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Die »maritimen Kanzleien« sehen für die Schifffahrt zum Teil große Hürden in regulatorischen Angelegenheiten, die mehr Aufmerksamkeit bedürfen. Schlagworte sind Sanktionen, Datenschutz und Geldwäsche. Von Michael Meyer

Auch in diesem Jahr hat die HANSA wieder eine kleine Umfrage unter den hiesigen Kanzleien durchgeführt. Ein Ergebnis aus Sicht[ds_preview] derer, die teilgenommen haben: Neben der Konsolidierung, die weiter viele Schifffahrtstreibende umtreibt, sollten Aspekte wie Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO), Sanktionen und Transparenzregister weit oben auf der Agenda stehen – bei manchem höher als es aktuell der Fall ist. Auch die Digitalisierung, und damit einhergehend neue Geschäftsmodelle sind nach wie vor ein wichtiges Arbeitsgebiet.

Die Zuversicht der Schifffahrt ist im Sommer zwar insgesamt leicht gesunken, wie die jüngste Erhebung der Beratungsfirma Moore Stephens ergab. Allerdings erreichten die Werte bei Schiffseignern und Charterern Höchstwerte. Dennoch: Die Besorgnis über geopolitische Faktoren dominieren, die Sorgen betreffen insbesondere die Bemühungen von US-Präsident Trump um eine Umgestaltung der Handelsbeziehungen. Doch auch in Europa gibt es (regulatorische) Herausforderungen.

Bei der Kanzlei Ahlers & Vogel hat in den vergangenen zwölf Monaten das Thema Compliance im Sinne der Umsetzung der DSGVO »den wahrscheinlich größten Raum« in Anspruch genommen. Insbesondere in der Bereederung bestand und besteht nach Ansicht von Jan-Erik Pötschke und Martin Rosenzweig immer noch großer Handlungsbedarf bei der Integration der Verordnung in den Tagesbetrieb und die begleitenden Vertragswerke. Betroffen sind vor allem Bereederungsverträge und Crewing-Vereinbarungen. Die beiden Experten erwarten allerdings, dass dieses Thema in den nächsten zwölf Monaten von abnehmender Relevanz sein wird.

Auch die globalen Handelskonflikte bzw. Sanktionen waren und werden »immer ein Thema« sein. »Unter dem Aspekt der aktuell vorherrschenden Sprunghaftigkeit selbst der globalen Politik lässt sich allerdings kaum prognostizieren, welchen Umfang die Fragestellungen dazu annehmen werden«, so Pötschke und Rosenzweig. Zu konstatieren sei jedoch, dass dieses Thema nicht nur auf operativer Ebene eine Rolle spielt, sondern auch für die finanzierenden Banken oder Investoren von großer Bedeutung ist. Nach Ansicht der Anwälte liegt es auf der Hand, dass speziell Investoren aus den USA besonders stringente Anforderungen an ihre Vertragspartner stellen. Das bereite in der Praxis häufig erhebliche Schwierigkeiten. »Hier ist es die Kernaufgabe, die richtige Balance zwischen Rechtssicherheit und Machbarkeit zu finden. In diesem Zusammenhang – und hier schließt sich der Kreis zur Compliance – bestehen erhöhte Anforderungen für die Umsetzung von Know-Your-Customer-Regeln.«

Für einen Ausblick komme es darauf an, wie es auf globaler Ebene etwa im Hinblick auf Nordkorea, den Iran, Syrien und China weitergeht: »Verschärft sich der Handelsstreit mit China, kann dies sowohl im Bereich Warentransport als auch Schiffbau die deutsche maritime Industrie betreffen.« Ebenso wichtig werde es sein, welches Ergebnis die »Brexit«-Verhandlungen zeitigen. Zeichnet sich tatsächlich ein harter Austritt Großbritanniens aus der EU ab, werde es allen Parteien obliegen, den operativen Betrieb im Hinblick auf die Kompatibilität zu der neuen Situation zu überprüfen und gegebenenfalls Anpassungen vorzunehmen. Das betreffe insbesondere das Landpersonal – Stichwort Aufenthalts- und Arbeitsgenehmigungen – und wird ebenso die Frage von möglichen zeitlichen Verzögerungen im Schiffsbetrieb betreffen.

