Print Friendly, PDF & Email

Blockchain soll digitale Geschäftsprozesse in der Schifffahrt sicher machen und so die Digitalisierung der Branche erst richtig voranbringen. Aus einem abstrakten Konzept wird nun Realität, verschiedene Akteure probieren die Technologie erfolgreich aus. Von Felix Selzer

Big-Data-Systeme können Monitoring und Flottenbetrieb erleichtern. Potentiale können auf der Kosten- und der Ertragsseite sowie bei Leertransporten und[ds_preview] in der Zusammenarbeit mit Spediteuren gehoben werden. Allein eine Verringerung der Prozess- und Dokumentationskosten, auf die ca. 20% der Transportkosten entfallen, hätte große Auswirkungen.

Das geht über digitale Plattformlösungen, der Austausch und die Bearbeitung der Daten muss aber effizient und manipulationssicher funktionieren. Hier kommt die Clockchain-Technologie ins Spiel. Vereinfacht gesagt sind in jedem Datensatz (Block) der Blockchain auch Informationen des vorhergehenden Datensatzes gespeichert, die Blöcke werden kryptografisch miteinander verkettet. So wird Transaktionssicherheit gewährleistet, eine Manipulation hätte Inkonsistenzen in späteren Berechnungen zur Folge und würde somit auffallen. Auch in dezentralen Systemen kann damit sicher an den gleichen Datensätzen gearbeitet werden. In der Schifffahrt sind 2018 die ersten Blockchain-Projekte erfolgreich gestartet worden – in ganz verschiedenen Bereichen.

Maersk hatte sich Anfang des Jahres mit IBM zusammengetan und TradeLens entwickelt. Die Blockchain-Lösung adressiert viele der kostspieligen, manuellen und ineffizienten Prozesse, die sich auf den weltweiten Güterverkehr und globale Lieferketten auswirken. Ziel ist eine höhere Transparenz und Effizienz.

Basierend auf der Blockchain-Technologie von IBM bietet TradeLens eine Informationsplattform für Versanddaten, Dokumente, Zollanmeldungen und IoT-Daten (Internet of Things). Verlader, Reedereien, Spediteure, Hafen- und Terminalbetreiber sowie Binnenverkehrs- und Zollbehörden können mit TradeLens in Echtzeit auf diese Informationen zugreifen und damit »sicher, effizient und vertrauensvoll« zusammenarbeiten, wie es heißt. Sie sind außerdem in der Lage, IoT- und Sensordaten zu nutzen, etwa zur Temperaturkontrolle von verderblichen Gütern oder beim Containergewicht.

Maersk konnte zum Start von TradeLens Anfang August bereits vermelden, dass sich 94 Organisationen entschlossen haben, das System zu nutzen, darunter Spediteure, Häfen, Zollbehörden, Banken, Logistikdienstleister und Unternehmen, die ihre Waren weltweit versenden.

Mit Hilfe smarter Blockchain-Verträge ermöglicht TradeLens beispielsweise die digitale Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen am internationalen Handel beteiligten Parteien. Das Handelsdokumentmodul, das im Rahmen eines Beta-Programms unter dem Namen ClearWay veröffentlicht wurde, ermöglicht Maersk zufolge Importeuren und Exporteuren, Zollagenten, vertrauenswürdigen Dritten wie dem Zoll, anderen Regierungsbehörden und Nichtregierungsorganisationen die Zusammenarbeit bei unternehmensübergreifenden Geschäftsprozessen und beim Informationsaustausch – alles unterstützt durch einen sicheren, nicht widerlegbaren Prüfpfad.

Mehr als End-to-End-Verfolgung

Eine sichere digitale Transportabwicklung und Verfolgung wurde im Juli auch in Australien getestet. Ende Juli meldete die Commonwealth Bank of Australia (CBA) den Erfolg eines Blockchain-Versuchs für einen Transport von Mandeln zwischen Melbourne und Hamburg mit der Reederei OOCL. Die Lösung kombinierte Distributed-Ledger-Technologie und IoT-Anwendungen, um den Transport vom Verpacker bis zum Bestimmungsort zu verfolgen. Die CBA und OOCL arbeiteten mit dem Landwirtschaftsunternehmen Olam Orchards Australia, Pacific National für Bahntransporte, dem Port of Melbourne, dem Stauer Patrick Terminals zusammen. Der australische IoT-Anbieter LX Group verantwortete den Hard- und Software-Support.

