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Die RoPax-Reederei Stena Line setzt auf Neubauten und einen Mix aus umweltfreundlichen Technologien. Geschäftsführer Ron Gerlach spricht im Interview mit der HANSA über Investitionen, den Wettbewerb und Mängel in der politischen Flankierung

Wie sieht Ihr Orderbuch aktuell aus?

Ron Gerlach: Im nächsten und übernächsten Jahr werden drei RoPax-Fähren der[ds_preview] E-Flexer-Klasse abgeliefert. Eine für die Route Holyhead-Dublin, zwei für die Route Liverpool-Belfast. Diese Fähren sind 214,5m lang, haben eine Kapazität von 3.100 Lademetern und bieten in 127 Kabinen Platz für 927 Passagiere. Gerade erst haben wir zwei weitere E-Flexer bestellt. Sie werden mit 239,7m, 3.600 Lademetern und 263 Kabinen noch einmal größer sein. Auf welcher Route sie eingesetzt werden ist aber noch nicht klar. Die E-Flexer werden sowohl mit MGO als auch mit Gas betrieben werden können. Unsere Schiffsmanagement-Tochter Stena RoRo hat drei weitere Schiffe dieses Typs geordert, die verchartert werden.

Was verstehen Sie unter der geplanten Expansionsstrategie?

Gerlach: Wir setzen noch stärker auf standardisierte Abläufe und Tonnage. Wir möchten uns die Option offenhalten, auch kurzfristig der Ladung entgegenzukommen. So haben wir etwa Ende letzten Jahres in Rekordzeit eine neue Route zwischen Gdynia und Nynäshamn eröffnet, die seitdem stetigen Zuwachs verzeichnet. Außerdem stärken wir auch unser Service-Netzwerk an Land und setzen – alleine oder in Kooperation mit Partnern – verstärkt auf Shipping Logistics, Intermodal-Verkehre oder auf Direktzüge. Der Kunde soll verschiedene Optionen haben. Geographisch versuchen wir die Transportketten zu verlängern, via Benelux nach Südwesteuropa, via Osteuropa zur Adria, Ägäis und dem Schwarzem Meer. Wir stellen uns auch die Frage, wie mit dem zunehmenden Verkehr aus China umgegangen werden kann.

Planen Sie weitere Bestellungen von Schiffen, z.B. weitere »E-Flexer«?

Gerlach: Stena RoRo hat bei Avic Weihai noch einmal Optionen auf vier weitere E-Flexer eingestellt. Ob und wann diese umgesetzt werden steht noch nicht fest.

Werden die Neubauten die Flotte ergänzen, ältere Einheiten verkauft oder Charter-Schiffe zurückgeliefert? 

Gerlach: Unser Ziel ist es, mittel- bis langfristig den Anteil eigener Tonnage gegenüber Chartertonnage zu erhöhen.

Wie ist aktuell die Verteilung?

Gerlach: Von 40 Schiffen besitzen wir 29, der Rest ist Charter-Tonnage.

Bemerken Sie Effekte des Trends »From Road to Sea« und des oft diskutierten Fahrermangels in der Lkw-Branche?

Gerlach: Mittelfristig wird der Fahrermangel sicherlich noch härter durchschlagen als heute. Umso wichtiger ist es, jetzt schon alternative Transportrelationen auf- und auszubauen. Wir sehen, dass unsere Intermodal- und Direktzugangebote stärker nachgefragt werden, weswegen wir uns auch vor allem in Zentraleuropa und auf den Nordseerouten weiter in diesem Segment engagieren werden. Gleichzeitig nehmen aber auch die Lkw-Verkehre zu. Am Ende bestimmt halt immer noch der Preis das Transportgeschäft, und so lange auch die Politik auf den weiteren Ausbau der Straßeninfrastruktur setzt, wie zum Beispiel mit festen Querungen nach Nordeuropa, kann von einem Paradigmenwechsel »from road to sea« nicht die Rede sein.

Wie zufrieden sind sie mit der politischen Flankierung ihrer Nachhaltigkeitsprojekte?

