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Neue Treibstoffbestimmungen ab 2020 drohen Verlagerung von Reefer-Frachtgut in Container noch zu beschleunigen. Spezial-Carrier Baltic Shipping/Cool Carriers hält mit weiteren Neubauten dagegen, schreibt Michael Hollmann.

Für die Kühlschifffahrt dürfte der Wettbewerbsdruck im Laufe dieses Jahres drastisch zunehmen. Mit dem erwarteten Anstieg der Bunkerpreise im Zuge[ds_preview] der Umstellung auf schwefelarmen Treibstoff (0,5%) per Anfang 2020 wird es den spezialisierten Carriern noch schwerer fallen, sich gegen die Containerlinien zu behaupten. Grund dafür ist der relativ hohe Verbrauch der Kühlschiffe, die zumeist deutlich kleiner als Containerfrachter sind und zudem mit höherer Geschwindigkeit fahren. Das seit Jahren niedrige Frachtratenniveau für verderbliche Ware werden viele von ihnen kaum noch durchhalten können, wenn die Kosten für Treibstoff wie befürchtet kräftig anziehen.

Laut der jüngsten »Reefer Analysis« der niederländischen Marktforschungsfirma Dynamar liegt der Durchschnittsverbrauch der Kühlschiffe über alle Größenklassen hinweg bei 3,25 kg Brennstoff pro Tonne Tragfähigkeit (tdw) gegenüber nur 2,5 kg pro tdw auf Containerschiffen. Diese Differenz wirkt sich kostenmäßig abhängig vom Treibstoffpreisniveau mehr oder weniger drastisch aus. Schätzungen zufolge wird der schwefelarme Bunker pro Tonne rund 200$ teurer sein als der heutige Treibstoff mit maximal 3,5% Schwefelgehalt. »Das Ergebnis könnte sein, dass Reefer-Reedereien sich aus dem Geschäft zurückziehen und ihre Schiffe zur Verschrottung verkaufen, weil der Betrieb für sie nicht mehr wirtschaftlich durchführbar ist«, warnt Dynamar. Aller Wahrscheinlichkeit nach stehe der Kühlschifffahrt angesichts der neuen IMO-Bestimmungen zum Schwefelgehalt eine zwei- bis dreijährige Phase intensiver Verschrottungen bevor. Bis 2030 dürfte sich die konventionelle Reefer-Flotte abermals halbieren, prognostiziert Dynamar – auf eine Gesamtkapazität von dann nur noch 87,5Mio. cbft beziehungsweise knapp 2Mio.tdw. Damit würde die konventionelle Kühlschifffahrt vollends in der Bedeutungslosigkeit versinken. 2017 entfiel auf sie immerhin noch rund ein Fünftel des weltweiten Reefer-Ladungsaufkommens, der Großteil wird schon seit rund zehn Jahren in Kühlcontainern mit Containerschiffen befördert. Die Beratungsfirma Drewry beurteilt die Perspektiven ähnlich wie Dynamar und erwartet, dass der Marktanteil der konventionellen Schiffe am Reefer-Verkehrsaufkommen bis 2022 deutlich auf 14% absinken wird.

Zweistelliges Reefer-Wachstum ?

Sollten sich die Reefer-Carrier aufgrund der Kostennachteile tatsächlich geschlossen zurückziehen, winkt den Containerlinien ein Boom, weil ihnen das Geschäft in den Schoß fiele. Einer Prognose der Maersk Line zufolge wird sich das Wachstum der globalen Kühlcontainerverkehre aus diesem Grund im kommenden Jahr auf 12% verdoppeln und 2021 sogar weiter ansteigen auf 15%. Auf der Cool-Logistics-Konferenz in Antwerpen vor drei Monaten begründete die Leiterin der Reefer-Sparte bei Maersk, Anne-Sophie Zerlang-Karlsen, diese Wachstumsschätzung ausdrücklich mit den neuen IMO-Bestimmungen. Die Absenkung der Schwefelobergrenze für Treibstoff sei »für die Schifffahrt die größte Herausforderung des Jahrzehnts – insbesondere für das Reefer-Segment«, erklärte Zerlang-Karlsen unter Verweis auf die erhöhten Verbräuche der konventionellen Schiffe.

