat das Beratungsunternehmen PwC in seiner heute vorgestellten, jährlichen »Reederstudie« die deutschen Reeder gefragt, was heutzutage die sogenannte deutsche Flotte eigentlich formal im Wesentlichen ausmacht. Die befragten Entscheider sind sich demnach weitestgehend einig, dass es vor allen Dingen der Sitz des Managements in Deutschland ist, der die deutsche Flotte charakterisiert. Ebenfalls noch ein wichtiger, wenngleich nachgelagerter Aspekt ist der Sitz der Eigentümergemeinschaft in Deutschland.

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Quelle: PwC

Die Eintragung in das deutsche Register und vor allem das Fahren der Schiffe unter deutscher Flagge spielen heutzutage faktisch nur noch eine untergeordnete Rolle, wenn es darum geht, die deutsche Hochseeflotte formal zu definieren. In dieser Bewertung stimmen die Reedereienvertreter und ihre Kollegen aus dem Maritimen Cluster auch vollständig überein. Ebenfalls noch als Charakteristikum der deutschen Flotte wurde hier angemerkt, dass die nautische und technische Ausrüstung der Schiffe (also die Bereederung) in Deutschland erfolgen muss.

Stärkerer europäischer Fokus

Die deutsche Flotte scheint sich also aus Sicht der befragten Reeder am ehesten über den Sitz des Managements und am wenigsten über die deutsche Flagge zu definieren. Möglicherweise sei das darauf zurückzuführen, dass in Zeiten der Globalisierung stärker europäisch und international gedacht werden müsse, so die Interpretation von PwC. Zudem müsse man konstatieren, dass die deutsche Flagge aufgrund engmaschiger Tarifvorschriften und hoher Personalkosten in den letzten zehn Jahren an Attraktivität und Bindekraft verloren habe, was durchaus auch auf dem Bewerbermarkt Spuren hinterlassen habe.

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Quelle: PwC

Für die deutsche Handelsflotte im Vergleich mit internationalen Wettbewerbern spricht nach Ansicht der meisten Reeder (70 %) vor allem die hohe Qualifikation der Mannschaft auf See und der Belegschaft an Land. Entsprechend gilt die Sicherung des maritimen Know-hows aus Sicht der überwältigenden Mehrheit der Befragten (92 %) auch als Kernargument für den langfristigen Erhalt einer deutschen Flotte. »Die Exportnation Deutschland ist so eng wie kaum eine andere Volkswirtschaft in die globale Lieferkette eingebunden«, so Claus Brandt, Leiter des maritimen Kompetenzzentrums von PwC in Deutschland. »Zwar ließe sich der Warentransport auch ohne eine eigene Hochseeflotte bewerkstelligen. Aber der Wegfall einer eigenständigen maritimen Wirtschaft hätte zweifellos gravierende Folgen – nicht nur mit Blick auf die Unabhängigkeit von anderen Anbietern, sondern auch in den Bereichen Innovation, Wachstum und Beschäftigung.«

Vor- und Nachteile der deutschen Handelsflotte im Wettbewerb

Die Regelungen für die deutsche Flagge hätten nach Ansicht zahlreicher Entscheider aus den Reedereien längst an europäische Regelungen angepasst werden müssen. Die strengen Regeln seien »schuld, dass bald alle deutschen Schiffe nicht mehr unter deutscher Flagge fahren, da die deutschen Reeder nicht mehr mit der polnischen oder holländischen Flotte mithalten können«. Eine andere Führungskraft findet beispielsweise »die Restriktion ärgerlich, dass nur EU-­Offiziere erlaubt sind, da es sehr gute russische Offiziere gibt. Deshalb fahre ich nicht unter deutscher Flagge. Wenn das erlaubt wäre, würde ich weiterhin unter deutscher Flagge fahren und würde auch auf Fördergelder verzichten.«

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Quelle: PwC

Im Rahmen der mittelfristigen Zukunftsszenarien zur Entwicklung des Schifffahrts­marktes in den kommenden fünf bis zehn Jahren wurde den Führungskräften aus den Reedereien dazu eine Frage gestellt. Tatsächlich glauben 40 % der Reeder, dass die deutsche Flagge in absehbarer Zeit durch eine europäische Flagge ersetzt werden wird. Die Befragten aus dem Maritimen Cluster sehen das allerdings völlig anders. Hier sind acht von zehn Befragten der Ansicht, dass die Aussage, die deutsche Flagge werde in absehbarer Zeit durch eine europäische ersetzt, nicht zutrifft.