Die Plattform digitalisiert den Entwicklern zufolge drei Schlüsselbereiche des Welthandels: Betrieb, Dokumentation und Finanzen. Über vier IoT-Geräte konnten die Partner den Standort der Sendung sowie Bedingungen wie Temperatur und Luftfeuchtigkeit im Inneren des Containers einsehen und verfolgen. Auf der Dokumentationsebene ermöglicht die Blockchain den Partnern das Hochladen und den Zugriff auf wichtige Dokumente wie Frachtbriefe, Ursprungszeugnisse und andere vom Zoll benötigte Dokumente.

Transparenz bei Bunkerung

Nach Unregelmäßigkeiten bei Kraftstofflieferungen und den jüngsten Berichten über kontaminierte Schiffskraftstoffe in wichtigen Bunkerregionen wie Houston und Singapur – zum Teil mit Maschinenausfällen als Folge – wurden die Forderungen lauter, aufseiten der Geschäftsprozesse auf Blockchain zu setzen. Hier ist das Ziel Transparenz, um zu sehen, woher der Kraftstoff kommt, durch wessen Hände eine Ladung gegangen, wie die Lagerungsbedingungen waren, wie und was abgerechnet wurde etc. Ab 2020, wenn das neue weltweite Schwefellimit der IMO gilt, wird dieser Herkunftsnachweis zusätzlich wichtig. Würden im Zuge einer Hafenstaatkontrolle dann an Bord eines Schiffs nicht-konforme Kraftstoffe festgestellt, könnte der Herkunftsnachweis wichtig werden, um Strafen abzuwenden.

Im September hatte der Bunkerlieferant GoodFuels Marine, der auf kohlenstoffarme Schiffskraftstoffe spezialisiert ist, ein Blockchain-basiertes Verfahren für eine Bunkerlieferungen an ein Samskip-Schiff in Rotterdam eingesetzt. Die übliche Bunker Delivery Note (BDN) als Papierdokument wurde durch ein Blockchain-Verfahren, sogenannte verteilte digitale Buchführung (Distributed Digital Ledger), ersetzt. Das zusammen mit Experten von Blockchain Labs for Open Collaboration (BLOC) entwickelte Verfahren erlaubt laut GoodFuels eine lückenlose Rückverfolgbarkeit von Bunkervorgängen auf See, von der Lagerung über Bunkerbarge oder -Steg bis hin zum Kraftstofftank des Schiffs. Für maritime Anwendungen hat BLOC die Maritime Blockchain Labs mit verschiedenen IT-Experten und Schifffahrtsakteuren gestartet.

Dirk Kronemeijer, CEO und Gründer von GoodFuels Marine: »Zu lange war die Schifffahrt auf Papiertransaktionsnotizen beim Bunkern angewiesen, wodurch Reeder, Verlader und Charterer potenziell über die Qualität und Quantität des Kraftstoffs in die Irre geführt werden konnten. Bei GoodFuels sind wir stets bestrebt, mit Konventionen zu brechen – nicht zum Selbstzweck, sondern weil es in dieser Zeit kein technologisches Hindernis gibt, den Kunden mehr Sicherheit zu bieten.« Zudem sei es für GoodFuels als Anbieter mariner Biokraftstoffe besonders wichtig, durch die bessere Transparenz Vertrauen zu schaffen.

GoodFuels ist Teil eines Blockchain-Konsortiums aus Lloyd’s Register, Precious Shipping, Bostomar, BIMCO und International Bunker Industry Association (IBIA), das an Lösungen für die Bunkerindustrie arbeitet.

Chance fĂĽr Versicherer

Zusammen mit Industriepartnern, darunter A.P. Møller-Maersk, haben Ernst & Young und Guardtime im Mai die erste Blockchain-Plattform für die Transportversicherungsbranche präsentiert. Sie verbindet Kunden, Makler, Versicherer und weitere Partner. Die Plattform kann Daten über Vermögenswerte von mehreren Parteien pflegen, Daten mit Versicherungsverträgen verknüpfen, Informationen empfangen und darauf reagieren, Assets, Transaktionen und Zahlungen miteinander verbinden sowie Schadensmeldungen erfassen und auswerten.

Damit verschaffe die Blockchain-Plattform der Versicherungsbranche enorme Vorteile, heißt es. Sie führe bisher getrennt gespeicherte Daten und Prozesse zusammen, um das Risiko von Abstimmungsdifferenzen und Fehlern zu minimieren. Versicherer könnten außerdem ihre Kapitalausstattung verbessern und Effizienzvorteile erzielen.
Felix Selzer