Gerlach: Bezüglich der Landstromprojekte haben wir sowohl in den Niederlanden als auch in Schweden Schiffe an der Steckdose. In Kürze folgen mit Frederikshavn und Oslo weitere Standorte. In Deutschland ist Landstrom aufgrund zu hoher Zusatzkosten beim Strombezug, etwa der EEG-Umlage, nicht rentabel. Hier müssten die Rahmenbedingungen so angepasst werden, dass dieselbetriebene Hilfsmotoren in der Liegezeit nicht mehr günstiger sind als Landstrom. Wir sind auch bereit, unseren eigenen Beitrag zu leisten: Die Ausrüstung der Schiffe mit Landstromanschlüssen ist mit 500.000 € eine signifikante Investition. In Gesprächen mit Entscheidungsträgern bekommen wir Signale, dass diese Herausforderung erkannt wurde. In Deutschland stehen wir zudem vor der Herausforderung, dass die Antragsstellung für Förderprojekte höchst kompliziert und die Förderbedingungen sehr eng gefasst sind. Das stellt für jedes Unternehmen eine enorme Hürde dar. Natürlich muss jeder Einzelfall genau geprüft werden. Aber da es weder an Mitteln noch am Willen der Politik mangelt – insbesondere für Nachhaltigkeitsprojekte – wäre eine etwas praxisnähere Ausgestaltung der Förderrichtlinien sinnvoll. Auf europäischer Ebene läuft die deutlich einfacher. So wurde z.B. das Methanolprojekt »Stena Germanica«, aber auch das Batterieprojekt auf der »Stena Jutlandica« co-finanziert.

Sind andere Technologien wie LNG, Scrubber, Low Sulphur Fuel Oil eine Option?

Gerlach: Wir haben auf der Route Kiel-Göteborg gute Erfahrungen mit dem Methanolantrieb auf der »Stena Germanica« gemacht und wollen darauf weiter aufbauen. Das zweite Schiff auf der Route, »Stena Scandinavica«, fährt seit dem Frühjahr mit Scrubbern. Grundsätzlich verschließen wir uns keinen Technologien. Aber natürlich müssen auch die infrastrukturellen Voraussetzungen gegeben sein, z.B. beim Thema LNG.

Wie ist der Stand der Dinge bei Ihrem Batterieprojekt?

Gerlach: Die »Stena Jutlandica« wurde mit einer 1 MWh-Batterie ausgerüstet, derzeit läuft die Testphase für den elektrischen Betrieb im Hafen. Der nächste Schritt in drei bis fünf Jahren ist es dann, mit größerer Batteriekapazität die Revierfahrten emissionsfrei zu gestalten. Bis zu einer vollständigen emissionsfreien Fahrt auf der gesamten Strecke Frederikshavn-Göteborg, immerhin 50sm, wird es wohl noch bis 2030 dauern.

Sind neue Landstrom-Projekte geplant?

Gerlach: Wir würden gerne in mehr Häfen Landstrom beziehen und sind auch bereit, die Investitionen für die schiffsseitige Anpassung zu tragen. Allerdings müssen dafür auch die landseitigen Rahmenbedingungen stimmen, insbesondere was den Bezugspreis von Strom angeht.

Wie bewerten Sie den Wettbewerb? Erwarten Sie eine Konsolidierung – Übernahmen, Fusionen oder Kooperationen?

Gerlach: Der nordeuropäische Fährenmarkt ist seit Jahren von hartem Wettbewerb geprägt, gerade im Korridor Deutschland-Skandinavien. Unabhängig vom Handeln unserer Wettbewerber haben wir in den vergangenen Jahren gesehen, dass makroökonomische und politische Entwicklungen die Landkarten des Handels von heute auf morgen neu zeichnen können. Welche Auswirkungen der Brexit haben wird, ist selbst zum jetzigen späten Zeitpunkt nur schwer abzusehen. Der zukünftige Kurs der EU gegenüber Russland hat immense Auswirkungen auf den Verkehr im ostbaltischen Raum. Die Fehmarnbeltquerung wird sicherlich zu einer Konsolidierung der Fährverkehre in der westlichen Ostsee führen.


Interview: Michael Meyer