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Eine oft unterschätzte »Waffe« beim Kampf gegen Piraterie ist der Austausch von Ermittlungsergebnissen. Diese Waffe hat große Wirkungskraft, daher lässt die deutsche Bundespolizei auch nicht nach. Von Michael Meyer

Weniger Piraterie, mehr Piraterie, weniger Gewalt, mehr Gewalt – die Wasserstandsmeldungen über die Gefahr vor Ostafrika schwanken über die Jahre hinweg[ds_preview] immer wieder. Insgesamt hat sich die Lage im Vergleich zur Hochzeit der somalischen Piraten etwas entspannt. Neben dem Militär – der deutsche Beitrag zur EU-Mission »Atalanta« besteht derzeit aus einem logistischen Unterstützungselement in Dschibuti, Stabspersonal sowie einem Seefernaufklärungsflugzeug, jedoch keinem Schiff, wie das Bundesverteidigungsministerium der HANSA bestätigte – ist auch die Bundespolizei in den Kampf gegen Piraten involviert. Präventiv durch retrospektive Arbeit.

Sie geht nach einem Überfall an Bord, wenn die Reederei ihren Sitz in Deutschland hat. Spuren werden gesammelt, Beweismittel gesichert. Mit der Zeit wurden so immer mehr Erkenntnisse zusammengetragen. Aus den Ermittlungsverfahren werden Empfehlungen abgeleitet. Auch weil die Angriffe Anfang 2017 die Branche erneut haben aufschrecken lassen, mahnen die Sicherheitsbehörden immer wieder, achtsam zu bleiben. Die Bundespolizei wünscht sich Unterstützung von Reederei, Schiffsführung und Besatzung (siehe Kasten).

Empfehlungen meist umgesetzt

Die Empfehlungen wirken auf den ersten Blick fast banal, sind aber wichtig. Für den Alltag in der Reederei und auf See ist es zwar nicht immer einfach, aber dennoch: »Die Empfehlungen werden zumeist umgesetzt«, sagt Jan Labetzsch von der Bundespolizei im Gespräch mit der HANSA. Gut laufe es besonders an Land, manchmal werde an Bord nicht alles umgesetzt. So komme es vor, dass der »Ausguck« bei der Einfahrt in gefährdete Gebiete vernachlässigt werde. »Die Betroffenen hatten häufig das Problem, dass sie sich für sicher gehalten haben, als sie schon in Gefahr waren«, sagt Labetzsch.

Wird die Besatzung nach einer Entführung ausgetauscht, bevor die Ermittlung startet, kommt es immer wieder vor, dass Spuren vernichtet werden. »Aber meist schaffen es die Crews, die betroffenen Bereiche zu schonen. Das Spurenmaterial wird immer besser.«

An Land ist man nach Ansicht der Polizei mittlerweile viel besser vorbereitet, man weiß genau, wo die eigenen Schiffe sind, die Abläufe sind koordiniert. So wird beim Kapitän jeweils nachgefragt, ob vor der Einfahrt in ein Risikogebiet die entsprechenden Vorbereitungen getroffen wurden. »Crew und Management arbeiten besser zusammen«, meint Labetzsch. Auch für den Fall eines Angriffs gab es durchaus Lerneffekte. Reedereien sei deutlich klarer, an wen sie sich zu wenden haben.

Die Polizei unterstützt zuweilen schon weit im Vorfeld. Dem Vernehmen nach gibt es Fälle, bei denen ein Charterer aus Kostengründen die Sicherheitsmaßnahmen herunterfahren will und der Reeder dann bei der Polizei um eine Risikoeinschätzung bittet, die er dem Charterer vorlegen kann, um ihn zu überzeugen.

Auf behördlicher Ebene wurde der Austausch von Informationen ebenfalls verbessert, auch grenzüberschreitend. Gibt es wie zuletzt einen Vorfall mit niederländischem Bezug, wird gemeinsam beratschlagt, ob Informationen über die Piratengruppe vorliegen. Auch mit Ungarn gebe es guten Kontakt, zuletzt wurde mit Verbindungsbeamten gearbeitet.