Esther Mallach von der Kanzlei Arnecke Sibeth Dabelstein hat sich zuletzt ebenfalls mit Compliance- und Sanktions-Themen beschäftigt. Dabei ging es um die Umsetzung der DSGVO und die Problematik sekundärer Sanktionen nach dem Rückzug der USA aus dem Atomabkommen mit dem Iran sowie der Neufassung der EU-Verordnung »zum Schutz vor den Auswirkungen extraterritorial wirkender Sanktionen von Drittländern« (Blocking Statute). Handlungsbedarf für die Schifffahrt sieht sie vor allem im Bereich der Digitalisierung und Datensicherheit. Im Bereich der Sanktionen sei zudem »höchste Sorgfalt« im Spannungsfeld zwischen US-Maßnahmen und dem EU-Blocking-Statute gefordert – zumal sie erwartet, dass diese Aspekte künftig mehr Gewicht bekommen werden.

»Im Datenschutzbereich wird es nach Einführung der DSGVO im Mai die ersten Überprüfungen durch die Behörden geben, die ersten Bußgelder und Gerichtsentscheidungen. Der Sanktionsbereich wird wegen der politischen Lage an Bedeutung zunehmen«, so Mallach.

In einem gemeinsamen Statement berichten Dirk Blömer, Matthias Wittschen, Jakob Hoffmann-Grambow, Sabine Rittmeister und Klaus Ramming aus der Kanzlei Lebuhn & Puchta über »besondere Probleme« der vergangenen Monate bei komplexen Rechtsverhältnissen zwischen Zulieferern und Reedern. »Auch allgemeine, nicht-schifffahrtsspezifische Regelwerke, die Unternehmen wachsende Pflichtenkataloge auferlegen – etwa DSGVO und Geldwäscheprävention – sind für Unternehmen der Schifffahrtsbranche eine zunehmende Herausforderung«, heißt es.

Nur »relativ wenige Unternehmen« hätten interne Compliance-Regeln oder gar Compliance Management-Systeme, wie sie in anderen Branchen mittlerweile üblich sind, um Rechtsverstöße zu vermeiden bzw. frühzeitig aufzudecken. An dieser Stelle sehen die Anwälte »erheblichen Nachhol- und damit auch Beratungsbedarf«, der sich nicht auf rechtliche Fragen beschränkt, sondern die wirtschaftlichen Besonderheiten der Schifffahrtsbranche berücksichtigen muss.

Entsprechend erwartet man bei Lebuhn & Puchta, dass dieses Thema in den kommenden Monaten wichtiger wird: »Die maritime Compliance und die Sensibilität vieler Unternehmen für das Thema stehen noch am Anfang. Fälle aus jüngerer Zeit zeigen, dass eine vorausschauende Compliance-Organisation erhebliche Schäden und Imageverluste abwenden kann. Wer als Gesellschaftsorgan die Einrichtung einer geeigneten Compliance-Organisation unterlässt, kann zudem persönlich haften – Stichwort Geschäftsführer- bzw. Vorstandshaftung.«

Bezüglich handelspolitischer Sanktionen stünden nach wie vor die zahlreichen europäischen Embargo-Vorschriften im Mittelpunkt, »die über das Außenwirtschaftsgesetz und die Außenwirtschaftsverordnung nicht nur zu zivilrechtlicher Haftung, sondern auch zu strafrechtlichen Folgen führen können«. Darüber hinaus spielen auch die Sanktionen insbesondere gegen Russland und den Iran eine Rolle. Hier gehe es oftmals um das schwierige Nebeneinander dieser Sanktionen im Verhältnis zu den konkurrierenden EU-Freistellungsregelungen, mit denen die Folgen von Verstößen gegen US-Embargos abgewendet werden sollen.

