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Die Flaggenstaaten erhöhen durch unterschiedliche Maßnahmen wie Tonnage­steuer oder Verbesserung des Serviceangebots die Attraktivität. Der Kampf um Kunden geht unvermindert weiter. Von Thomas Wägener

Im Vergleich zu früher ist heute ein Wechsel des Registers nur noch selten, denn dadurch entstehen für die Reeder Kosten[ds_preview], die sie gerne sparen. Wenn sich ein Schifffahrtsunternehmen also einmal für eine Flagge entschieden hat, wird sie voraussichtlich über mehrere Jahre gefahren. Register haben also ein großes Interesse, sich schon beim Neubau zu positionieren, denn es gibt nach wie vor einen großen Kampf um Kunden.

Eines der Hauptkriterien ist das Abschneiden bei den Hafenstaatkontrollen. Für Schiffe in einem Register, bei dem es nur wenige Beanstandungen gibt, reduzieren sich sowohl das Risiko als auch die Kosten, die durch Verzögerungen bei der Inspektion hervorgerufen werden können, falls Mängel festgestellt würden, sagt Gunnar Georgs vom Register der Marshall Islands. Auch Christian Bubenzer von der Dienststelle Schiffssicherheit beim BG Verkehr sieht das Abschneiden bei den Hafenstaatkontrollen als einen wesentlichen Faktor. Die deutsche Flagge erziele seit jeher gute Ergebnisse bei diesen Inspektionen und erfülle die strengen Anforderungen des »Qualship 21«-Programms der U.S. Coast Guard. Georgs weist darauf hin, dass das Register der Marshall Islands im 14. Jahr hintereinander diese Anforderungen erfüllt.

Ein weiteres Kriterium ist der Service. Kunden erwarten heutzutage eine ständige Erreichbarkeit. Der 24/7-Dienst gehört entsprechend zum Standard. Für Georgs ist auch die Kompetenz ein wichtiger Faktor. Die Kunden erwarten schnelle Unterstützung von kompetenten Mitarbeitern, wenn sie um Hilfe ersuchen.

Manch ein Register würde versuchen, durch geringere Registrierungskosten seine Mängel zu rechtfertigen, sagt Carsten Gierga, Deutschland-Geschäftsführer beim Liberian International Ship & Corporate Registry (LISCR). Das Risiko und die Kosten, die entstünden, wenn ein Register nicht in der Lage sei, einen qualifizierten Service und die erwartete Unterstützung anzubieten, seien aber viel zu hoch und könnten nicht durch geringere Registrierungsgebühren ausgeglichen werden. Die Wahl der falschen Flagge sei daher der größte und kostspieligste Fehler, sagt Gierga, der empfiehlt, sich vor der Entscheidung über Leistungen und Angebote genau zu informieren.

Die Agentur Euromar, die die portugiesische Flagge vertritt, stellt bei der Flaggenwahl einen wachsenden Einfluss durch Finanzierer bzw. Gesetzgeber fest. So verlange Zypern einen Anteil von 60% EU-Flagge, damit die zyprische Tonnagesteuerregelung gewährt wird. In den Niederlanden könnten es sogar bis zu 100% EU-Anteil sein. Neue Geldgeber seien jedoch nicht immer mit technischen und sicherheitsrelevanten Fragen vertraut, die die Besatzung betreffen, und ließen sich unter Umständen durch vermeintliche Steuervorteile blenden, anstatt die operativen Vorteile in den Vordergrund zu stellen, berichtet Gierga.

In China, Brasilien oder anderen Handelsstaaten gebe es Privilegien für die Schiffe unter Flaggen bestimmter Handelspartner. Gierga nennt diesbezüglich die Vereinbarung mit China. Für Schiffe unter liberianischer Flagge fiele beim Anlaufen chinesischer Häfen dieselbe Tonnagegebühr an wie für die chinesischen Reeder. Dies erhöhe die Zuverlässigkeit.

Beim Thema Digitalisierung haben viele Register mittlerweile große Fortschritte erzielt. Der papierlose Austausch und die Ausstellung elektronischer Zertifikate ist vielfach obligatorisch. Das verkürzt die Abläufe und sorgt für zusätzliche Sicherheit, da Fälschungen nicht mehr so leicht möglich sind.

