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In der Schifffahrt oft eher stiefmütterlich behandelt, steht das Thema Korrosionsschutz

im Offshore-Windsektor weit oben auf der Agenda. Mit Scrubbern holen sich die Reeder nun möglicherweise einen neuen Korrosionsherd an Bord.

Es gibt zwei Arten von Reedern, wenn es um Korrosionsschutz geht. Die einen legen besonderen Wert darauf, lassen sich sowohl[ds_preview] im Neubau- als auch im Reparaturbereich von Dienstleistern beraten, denken langfristig, was den Betrieb ihrer Schiffe angeht. Die anderen legen die Aufgabe in die Hand der Werft. »Die Werft stellt den Korrosionsschutz kostenoptimiert her, nach fünf Jahren ist sie aus der Gewährleistung und ihr kann egal sein, was mit dem Schiff passiert«, sagt Daniel Engel vom Beratungsunternehmen Corroconsult. »Da wundere ich mich manchmal, dass es tatsächlich Reeder gibt, die im Hinblick auf die Leistungsfähigkeit relativ dünne Spezifikationen akzeptieren.« Dabei sei egal, wo diese Spezifikationen herkämen, ob aus China, Japan, Korea oder Deutschland.

»Die Werften stehen heute unter großem Wettbewerbsdruck und müssen dem Kunden ein günstiges Schiff anbieten. Weil der Korrosionsschutz einen nicht unerheblichen Anteil an den Gestehungskosten hat, wird versucht, das auszureizen«, sagt der Experte. Es müssen noch nicht einmal Produkte mit schlechteren Schutzeigenschaften verwendet werden, es zählt in erster Linie das System. So kann der Rostschutz aus drei Schichten bestehen – Grundierung, Zwischenbeschichtung, Deckbeschichtung – oder aus nur zwei Schichten, vielleicht noch etwas dünner appliziert. Letztlich ist nicht zu erkennen, ob ein Anstrich in zwei oder drei Schichten aufgetragen wurde, aber vom Arbeitsaufwand und den Materialkosten her ist die Ersparnis für die Werft groß. »Das ist durchaus legitim, sagt Engel, »aber man muss sich als Kunde Gedanken darüber machen, was man kauft und vergleichen. Im Korrosionsschutz sind nun einmal Kosten gegen Leistungsfähigkeit abzuwägen, und letztere spielt oft nur eine untergeordnete Rolle.«

Ein Thema in der Schifffahrt ist und bleibt, dass der Korrosionsschutz zeitlich und technisch nicht so eingeplant wird, wie es erforderlich wäre, um ihn fachgerecht umzusetzen. Der Reeder braucht das Schiff schnell wieder, die Beteiligten stehen unter Zeit- und Kostendruck. »Die Folge sind Korrosionsschäden. Meistens sind es Verarbeitungsfehler, beispielsweise wurde im Winter gearbeitet oder zu schnell. Die gewissenhafte Planung ist eine Grundvoraussetzung, um am Ende Erfolg zu haben«, so der Experte.

Wenn der Gutachter Schiffe zu sehen bekommt, ist es für ihn schwierig nachzuvollziehen, was an Arbeiten in der Vergangenheit gemacht wurde. »Man hat ein Sammelsurium unterschiedlichster Vorgehensweisen der letzten zehn Jahre vor sich: Drei Dockungen, irgendetwas schnell gemacht, nichts dokumentiert, Schiff wieder ins Wasser. Daraus sinnvolle Maßnahmen für heute abzuleiten, ist eine Herausforderung«, fasst er zusammen und wünscht sich bessere Planung und Dokumentation. Digitale Lösungen, über die beispielsweise die Daten von Schichtdickenmessungen direkt vom Messgerät aufgenommen werden können, hält er für sinnvoll. »Die Daten existieren ja, es wird nur einfach nicht gemacht. Hier sind die Eigner nicht so sensibilisiert oder es ist einfach nicht wichtig – ganz im Gegensatz zur Maschine, wo deutlich mehr Anstrengung in Zustandsüberwachung und Instandhaltungsplanung investiert wird«, sagt Engel. »Der Korrosionsschutz ist offenbar nicht relevant.«

Ganz anders ist das in der Kreuzschifffahrt, weil hier die Ästhetik eine große Rolle spielt und das Erscheinungsbild direkt mit dem Korrosionsschutz zusammenhängt.

Offshore setzt Impulse

Während die Schifffahrt mit ihrem Zeit und Kostendruck die Korrosionsexperten vor Herausforderungen stellt, zeigen sich die Kunden am Offshore-Windmarkt ambitionierter bei der Asset-Pflege. »Auf Schiffen wird das insgesamt hemdsärmeliger gemacht, je nachdem, wie der Reeder aufgestellt ist: Entweder passiert gar nichts, bis die Klasse irgendwann meckert, oder man hat selbst den Anspruch vorbeugend etwas zu tun, um das Schiff noch länger zu betreiben«, berichtet Engel.