Mit Blick auf Embargo-Vorschriften und zollrechtliche Bestimmungen kann man nach Ansicht der Anwälte nicht häufig genug appellieren, »dass diesen Fragen große Aufmerksamkeit zu widmen ist«. Gänzlich neuer Beratungsbedarf könne sich im Hinblick auf die wechselseitig verhängten Strafzölle der US-Administration und der chinesischen Regierung ergeben. Hier bleibe allerdings die weitere Entwicklung abzuwarten.

Christoph Hasche von Fleet Hamburg berichtet Beratungen im Zusammenhang mit Vertragsabschlüssen, die die generelle Anwendbarkeit von Sanktionen auf die Vertragspartner und auf die geplanten Reisen sowie die Versicherungsdeckung betrifft. Bei bereits laufenden Verschiffungen sei zumeist eine sehr zügige Prüfung erforderlich, ob diese konkrete Verschiffung im Hinblick auf die transportierte Ware, den Shipper oder den Empfänger gegen Sanktionen verstößt.

»Viele Reedereien oder Charterer gehen zu leichtfertig mit dem Thema um und sind sich des Risikos hoher Strafen nicht bewusst, welches sie bei Verletzung insbesondere von US-Sanktionen eingehen«, kritisiert Hasche. Es werde zwar zunehmend erkannt, dass Berührungspunkte mit dem Iran zu Problemen führen können aber die zahlreichen Embargos und Sanktionen der USA und der EU gegen andere Nationen sowie die jeweils eigenen Sanktionen dieser Nationalstaaten würden aber zumeist kaum beachtet.

Seiner Meinung nach werden die Herausforderungen zunehmen – aufgrund der kritischen weltpolitischen Lage und den damit einhergehenden Handelskonflikten. »Erst jüngst traten die gegen die Türkei erlassenen Sanktionen in Kraft. Zwar gelten diese zunächst nur für US-Bürger. Den wenigsten ist jedoch bewusst, dass beispielsweise Beschäftigte mit doppelter Staatsbürgerschaft ebenfalls davon betroffen sind und so ungewollt das Unternehmen gegen Sanktionen verstoßen könnte.«

Oliver Rossbach von der Kanzlei Pier 11 meint, die schon immer hohen aufsichtsrechtlichen Vorgaben für Reedereien seien nochmals gestiegen – und damit die zur Umsetzung der »Regelungsflut« erforderlichen Betriebs- und Investitionskosten. Der Umgang mit Rechtsthemen erfolgt aus seiner Sicht generell »teils (zu) nachlässig«.

Nach dem Rückzug der USA aus dem Atomabkommen mit dem Iran geht seiner Wahrnehmung nach die »klare Tendenz« in Richtung Rückzug aus dem Iran-Geschäft.

Neben harten rechtlichen Fragestellungen meint man bei Pier 11 zu beobachten, dass die maritime Branche die Notwendigkeit des Umbaus traditioneller Unternehmensstrukturen erkannt hat, »auch wenn sie in der Umsetzung anderen Branchen hinterherhinkt«. Man sehe etwa neue Geschäftsmodelle von Start-ups in Form von digitalen Speditionen, digitalem Schiffsmanagement sowie innovativen Handelsplattformen. Auch traditionelle Reedereien beschäftigen sich mit digitalen Ansätzen. »Die Veränderung bestehender Prozesse und ganzer Geschäftsmodelle mit Blick auf die Chancen und unter Einsatz digitaler Technologien – dies ist auch für die maritime Branche das Megathema schlechthin. Es wird eine Flut spannender Investitions-, Kooperations- und Finanzierungsprojekte auslösen«, sagt Rossbach.

In der Kanzlei Schackow & Partner sieht man im Inkrafttreten der DSGVO große Relevanz. »Neben den allgemeinen Dokumentationsthemen Datenschutzerklärung, TOMs, Auftragsverarbeitungsvereinbarung, Verarbeitungsverzeichnis, Verschwiegenheitsverpflichtung der Mitarbeiter bzw. interne Datenschutzrichtlinien geht es in der Schifffahrt nach Ansicht von Kai Busch auch um speziellere Themen wie insbesondere »grenzüberschreitende Verarbeitung«.

