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Am Nord-Ostsee-Kanal wird bald gefeiert. Am 21. Juni 2020 jährt sich der Tag der Eröffnung zum 125. Mal. Die Wasserstraße präsentiert sich jedoch in einem Zustand, der Reedern, Befrachtern und auch Hafenmanagern Sorgen bereitet.

Lange Wartezeigen und stockende Planungen behindern die Schifffahrt. »Der Nord-Ostsee-Kanal ist eine der Hauptverkehrsadern Nordeuropas. Die deutsche Wirtschaft[ds_preview] braucht einen voll funktionsfähigen und gut ausgebauten Nord-Ostsee-Kanal«, sagt Norbert Brackmann (CDU), Maritimer Koordinator der Bundesregierung.

Insgesamt stehen deshalb fünf große Projekte auf der Agenda der Schifffahrtsverwaltung. Der Bau einer fünften Schleusenkammer in Brunsbüttel, die Begradigung der Oststrecke zwischen Kiel und Königsförde, der Neubau der Levensauer Hochbrücke, der Ersatzbau der beiden kleinen Schleusen in Kiel-Holtenau und die Vertiefung des Kanals um einen Meter. »Dafür sollen 1,7 Mrd. € investiert werden«, sagt Hans-Heinrich Witte, Präsident der Generaldirektion Wasserstraßen- und Schifffahrt (GWDS).

Bereits begonnen wurde 2014 der Bau einer dritten großen Kammer in Brunsbüttel. Mit 360m Länge und 45m Breite ist für die zukünftigen Generationen geeignet. Für größere Schiffe ist kein Bedarf, da die zehn Kanalbrücken mit 40m Mastenhöhe ein »natürliches« ­Limit setzen.

Zusätzlich zu diesem Bauprojekt erfolgt auf dem Ostende des Kanals bei Kiel eine Verbreiterung von drei Kurven sowie der Ersatzbau der Levensauer Hochbrücke in Vorbereitung. Hierfür stehen rund 300Mio. € bereit. Diese beiden Bauprojekte sind planfestgestellt und sollen 2019 zur Ausschreibung kommen. Die neue Levensauer Brücke soll 2024 für den Straßen- und Schienenverkehr freigegeben werden. Der Ausbau der Kurven soll bis 2027 beendet sein.

Als viertes Großprojekt befindet sich in Kiel der Ersatzneubau der kleinen Schleusen in Planung. Die 1895 eingeweihten Schleusen wurden 2014 für so baufällig erklärt, dass sie abgerissen werden müssen. Die Ausschreibung dieser Baumaßnahme erfolgt dem Planfeststellungsverfahren frühestens 2021. Auch hier wurde eine Finanzierung der Baumaßnahme in den Bundeshaushalt eingebracht.

Diese Finanzierungszusage fehlt nur noch bei der fünften Baumaßnahme am NOK. Das ist die Vertiefung des 98km langen Kanals. Durch Ausbaggerung soll erreicht werden, dass der zulässige Maximaltiefgang der Schiffe von heute 9,5 auf dann 10,5m erreicht werden kann.

Kräftig gebaut wird derzeit aber nur in Brunsbüttel. Am Westausgang des Kanals ist der Sanierungsstau besonders groß. 2013 war es dort erstmals seit Kriegsende zum Ausfall beider großen Kammern gekommen. Fast zwei Wochen lang war der Kanal für Schiff mit einer Länge von über 120m gesperrt. »Das soll nicht wieder vorkommen. Wir können zusagen, dass auch während der Bauzeiten immer mindestens eine große Schleusenkammer pro Seite für die Schifffahrt zur Verfügung steht«, sagt Witte.

Mit Blick auf den Neubau der 5. Schleusenkammer in Brunsbüttel bestätigte Witte die Verzögerungen. »Es dauert länger und es wird teurer als 2014 bei der Vergabe veranschlagt.« Die Gründe, weshalb der Bau in Brunsbüttel dennoch hinterm Plan liege, sei auch das Recht der Anwohner auf Ruhe und der Schutz umliegender Bauwerke. Ein anderes Problem sei die Art der Vergabe, räumt Witte ein.