In mögliche Lösegeldverhandlungen ist die Bundespolizei nur involviert, wenn es um nicht-deutsche Seeleute einer deutschen Reederei geht. Bei deutschen Crew-Mitgliedern schaltet sich das Bundeskriminalamt (BKA) ein. Auch in diesen Fällen werden Erfahrungen eingebracht.

An einer gewaltsamen Befreiung wäre die Polizei nicht beteiligt. »Wir beschränken uns auf die Ermittlungen nach der Befreiung«, sagt Labetzsch. Dazu zählen die Dokumentation an Bord, Vernehmungen, Spurensicherung, Phantombild-Erstellung. Piraten hinterlassen oft Spuren, etwa Fingerabdrücke, Waffen und DNA-Material. Sie werden gesichert und an Europol weitergeleitet. So konnten schon Piraten festgenommen werden, als sie relativ unbekümmert nach Europa kamen und Asyl beantragten. Insgesamt fühlen sich die Angreifer noch immer recht sicher, sie sorgen sich nicht um Fingerabdrücke oder Videokameras, heißt es.

Über eine Kooperationsplattform in Bahrain tauschen die deutschen Behörden Informationen auf internationaler Ebene aus. Ein »Grundproblem« sei jedoch die unterschiedliche Zuständigkeit, sagt Labetzsch. In Großbritannien und Frankreich sei etwa das Militär viel stärker eingebunden. Die Hürden zwischen den Institutionen sind dann höher.

Labetzsch meint, insgesamt habe sich die Zusammenarbeit definitiv verbessert: »Anfangs war der Austausch von Erkenntnissen zwischen Polizei und Militär kaum möglich. Aber mittlerweile wurden einige Prozesse neu geregelt. Bei Problemen im Ausland bekommen wir von der Bundeswehr jetzt mehr Informationen.«

Asien als »Vorbild«

In Asien, vor allem Südostasien, musste die Bundespolizei nach eigenen Angaben bislang nicht aktiv werden. Dort arbeiten die Regierungen unter anderem im ReCAAP-Projekt zusammen und tauschen Informationen aus. Der Tankerverband Intertanko und die Organisation BIMCO sehen in diesem »asiatischen Modell« der koordinierten Reaktion, unterstützt durch die Sammlung von Informationen, ein Vorbild. Bimco-Sicherheitschef Jakob Paaske Larsen sagt: »Um mit der sich ständig weiterentwickelnden Bedrohung Schritt zu halten, müssen wir unsere Zusammenarbeit verbessern. Der Schlüssel besteht darin, dass Lehren aus der ganzen Welt gegen Piraterie geteilt werden. So könnten Maßnahmen, die sich in einer Region als erfolgreich erwiesen haben, an andere Regionen angepasst werden.«

»Verantwortung übernehmen«

Größere Verbindungen zu Cyber-Kriminalität, wie sie Experten immer wieder befürchten, konnten im Übrigen bislang nicht festgestellt werden. Es habe in der Vergangenheit Hinweise auf gehackte Plattformen der Sicherheitsbehörden vor Ort gegeben, allerdings keine Beweise. »Unsere Erkenntnis ist: Die Piraten haben Schnellboote, Kalaschnikows, Panzerfäuste und Satellitentelefone.«

Piraterie bleibt ein Problem – also auch die Prävention – und damit auch die Erfahrungen der Bundespolizei. Das Bundesverteidigungsministerium setzt auf ein Zusammenspiel aller Akteure: »Wichtig ist, dass wir die erzielten Erfolge festigen und in Zusammenarbeit mit der zivilen Schifffahrt, den internationalen Akteuren am Horn von Afrika und der somalischen Regierung erhalten«, so der Sprecher. Dabei müsse auch die Schifffahrt langfristig Verantwortung übernehmen und die »Best Management Practices« kontinuierlich anwenden.


Michael Meyer