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Die Offshore-Windenergie ist Gegenstand zahlreicher Forschungsprojekte. Doch die Anbindung an die Industrie soll verstärkt werden. Auch Subventionen spielen eine Rolle in der Debatte.

Fast neun Jahre ist es jetzt her, dass mit dem Testfeld »alpha ventus« Deutschlands erster Offshore-Windpark offiziell den Betrieb[ds_preview] aufgenommen hat. Damit fiel zugleich auch der Startschuss für die deutsche Offshore-Windparkforschung: Unter dem Dach der vom Bundeswirtschaftsministerium geförderten und vom Fraunhofer-Institut für Windenergiesysteme (IWES) koordinierten Forschungsinitiative »RAVE« (Research at alpha ventus) befassten sich seither knapp 60 Projekte, von denen die meisten inzwischen abgeschlossen sind, mit Grundlagen- und Detailfragen rund um die Stromerzeugung im Meer. Der große Vorteil dabei: Die Wissenschaftler konnten mit Realdaten aus einem tatsächlich existierenden Windpark arbeiten und leisteten mit ihren Forschungen einen wesentlichen Beitrag zum heutigen Knowhow der Branche.

Zur Diskussion aktueller Erkenntnisse hatte das IWES kürzlich zur nunmehr dritten Forschungs- und Entwicklungskonferenz »Offshore Wind R&D Conference 2018« nach Bremerhaven eingeladen. Zum zweiten Mal nach 2015 ging es dabei nicht nur um Inhalte aus der RAVE-Initiative, sondern vor allem auch um davon unabhängige Projekte aus der nationalen und internationalen Forschung. Gut 150 Teilnehmer aus zehn Ländern, jeweils zur Hälfte aus Forschung und Industrie, waren angereist, um sich in zwölf Sessions über ein breites Spektrum wissenschaftlicher Themen auszutauschen. Neben klassischen Schwerpunkten wie Windenergieanlagen, Tragstrukturen, Installation, Umwelteinflüsse oder Geologie standen zum ersten Mal auch drei Sessions zum Betrieb von Offshore-Windparks auf dem Programm.

Weitere Innovationen nötig

Die Industrie braucht Input aus der Forschung und Entwicklung, um wirtschaftliche und verlässliche Offshore-Windparks bauen zu können – und zugleich braucht die Forschung klare Ansagen aus der Industrie, welche Bedarfe diese hat: Das wurde gleich zu Beginn der Konferenz deutlich. »Forscher haben eine Tendenz, manchmal über verrückte Dinge nachzudenken«, berichtete Jan Wenske, stellvertretender Institutsleiter des IWES. »Darum brauchen sie etwas Anleitung: Gerade in der Windenergie ist Forschung ohne Anleitung durch die Industrie wenig sinnvoll.«

Aktuelles Beispiel aus der Praxis: Wenn in einigen Jahren tatsächlich subventionslose Offshore-Windparks gebaut werden sollen, müssen bis dahin noch diverse Innovationen bis zur Praxisreife entwickelt werden – von leistungsstärkeren Turbinen über längere Rotorblätter bis hin zu tragfähigeren Fundamenten. Thomas Hjort von Vattenfall bewertete die jüngsten Offshore-Ausschreibungen in Deutschland und den Niederlanden, bei denen Projekte ohne staatliche Förderung den Zuschlag erhalten hatten, positiv. Die Auktionen machten nicht nur neue Technologien möglich, sondern sorgten angesichts der erreichten Kostensenkungen auch für ein positives Bild der Offshore-Windenergie in der Öffentlichkeit, so Hjort. Etwas zurückhaltender ist Achim Berge Olsen vom Bremer Windparkentwickler WPD. Es sei noch kein subventionsloser Offshore-Windpark gebaut worden, bisher gebe es dafür nur die Zuschläge – für die mit Turbinengrößen kalkuliert worden sei, die es in der Praxis ebenfalls noch nicht gebe. Er sehe darin ein gewisses Risiko, machte Berge Olsen klar: »Wenn etwas schnell entwickelt werden muss, erhöht sich die Gefahr für Fehler.«