»Wenn ein Auftrag vergeben wurde, beginnt erst einmal der Streit über die Interpretation des Bauvertrags. Ist der Auftrag überhaupt für das Bauunternehmen auskömmlich? Das ist leider ein äußerst unerfreulicher Zustand für beide Seiten«, so der WSD-Vertreter. 2014 war als Verkehrsfreigabe 2021 geplant. »Wir haben einen Verzug von etwa zwei Jahren. Und da wird auch noch einiges dazu kommen.« Nach vier Jahren Bauzeit hat sich deshalb der vereinbarte Baupreis von 480Mio. € fast um ein Drittel erhöht.

Priorität solle zukünftig die zügige Abarbeitung von Projekten bekommen. »Wir werden in Zukunft auch in der WSV mehr Aufgaben an private Unternehmen übertragen. Dabei werden Planung und Bauausführung auch vollständig an den Auftragnehmer übergeben«, so Norbert Brackmann. Vorbilder für diese Änderung bei der Bauvergabe gebe es im Straßenbau in Deutschland. »Bei der WSV verbleibt dann die Kontrolle, Bauaufsicht und Vertragsabwicklung«, so Brackmann.

Es wird aber auch dringend Personal für die Behörden gesucht. »Wir haben in Hamburg deshalb einen Studiengang mit elf Professorenstellen eingerichtet. Der WSV stehen hier jedes Jahr 20 Studienplätze zur Verfügungq, so Brackmann.

»Die Planfeststellungsverfahren haben sich immer wieder weiter verlängert. Beschlüsse mit 2.000 Seiten und einer Verfahrensdauer von acht bis zehn Jahren sind leider keine Seltenheit«

Gleichzeitig müsse man auch die Planungsverfahren angehen. »Die Planfeststellungsverfahren haben sich immer wieder weiter verlängert. Planfeststellungsbeschlüsse mit 2.000 Seiten und einer Verfahrensdauer von acht bis zehn Jahren sind leider keine Seltenheit«, so Brackmann.

Bei der Umsetzung von Großbauvorhaben wolle man auch von den Niederlanden lernen, wo ähnliche Großprojekte wesentlich schneller umgesetzt werden. »Wir schauen da genau hin«, so Witte. Die Niederländer hätten aber auch kleine Vorteile. »Das fängt schon bei Sprache an. Das Wort Verbreiterung hört sich im Niederländischen mit Verbredering wesentlich freundlicher an.«

Bei der Schifffahrt ist der Nord-Ostsee-Kanal weiter von hoher Bedeutung.

Tim Ulrich Niebergall von der Containerreederei Unifeeder stellte klar, dass der Kanal auch weiter genutzt wird. »Ein Großteil unserer Schiffe ist für den Kanal geeignet. In den vergangenen zwölf Monaten haben unsere Schiffe 1.700 Kanalpassagen absolviert. Damit sind wir einer der größten Nutzer des Kanals«, so Niebergall.

Für die Reederei sind deshalb die Wartezeiten vor den Schleusen ein Problem: »Bei Verspätungen versuchen wir alles, um in den Fahrplan zurückzukommen. Probleme im Kanal sind schlecht für Hamburg«, so Niebergall und verwies auf die Umfahrung des Kanals via Skagen. »Für Abfahrten ab Hamburg bedeutet das eine dauert 15 bis 16 Stunden längere Fahrtzeit. Es müssen 1200 statt 736sm zurückgelegt werden und 30% mehr Treibstoff zurückgelegt werden. Der Nord-Ostsee-Kanal ist deshalb lebenswichtig für den Hamburger Hafen«, so Niebergall.

Mit Blick auf die Entwicklung bei den Neubauten, räumte auch Niebergall ein, dass es bald auch in der Containerfahrt Schiffstypen geben wird, die für den Kanal auch im ausgebauten Zustand zu groß seien wird. »Es wird aber immer Schiffe geben, die den Kanal brauchen«, so Niebergall.
Frank Behling