Währenddessen treiben die Containerlinien ihre Spezialisierung im Reefer-Segment weiter voran. Galten verderbliche Waren wie Obst, Fisch und Fleisch in der Vergangenheit nur als Beiladung für die primär auf Stückgut ausgerichteten Container-Liniendienste, ziehen immer mehr Carrier inzwischen Sonderdienste für Reefer-Container auf. So betreibt Hapag-Lloyd seit Jahresanfang zusammen mit dem Spezial-Carrier Seatrade einen Karibik-Europa-Dienst mit fünf 2.500-TEU-Schiffen, den die Hamburger als »Caribbean Express Service« vermarkten. »Damit bauen wir zum ersten Mal einen ganz speziellen Dienst für Reefer-Ladung wie Bananen und Melonen auf. Die Transitzeiten und der Hafenrundlauf sind voll darauf zugeschnitten«, erläutert Gudrun Feil, Senior Director Corporate Sales. Das Angebot werde gut aufgenommen und sei saisonunabhängig. »Es gibt dafür das ganze Jahr über genug Ladung aus der Karibik heraus.«

Auch die großen integrierten Fruchthändler wie Chiquita, Dole und Del Monte, die eigene Flotten unterhalten, treiben die Containerisierung mit Hochdruck weiter voran – nach den US-Verkehren sind jetzt die Europa-Verkehre an der Reihe. Die zu Chiquita gehörende Great White Fleet hat zu Jahresanfang ihren letzten verbliebenen konventionellen Dienst umgestellt. Ihr Centram-North-Europe-Service wird jetzt auch mit eingecharterten 2.500-TEU-Containerschiffen betrieben, die ihre Ware in Vlissingen und in Sheerness löschen. Schiffsmaklern zufolge wurden die zuvor eingesetzten acht konventionellen Schiffe an ihre Eigner zurückgeliefert – je vier Einheiten an Star Reefers (Norwegen) und an Maestro (Schweiz/Dänemark). Über deren künftige Beschäftigung ist bislang nichts bekannt.

Unterdessen haben Dole und die zu Del Monte gehörende Reederei Network Shipping im vergangenen Jahr weitere Containerschiffe mit hoher Reeferkapazität bestellt, die in den nächsten zwei bis drei Jahren in Dienst gestellt werden sollen: vier für Dole und sechs für Del Monte/Network Shipping. Die Frucht-Multis befördern das ganze Jahr riesige Mengen Bananen für die eigene Vermarktung und haben so eine stabile Ladungsbasis, die sich leichter containerisieren lässt.

Konventionelle Reefer-Neubauten

Für die allgemeinen konventionellen Reefer-Carrier ohne eigene Ladung stellt sich die Situation schwieriger dar. Wohin die Reise gehen soll, ist vielen offenbar selbst nicht klar. Ein Indiz dafür ist das völlig unzureichende Neubauauftragsbuch in dem Sektor, speziell für größere Schiffe über 450.000 cbft Kapazität, die vor allem im globalen Fruchthandel eingesetzt werden. Der einzige Player, der seine Flotte mit großen konventionellen Schiffen erneuert, ist die russische Baltic Shipping mit ihren Carriern Baltic Reefers und Cool Carriers. Die Gruppe hat mit der »Cool Express« (880.000 cbft) vor ein paar Monaten das weltgrößte konventionelle Kühlschiff in Dienst gestellt, ein zweites baugleiches (»Cool Explorer«) wird Ende Februar von der japanischen Shikoku-Werft übergeben. Nach Informationen der HANSA hat Baltic Shipping die Serie nochmals erweitert und vier zusätzliche Einheiten bei Shikoku geordert, die in den nächsten Jahren in Dienst gehen sollen.