Der Umgang mit personenbezogenen Daten von Besatzungsmitgliedern und Passagieren in fernen Ländern, deren Datenschutzniveau nicht dem der EU entspricht, berge Risiken, die umschifft werden müssten, um erhebliche Bußgelder zu vermeiden. »Es fehlen zurzeit noch verlässliche Anhaltspunkte, wie streng die Gerichte die neuen Vorschriften anwenden werden. Umso wichtiger ist es, die Anforderungen zu erfüllen, bevor die Behörde vor der Tür steht. In unserer Wahrnehmung haben viele Marktteilnehmer hier noch erheblichen Nachholbedarf, der nicht mehr auf die lange Bank geschoben werden darf«, so Busch.

In Bezug auf die globalen Handelskonflikte und Sanktionen haben laut seiner Kollegin Doris Kostka ein umfangreicher Katalog an Prüfungspflichten – als Standardklauseln – auch in rein deutsche Verträge Einzug genommen. »Diese bereits im Vorfeld individuell anzupassen, ist vor dem Hintergrund der Vertragslaufzeiten, dem weltweiten Einsatz von Schiffen sowie der Veränderung der maßgeblichen Regelungen nur bedingt umsetzbar«, sagt sie.

Bei Schiffsverkäufen, welche häufig in US-Dollar abgewickelt werden, stelle sich zudem in der Praxis immer wieder das Problem, dass Kaufpreiszahlungen aufgrund nur vermeintlicher Verstöße gegen Sanktionsregelungen eingefroren und nur mühsam oder verzögert wieder freigegeben werden. Dies führt einerseits zu teilweise nicht unerheblichen Verzögerungen »und damit zu Störungen im Betrieb, Zinsverlusten etc«.

Laut Klaas Borchert, ebenfalls von Schackow & Partner, sind Fragen der Geldwäsche mit der Einführung des Transparenzregisters verstärkt in den Fokus gerückt. »Im Finanzierungsbereich sind die Identifikations- und Nachforschungspflichten längst Routine, aber die Pflicht für deutsche Gesellschaften und deren Geschäftsführer, dafür Sorge zu tragen, dass die wirtschaftlich Berechtigten aus einem elektronisch abrufbaren Register ersichtlich sein müssen, stellt eine neue Qualität dar«, meint er. Das zuständige Bundesverwaltungsamt habe bereits erste Bußgeldbescheide versandt. »Selbst bei bloß fahrlässigem Handeln kommt es zu Bußgeldern in Höhe von mehreren zehntausend Euro. Hier gilt es die Sensibilität weiter zu schärfen, da fortgesetzte Verstöße zu noch deutlich größeren Bußgeldern führen können«, so Borchert.

Bei Watson Farley & Williams sind – neben Konsolidierungsfragen, die die Kanzlei »auch weiterhin beschäftigen wird« und die, etwa bei Joint Ventures von Reedereien und Investoren, an Intensität gewinnen – Sanktionen ebenfalls ein wichtiges Thema. »Dazu haben wir ein Team im Büro in Hamburg, das gerade aufgrund der Herkunft einer unserer Partner intensiv für unsere Mandanten bei Transaktionen mit und im Iran tätig ist«, sagt Christian Finnern. Generell nehme man aus der maritimen Wirtschaft vermehrt eine Nachfrage nach öffentlich-rechtlicher Beratung wahr. Dabei wachse die Bedeutung des Themas Compliance immer weiter.

Diese Entwicklungen finden sich laut Finnern auch in der schiffsfinanzierungsrechtlichen Beratung wieder. Man sei regelmäßig gefragt, damit zusammenhängende Aspekte in der darlehensvertraglichen Dokumentation abzubilden. Daneben spielen auch bestehende Finanzierungsverträge und deren Auslegung eine wichtige Rolle. So stelle sich bei Anteilsverkäufen stets die Frage nach Restriktionen zu einem »Change of Control«.


Michael Meyer