Von der Theorie in die Praxis

Diese Fehler zu verhindern, will die Forschung auch in Zukunft ihren Beitrag leisten. Dass sie nicht nur bei der Entwicklung von Komponenten und beim Bau der Windparks wertvolle Hinweise liefern kann, sondern auch in der Betriebsphase, wurde ebenfalls bei der Konferenz deutlich. So stellten die Wissenschaftler beim Thema Ermüdung und Zuverlässigkeit von Strukturen diverse Ansätze vor, mit denen sich die Lebensdauer von Anlagen verlängern – und damit letztlich ihre Wirtschaftlichkeit verbessern – lässt. Als einer der zentralen Punkte zeigte sich dabei das Monitoring: Durch die regelmäßige Kontrolle von Komponenten und Leistungsdaten lassen sich mögliche Fehlerquellen frühzeitig erkennen und abschalten, was die Windparkbetreiber dank entsprechenden Inputs aus der Forschung inzwischen auch zunehmend so umsetzen.

Ein weiteres Beispiel, welche Relevanz die Theorie für die Praxis haben kann, stellte IWES-Experte Martin Dörenkämper vor: Für die Kalkulation in der Betriebsphase soll der vom IWES für die Deutsche Bucht entwickelte Windindex »FROENIX« (Fraunhofer IWES Offshore Wind Energy Index) eine hilfreiche Unterstützung sein. Vor dem Hintergrund des wachsenden Offshore-Ausbaus stellt sich für Windparkbetreiber in Phasen von reduzierten Energie-Erträgen die Frage: Erzeugen die Anlagen gerade weniger Strom, weil die natürlichen Windressourcen vorübergehend nicht mehr hergeben, weil andere Parks in der Nähe das Windfeld negativ verändern oder weil es vielleicht technische Probleme im Park gibt? »Durch einen Vergleich der Produktionsdaten mit dem Windindex lässt sich einschätzen, welche Energieverluste ihren Ursprung in umliegenden Windparks oder anderen nicht-natürlichen Quellen haben«, erläuterte Dörenkämper. Um den Index erstellen zu können, führten die Wissenschaftler umfangreiche numerische Simulationen durch, die sie anschließend mit Messdaten verglichen und kalibrierten. Die Betreiber haben damit nun ein Instrument in der Hand zu beurteilen, ob ihr Park die Erwartungen erfüllt – und gegebenenfalls eine Neubewertung durchzuführen, wenn sie zum Beispiel Anteile an dem Projekt verkaufen wollen.

Kostensenkungen möglich

Mitorganisator Bernhard Lange, Leiter des IWES-Bereichs Windparkplanung und -betrieb, zeigte sich zufrieden mit dem Verlauf der Konferenz. Besonders erfreut sei er über die rege Teilnahme der Industrie: »Es ist deutlich geworden, dass wir noch ganz viel Forschung brauchen. Von daher ist es wichtig, einen guten Austausch hinzubekommen, damit wir Wissenschaftler effizient arbeiten können.«

Eines der wesentlichen Ziele von Forschung und Entwicklung sei es aktuell, einen Beitrag zur Senkung der Stromgestehungskosten zu leisten, so Lange. Zum einen brauche es Innovation bei den Turbinen selbst, wenn sie tatsächlich im geplanten Ausmaß leistungsstärker werden und so in einigen Jahren subventionsfreie Projekte ermöglichen sollen. »Es gibt aber auch viele andere Bereiche, in denen sich noch Kosten senken lassen«, betonte er. »Zum Beispiel: Beim Betrieb von Windparks gibt es noch viel Optimierungspotenzial und viele kleine Möglichkeiten zur Verbesserung, die zusammen ein gutes Stück an der Preisschraube drehen können.«


Anne-Katrin Wehrmann