Glenn Selling, COO der Baltic-Tochter Cool Carriers, ist davon überzeugt, dass große konventionelle Frachter nach wie vor ihre Daseinsberechtigung im saisonabhängigen Exportgeschäft auf der südlichen Halbkugel haben. Als Beispiele nennt er Kiwis ex Neuseeland, Zitrusfrüchte aus Argentinien und Trauben aus Chile. »Für die Spitzenbedarfe in der Hochsaison reichen den Kunden die Containerkapazitäten nicht aus, sie sind zusätzlich auf spezialisierte Tonnage angewiesen.« Dazu bietet Cool Carriers – teils in Kooperation mit der Schwesterfirma Baltic Reefers – temporäre Linienverkehre an oder verchartert ganze Schiffe an einzelne Ladungskunden.

Die zu erwartenden Bunkerpreiserhöhungen in Folge der strengeren Schwefelobergrenze ab 2020 bedeuten aus seiner Sicht keinesfalls den Untergang der konventionellen Kühlschifffahrt. »Man muss doch sehen, dass die Bestimmungen alle Schiffstypen betreffen, nicht nur konventionelle Reefer. Alle Carrier, auch die Containerlinien, werden keine andere Wahl haben, als die Frachtraten anzuheben«, so Selling. Die Tendenz sei bereits erkennbar. »Die Container-Carrier scheinen endlich eingesehen zu haben, dass ihre Preise nicht nachhaltig waren. Von dem, was wir mitbekommen, ziehen die Raten eindeutig an.« Um noch konkurrenzfähiger zu werden, setzten Cool Carriers/Baltic Reefers auch auf Scrubber zur Abgasreinigung. Damit können die Schiffe nach 2020 weiterhin stärker schwefelhaltigen Treibstoff bunkern, der wohl um einiges günstiger sein dürfte als die schwefelarmen Produkte am Markt. Die ersten Schiffe einschließlich des Neubaus »Cool Express« seien bereits mit Scrubbern ausgerüstet und weitere Nachrüstungen folgten, so Selling. Rund ein Viertel der Flotte (Baltic/Cool) sei dafür vorgesehen.

Neue Chancen wittern die konventionellen Carrier für sich im Verkehr nach China. Im Zuge der wirtschaftlichen Entwicklung und des steigenden Konsums werden für das Land in den kommenden Jahren hohe Zuwächse beim Obstimport erwartet. Da die Erzeugerländer in Lateinamerika und Afrika aber nur eingeschränkt durch Container-Liniendienste an China angebunden sind, könnte es zusätzlichen Spielraum für neue direkte, konventionelle Dienste geben. Für Aufsehen sorgte im vergangenen Jahr der Carrier GreenSea – ein Befrachtungs-Joint-Venture der belgisch-niederländischen Seatrade Group und der norwegischen Green Reefers für kleinere Reefer-Frachter. Die Firma brachte in einer Art Pilotprojekt eine ganze Schiffsladung Ananas aus Costa Rica nach China und hofft auf Anschlussaufträge. »18 Tage Transitzeit. Die Ware kam in erstklassigem Zustand in Shanghai an, und die ersten Kisten standen zwölf Stunden nach der Entladung im Hafen schon im Supemarkt«, berichtet GreenSea-Geschäftsführer Hans Mol. Bislang führt China die meisten Ananas von den näher gelegenen Philippinen ein. Doch die dort verfügbaren Mengen sind beschränkt, sodass langfristig zusätzliche Quellen erschlossen werden müssten.

Bei Zitrusfrüchten will China zudem seine bisherigen Beschaffungen in Südafrika ausweiten. Beide Länder haben sich bereits auf ein Protokoll für Transport und Behandlung der Früchte geeinigt, bei dem eine gewisse Mindesttemperatur über eine bestimmte Anzahl von Tagen während des Transits einzuhalten ist. Diese Anforderungen könnten konventionelle Schiffe mit großen Kühlaggregaten und entsprechend geschulten Mannschaften besser erfüllen als Linienreeder mit ihren Kühlcontainern, erklärt Mol. Und auch Spanien sei in Gesprächen mit China über verstärkte Obst- und Agrarlieferungen. Aufgrund der großen Entfernung zwischen den Ländern seien die konventionellen Reefer-Schiffe geradezu prädestiniert für dieses Geschäft, so Mol. Nur mit »direkten und schnellen Diensten« käme die verderbliche Ware überhaupt frisch in Fernost an.


Michael Hollmann