Portugal führt Tonnagesteuer ein

Eine der jüngsten Neuerungen der Portugal-Flagge ist die Einführung einer Tonnagesteuer. Portugal war eines der wenigen europäischen Länder, das den Reedern diese Vorzüge bisher nicht gewährt hat. Daran sind jedoch bestimmte Bedingungen geknüpft: Das Schiffseigentum oder Schiffsmanagement muss in Portugal stattfinden, Unternehmen, die von den Vorteilen profitieren wollen, haben die Pflicht, eine EU/EWR-Flagge zu führen, der Optionszeitraum beträgt mindestens fünf Jahre. Sie gilt rückwirkend zum 1. Januar 2018 nach Unterzeichnung durch den Staatspräsidenten.

Darüber hinaus plant Portugal im laufenden Jahr die Ratifizierung der Hongkong-Konvention für das sichere und umweltschonende Schiffsrecycling. Auch in Deutschland gibt es inzwischen Bestrebungen, dies umzusetzen. Als »wichtiges nationales Vorhaben« bezeichnet Euromar zudem die Verabschiedung eines portugiesischen Regelwerks für den Einsatz privater maritimer Sicherheitskräfte in Piraterie-Risikogebieten, die die Regierung für diesen Herbst angekündigt hat.

Dies sehen die Portugiesen auch als weiteren Beitrag, die Attraktivität europäischer Schiffsregister im internationalen Wettbewerb zu erhöhen. Gleiches gilt für verschiedene Initiativen, die die EU-Kommission angekündigt hat, etwa die Evaluation des gemeinsamen Rahmens zur maritimen Sicherheit oder die gegenseitige Anerkennung von Crew-Zertifikaten durch die Mitgliedsstaaten. Ferner zählt die Verbesserung elektronischer Meldeprozesse dazu, für die ebenfalls ein europäischer Rahmen geschaffen werden soll. Ein Beispiel ist das »European Maritime Single Window«.

Unterdessen hat die EU eine Untersuchung eingeleitet, ob Portugal die Regionalbeihilferegelung für die Region Madeira im Einklang mit den Richtlinien der Kommission von 2007 und 2013 angewandt hat. Die Kommission habe insbesondere Bedenken, hinsichtlich der Steuerbefreiungen, die Portugal Unternehmen gewährt in der Freihandelszone Madeira gewährt.

Madeira-Flag-Director Nuno Teixeira sagt, dass es bei der Untersuchung nur um die Unternehmen in Madeira gehe. Dies habe also keinen Einfluss auf das Internationale Schiffsregister und auch nicht auf die Einheiten, die dort registriert seien.

Palau setzt auf Verifavia

Auch weil die Flagge Palaus beispielsweise beim jüngsten Report von Paris MoU weniger gut abgeschnitten hat, versucht das Palau International Ship Registry (PISR) durch verschiedene Maßnahmen sein Image zu verbessern. Jüngst hat man sich Verifavia ins Boot geholt, einen unabhängigen Verifizierer, der künftig mit Hilfe des IMO Data Collection System (DSC) Verifizierungsdienste für die gesamte Flotte bereitstellt. Ein Teil davon ist die Berichterstattung über den Kraftstoffverbrauch, wie er in der Schifffahrt mittlerweile üblich ist. Verifavia stellt für die Schiffe des Palau-Registers zum 31. Dezember 2018 einen kompletten Data Collection Plan (DCP) zur Verfügung, der im Rahmen des Ship Energy Efficiency Plans (SEEMP) II vorgeschrieben ist. Dadurch könne PISR seiner Flotte bis zum 31. Mai 2020 eine Konformitätsbestätigung ausstellen, die an Bord vorgehalten werden müsse, heißt es.

Deutsche Reeder im Blickfeld

Die deutschen Reeder haben nach wie vor eine führende Rolle in der Containerschifffahrt. »Deutsche Reeder mit Sitz in Deutschland sind seit jeher die Kerngruppe der deutschen Flagge«, betont Jörg Kaufmann, Leiter der Abteilung Schifffahrt beim Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH). Allerdings sinkt die Anzahl der Schiffe deutscher Reeder weiter. Dies geht aus einem jüngst veröffentlichten Bericht des BSH hervor. Demnach lag die Zahl ausgeflaggter Einheiten am 30. Juni 2018 bei rund 1.900 und sank im Vergleich zum Vorjahr damit um 12,8%. Auch die Frachter mit einheimischer Flagge nahmen um neun Einheiten auf 169 Schiffe ab.