Sinnhaftigkeit der Fördermaßnahmen für deutsche Schifffahrt

Die deutsche Schifffahrtsindustrie wird derzeit in mehreren Bereichen vom Bund und von der EU subventioniert. Wenn die verschiedenen Bereiche, die im Wesentlichen gefördert werden, gegeneinander abgewogen werden sollen, sind 85 % der Entscheider in den Reedereien der Ansicht, dass die Beibehaltung der Tonnagesteuer sich als die sinnvollste Förderung erwiesen habe und unbedingt beibehalten werden solle. Von einzelnen Reedern wurde darauf hingewiesen, dass eine Harmonisierung der Tonnagesteuer innerhalb Europas wünschenswert und sinnvoll wäre.

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Quelle: PwC

In diesem Zusammenhang wird noch von jedem Zweiten die Erstattung der Lohnsteuer als sinnvolle Fördermöglichkeit angesehen, die unbedingt beibehalten werden sollte. Im Gegensatz dazu spielen Vorteile bei der Gewerbesteuer und Zuschüsse zu den Ausbildungskosten für die Reeder eine deutlich untergeordnete Rolle. Letzteres dürfte sich vor allem aus der wirtschaftlichen Situation der Industrie heraus erklären.

BSH Deutsche Handelsflotte Mai 2018
Quelle: BSH
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Quelle: BSH

VDR: »Deutsche Reeder bekennen sich klar zum Standort Deutschland«

Zur Reederstudie erklärt Ralf Nagel, Geschäftsführendes Präsidiumsmitglied des Verbands Deutscher Reeder (VDR): »Die deutschen Reeder bekennen sich klar zum Standort Deutschland als Kern ihrer wirtschaftlichen Aktivitäten auf der ganzen Welt. Hochqualifizierte Mitarbeiter sind für die Reedereien ein zentraler Wettbewerbsvorteil.«

Mit den Fördermaßnahmen für Ausbildung und Beschäftigung, die Reedereien und Bundesregierung gemeinsam auf den Weg gebracht hätten, habe man dieses maritime Know-how in Deutschland trotz der erheblich geschrumpften Handelsflotte bisher erhalten können. Bei diesen Anstrengungen dürften Schifffahrt und Politik nicht nachlassen.

»Die Reedereien nutzen dieses Know-how sehr erfolgreich, um sich noch stärker als maritime Dienstleister für Kunden in Deutschland und weltweit zu positionieren. Dabei stehen sie allein schon innerhalb Europas im knallharter Konkurrenz mit anderen Schifffahrtsnationen. Deshalb müssen Reeder und Politik die Wettbewerbsfähigkeit des Standortes ständig überprüfen und anpassen, damit Arbeitsplätze und Wertschöpfung in Deutschland erhalten bleiben«, so Nagel

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Quelle: PwC

Mehr zu den übrigen Ergebnissen der Studie erfahren Sie hier.

Die PwC Reederstudie basiert auf einer jährlichen Befragung unter rund 100 Führungskräften aus deutschen Reedereien zur Lage und Entwicklung der hiesigen Schifffahrtsindustrie. Für die diesjährige Studie wurden zusätzlich 20 Führungskräfte aus dem erweiterten Maritimen Cluster (u.a. Verbände, Zulieferunternehmen und Behörden) befragt. Die befragten Reedereien beschäftigen im Durchschnitt etwa 880 Mitarbeiter, davon rund 580 auf See. 40 % der Unternehmen erwirtschaften weniger als 20 Mio. € Umsatz pro Jahr, 14 % kommen auf über 250 Mio. €.