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Zwei Drittel der deutschen Reeder erwarten negative Folgen für deutsche Schifffahrtsindustrie durch US-Strafzölle. Eine Mehrheit rechnet aktuell dennoch weiter mit steigenden Erlösen. Die Wachstumshoffnungen ruhen insbesondere auf Schwellenländern und neuen Geschäftsmodellen.

Der[ds_preview] eskalierende Handelskonflikt zwischen den USA, China und der Europäischen Union droht zur Belastung für die deutsche Hochseeschifffahrt zu werden. Zwei von drei deutschen Reedern fürchten laut der heute vorgestellten »PwC Reederstudie 2018« der Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft PwC negative Konsequenzen der aktuellen US-Handelspolitik. Nur etwa jeder zehnte Reeder geht davon aus, dass die neue Politik der US-Regierung gänzlich ohne Auswirkungen für die deutsche Schifffahrtsbranche bleiben wird. »Die Verunsicherung aufgrund der jüngsten handelspolitischen Entwicklungen ist in der deutschen Schifffahrtsindustrie deutlich spürbar«, erläutert Claus Brandt, Leiter des maritimen Kompetenzzentrums von PwC in Deutschland. »Viele Reeder befürchten, dass ein eskalierender Handelsstreit die weltweite Arbeitsteilung und die damit verbundenen Warenströme nachhaltig beeinträchtigen könnte.«

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Quelle: PwC

Unabhängig vom aktuellen Handelskonflikt erwartet eine Mehrheit der Reeder weiterhin langfristiges Wachstum. Zwei Drittel sind der Ansicht, dass der Welthandel auf einen stabilen Wachstumskurs einschwenken wird. Ganze 61 % der Befragten sind der Ansicht, dass sogar das Handelsniveau vor der Krise von 2008 wieder in Reichweite rücken könnte. Eine wichtige Rolle könnten dabei die Schwellenländer spielen: 93 % sind davon überzeugt, dass der steigende Konsum in den wirtschaftlich aufstrebenden und bevölkerungsreichen Ländern auch zu einer Verlagerung der Warenströme führen wird.

Hoffnung auf wachsendes Ladungsaufkommen und steigende Erlöse

In der Gesamtschau überlagern diese langfristigen Erwartungen offenbar die unmittelbaren Sorgen über Schutzzölle und Handelskonflikte. So glauben 81 % der Reeder, dass das weltweite Ladungsaufkommen in den kommenden fünf Jahren steigen wird. Damit hat sich der Anteil der Optimisten gegenüber der Vorjahresumfrage um zehn Prozentpunkte erhöht. Die meisten Reeder sehen auch das eigene Unternehmen auf Wachstumskurs: 74 % der Befragten rechnen in den kommenden zwölf Monaten mit steigenden Erlösen. Im Vorjahr gingen lediglich 61 % von Umsatzzuwächsen aus, in der Umfrage von 2016 sogar nur 35 %.

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Quelle: PwC

Diese Hoffnung ist laut PwC nicht ganz unbegründet: Neun von zehn Reedern berichten derzeit von voll ausgelasteten Flotten (der höchste Wert seit Ausbruch der Krise). »Die Situation ist paradox: Auf der einen Seite bedroht ein erstarkender Protektionismus die derzeitige Wirtschaftsordnung und die Reeder sind sich dieser Gefahr bewusst. Gleichzeitig gibt es in der Branche nach Jahren der Konsolidierung einige, wenn auch zarte, Hoffnungsschimmer«, so PwC-Experte Brandt.

Den Anteil eigener Schiffe in der Flotte verringern wollen 2018 auch weniger Reeder als noch im Vorjahr. 79 % haben keine deartigen Pläne, nur 11 % bejahten die Frage danach klar. Mit 70 % ist der Anteil derer, die gebrauchte oder neue Schiffe dazukaufen wollen, im Vergleich zu 2016 und 2017 unverändert hoch. Nur noch 30 % planen, Schiffe zu verkaufen (2017: 43 %, 2016: 59 %). Nur 4 % planen Schrottverkäufe (20 %, 22 %). »Man muss zur Einordnung dierser Zahlen allerdings beachten, dass in den letzten Jahren schon viel verkauft wurde. Es ist einfach nicht mehr soviel an Schiffen da, was man loswerden könnte«, so Brandt.

Schifffahrt im Wandel

Der steigende Wettbewerbsdruck und die digitale Transformation der weltweiten Wertschöpfungsketten macht auch vor den deutschen Reedern nicht Halt. So wollen 65 % der Befragten in den kommenden fünf Jahren definitiv neue Geschäftsfelder erschließen, weitere 24 % erwägen das. Dabei geht es vor allem um die Erweiterung der eigenen Kompetenzen – auch in branchenfremde Bereiche, wie etwa Immobilien- und Finanzdienstleistungen oder Investitionsberatung.

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Gut sieben von zehn Befragten sind der Überzeugung, dass sich Reedereien zu Logistikdienstleistern weiterentwickeln müssen. 44 % können sich Zusammenschlüsse mit anderen Unternehmen vorstellen, um ein breiteres Leistungsspektrum anbieten zu können. »Die globalen, datengetriebenen Technologieplattformen werden den Markt für Logistikdienstleistungen tiefgreifend verändern«, so Claus Brandt. »Allein mit Schiffen und Vercharterung zu überleben wird schwerer, die die Krise hat hier deutliche Grenzen aufgezeigt.«

Dazu müssen die Unternehmen die eigenen digitalen Fähigkeiten allerdings noch konsequenter ausbauen. Aktuell schrecken noch viele Reeder davor zurück, den Herausforderungen und der steigenden Komplexität durch die Digitalisierung aktiv zu begegnen: Nur gut jeder fünfte Befragte kann sich vorstellen, selbst an die Spitze einer Logistikkette zu rücken und diese zu organisieren. Dazu passt, dass auch nur ein Fünftel den Betrieb einer eigenen Tracking-App zur Ortung und Verfolgung von Schiffen bzw. Transportgütern einführen möchte.

Mehr zu den Ergebnissen der Studie zum Thema deutsche Flotte/deutsche Flagge erfahren Sie hier.

Die PwC Reederstudie basiert auf einer jährlichen Befragung unter rund 100 Führungskräften aus deutschen Reedereien zur Lage und Entwicklung der hiesigen Schifffahrtsindustrie. Für die diesjährige Studie wurden zusätzlich 20 Führungskräfte aus dem erweiterten Maritimen Cluster (u.a. Verbände, Zulieferunternehmen und Behörden) befragt. Die befragten Reedereien beschäftigen im Durchschnitt etwa 880 Mitarbeiter, davon rund 580 auf See. 40 % der Unternehmen erwirtschaften weniger als 20 Mio. € Umsatz pro Jahr, 14 % kommen auf über 250 Mio. €.