Im Bereich Offshore-Windenergie ist die Zustandsbeurteilung und Instandhaltungsplanung von Korrosionsschutz dagegen ein wichtiges Thema. Hier stehen nun die ersten Anlagen seit einer längeren Zeit im Wasser. Corroconsult ist intensiv mit Offshore-Windparks beschäftigt, die teilweise nun die Fünfjahresschwelle erreicht haben, an der geklärt werden muss wie der Gesamtzustand des Korrosionsschutzes zu bewerten ist und wie Umfang und Zeitpunkt der Instandsetzungsmaßnahmen zu planen sind.

Eine Offshore-Windenergieanlage kann nicht ins Dock gefahren werden, das ist eine wesentliche Herausforderung für den Windparkbetreiber, der im Gegensatz zu einem Reeder die Arbeitsumgebung nicht beeinflussen kann. Dazu kommt, die noch fehlende Erfahrung im Offshore-Bereich. Prinzipiell ist das Verhältnis von Kosten und Arbeitserfolg im Dock deutlich besser als offshore.

Um längere Wartungsintervalle zu ermöglichen, setzt man in der Offshore-Windenergiebranche zurzeit verstärkt auf Duplex-Systeme, die eine Verzinkung als Grundierung mit einer organischen Deckbeschichtung kombinieren. Damit verbessert sich die Leistungsfähigkeit des Korrosionsschutzes deutlich. »Das ist natürlich sehr teuer, aber vor dem Hintergrund der Offshore-Windanwendungen macht sich das dadurch bezahlt, dass man nicht mehr reparieren muss. So versucht man längere Standzeiten zu erreichen«, erklärt Engel.

Üblicherweise bieten reine Beschichtungssysteme eine Lebenszeit von etwas mehr als 15 Jahren, das Duplex-System erhöht dies um fünf bis zehn Jahre. Für Schiffe wäre eine derartige Veredelung mit etwa 20% Mehrkosten nicht wirtschaftlich – ein unsanftes Anlegemanöver und die teure Beschichtung wäre hinüber und müsste erneuert werden. Wieder gilt: Ein Schiff kann ins Dock, eine Offshore-Anlage nicht.

Der Sektor sorgt also für Aufträge. Beschichtungshersteller haben zu tun, ebenso Dienstleister, die den Zustand von Anlagen über und unter Wasser beurteilen – teils schon mit Drohnen – und dann den Anstrich vornehmen. Dem Experten macht aber der Verlust von Know-how in Deutschland Sorgen. Wurden früher noch auf Werften in Ostdeutschland Umspannplattformen gebaut, ist dieser Zweig nun ganz verschwunden. Für die Strukturen gibt es genaue und hohe Anforderungen, was den Korrosionsschutz angeht. Nicht nur Dienstleistungen, auch die Spezialkenntnisse sind nun nicht mehr gefragt.

Nächste Aufgabe: Scrubber

Während die Betreiber von Offshore-Windenergieanlagen gerade erst ihre Erfahrungen mit Korrosionsthemen machen, steht das für die Schiffsbetreiber im Hinblick auf eine neue Technologie noch an: Mehr und mehr Reeder setzen angesichts des 2020 anstehenden, globalen IMO-Schwefelgrenzwerts auf Abgasreinigungsanlagen, die den Schwefel mit Wasser aus dem Abgas »waschen«. Wie die Scrubber sich korrosionstechnisch schlagen, bleibt abzuwarten. »Als Korrosionsschützer sehe ich das sehr kritisch. Eine aggressivere Umgebung im Sinne des Korrosionsschutzes kann man sich fast nicht vorstellen: hohe Temperaturen, sehr niedrige PH-Werte, Feuchtigkeit als Elekrolyt. Das in den Griff zu bekommen, wird in jedem Fall eine Herausforderung sein«, sagt Engel.

Auf den Schiffen werde man sicherlich noch Erfahrungen machen müssen. »Ich kenne das Problem aber von den Anlagen an Land, die arbeiten zwar etwas anders, aber auch hier müssen sehr große Anstrengungen unternommen werden, um die Korrosion in den Griff zu bekommen«, berichtet der Berater.

Typischerweise wird der Korrosionsschutz in den Abgasanlagen weniger durch Beschichtung als durch Werkstoffauswahl realisiert. »Die Reeder und Hersteller werden hier in absehbarer Zeit vermutlich Probleme bekommen«, schätzt Engel.
Felix Selzer