Für die anderen Register sind die deutschen Reeder ebenfalls eine wichtige Zielgruppe. »Liberia und Deutschland haben eine Verbindung mit großer Tradition«, unterstreicht Gierga. Portugal sieht sich bei den deutschen Reedern ebenfalls gut positioniert. Hinter Liberia sei man nach Tonnage die zweitgrößte Flagge im deutschen Markt. Daran werde sich auf Dauer auch nichts ändern, glaubt Euromar. Die Marshall Islands liegen hier auf Position sechs. Wenn sich die deutschen Reeder neu erfinden, Nischenmärkte entwickeln und Geschäftsstrategien ändern würden, werde Deutschland seine Stellung als wichtiges Schifffahrtszentrum behalten, sieht auch Georgs Potenzial.

Bei der deutschen Flagge sieht Kaufmann im aktiven Austausch mit den Kunden noch Luft nach oben. Der Service werde fortlaufend optimiert und die Digital-Angebote würden noch stärker ausgebaut.

Portugal sieht in einer neuen Seeverkehrsstrategie einen wichtigen Schritt, die europäischen Register zu positionieren. Die existierenden Beihilfeleitlinien für den maritimen Transport sollten ernster genommen werden, denn die Bedeutung von Europas Schiffseignern an der Gesamttonnage spiegele sich noch nicht in den europäischen Schiffsregistern wider. Nur durch ein verbindlicheres Ziel der Flaggenquote sei hier mehr möglich.

Die Portugiesen erwarten künftig eine Bewegung von Offshore-Registern kleinerer Staaten hin zu den großen Registern. Heute würden sich nur etwa 25% der Weltflotte in Onshore-Registern befinden, die große Mehrheit sei dagegen bei Offshore-Registern zu finden. Man sehe Anzeichen, dass sich das Verhältnis in 20 bis 30 Jahren umkehren werde.

Nach Auskunft von Gierga hat sich das LISCR in diesem Jahr zum Ziel gesetzt, um rund 7Mio. GT zu wachsen. Dies solle in Märkten geschehen, die zuvor nicht im Fokus gestanden hätten. Um die globale Präsenz zu erhöhen, plane man bis zum Ende dieses Jahres weltweit die Eröffnung von mindestens zehn zusätzlichen Büros.

Georgs berichtet derweil davon, dass die Marshall Islands auch weiterhin an ihrem eingeschlagenen Weg festhalten wollen, im Wesentlichen Schiffe mit einem Alter von maximal 20 Jahren in das Register aufzunehmen. Dies gewährleiste eine junge Flotte, mit einem Durchschnittsalter von gegenwärtig neun Jahren. Schließlich hätten Register die primäre Verantwortung für ihre Schiffe und dafür Sorge zu tragen, dass die Einheiten alle nationalen und internationalen Regelungen erfüllten. Deshalb werde jedes Schiff gründlich unter die Lupe genommen, bevor es in das Register aufgenommen werde.

Dieses Vorgehen ist inzwischen bei vielen Flaggen gängige Praxis, denn das hilft, die Sicherheit und die Umweltfreundlichkeit der Flotte zu erhöhen. Als eine der größten Stärken bezeichnet Georgs die globale Präsenz mit weltweit nunmehr 28 Büros. Er berichtet zudem von neuen Kunden aus Japan, die sich für das Register der Marshall Islands entschieden hätten, auch werde die Flagge am häufigsten für LNG- und LPG-Carrier gewählt.

Ob Zusammenschlüsse von Reedereien ein Grund für einen Flaggenwechsel sind, wird von den Registern indes unterschiedlich bewertet. Einige sehen das nicht als Kriterium, während Gierga berichtet, fortgeschrittene Informationen über Fusionen und Übernahmen zu erhalten. Derzeit sehe man aufgrund der Konsolidierungstendenzen viele positive Entwicklungen in Richtung Flottenprofil und Wachstum.

Eines der Beispiele für einen Flaggenwechsel nach einer vollzogenen Übernahme gibt es in Dänemark. Nach der Akquisition von Hamburg Süd durch Maersk Line wurden acht der zehn 119.000-GT-Einheiten der Cap-San-Klasse umgeflaggt, die Schiffe zählen nun zum dänischen Register, das dadurch deutlich an Tonnage gewinnt. Ein weiterer Effekt ist das Alter der Frachter, die zwischen 2013 und 2014 abgeliefert worden waren, wodurch sich das Durchschnittsalter der Flotte verringert. Das dänische Register erhebt seit dem 1. Januar 2018 keine Registrierungsgebühren mehr. Sollte zwischen Januar 2018 und April 2018 dennoch eine Anmeldegebühr bezahlt worden sein, wird diese rückerstattet.


Thomas Wägener