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Der Rückzug von Lloyd’s of London führt zu mehr Anfragen bei deutschen Versicherern.

Nach dem forcierten Ausstieg zahlreicher Lloyd’s-Syndikate aus der Schiffsversicherung ist Bewegung in den Markt gekommen. Die Verknappung von Risikokapazitäten[ds_preview] für Seekasko hat sich Versicherungsmaklern zufolge bei den jüngsten Vertragsprolongationen in teils erheblichen Prämienerhöhungen niedergeschlagen.

Die Risiken müssen zu einem höheren Anteil als vorher in anderen Märkten außerhalb Großbritanniens platziert werden, wo die Versicherer noch Appetit auf das Geschäft haben. Auch der relativ kleine deutsche Markt gehört dazu, sagte Florian Krampitz, Schadensexperte bei Allianz Global Corporate & Specialty (AGCS) und Vorstandsmitglied des Vereins Hanseatischer Transportversicherer (VHT. Er rechnet damit, dass die Zahl der von deutschen Gesellschaften führend versicherten Seeschiffe in der Folge ansteigen wird.

Das würde auch mehr Arbeit für den VHT bedeuten, der zentral die Schadensbearbeitung für deutsche Versicherer in diesem Segment übernimmt. Auch die Schiffsversicherungsabteilung der Ergo habe seit Ende letzten Jahres viel mehr zu tun gehabt, wie ihr Leiter Arne Linke erklärte. »Ich würde auch sagen, dass es dieses Jahr nach oben geht.«

Der kleine Bremer Seekaskoversicherer Minerva hat nach Angaben seines Vorstands Robert Mahn zu Jahresanfang bereits einen Prämienzuwachs von 14% erzielt. »Aber da ist auch viel Beteiligungsgeschäft dabei, nicht unbedingt Führungsgeschäft, was zur Schadensbearbeitung beim VHT landet«, sagte Mahn.

Etwas vorsichtiger beurteilt Hans Christoph Enge, geschäftsführender Gesellschafter des Assekuradeurs Lampe & Schwartze, die Lage. Es stimme zwar, dass die Anfragen von Seekasko-Kunden um »ein Vielfaches« zugenommen hätten. Der Anstieg sei aber erst in den letzten Wochen des Jahres eingetreten. Ob daraus ein Trend werde und ob – noch wichtiger – auch die Preise dauerhaft anzögen, bleibe abzuwarten.

Versicherungsmakler, die weltweit mit Underwritern in Kontakt sind und die Märkte genau vergleichen, beobachten bereits erhebliche Sprünge bei den Prämien. Selbst für Kunden, die eine gute Statistik vorweisen können, habe es zu Jahresanfang Verteuerungen im unteren zweistelligen Prozentbereich gegeben, wird berichtet. Für schadensträchtige Flotten sollen die Prämien sogar in einigen Fällen um mehr als 50% angestiegen sein.

Auslöser der jüngsten »Verhärtung« im Markt war das schärfere Durchgreifen der Versicherungsbörse Lloyd’s of London gegen stark defizitäre Marktteilnehmer im Bereich der See- und Transportversicherung (»Marine«). Fast ein Dutzend Syndikate trat im vergangenen Jahr den Rückzug an.

Im ersten Halbjahr 2018 wies Lloyd’s für die Marine-Sparte eine kombinierte Schaden-Kosten-Quote von über 105% aus. Das war noch vor dem schweren Brand und Totalschaden eines Luxusyacht-Projekts auf der Lürssen-Werft im September. Mit bis zu 600Mio. € soll es einer der größten Schäden aller Zeiten für die Schiffsversicherung sein. Der finanzielle Druck auf die Versicherer und Rückversicherer weltweit hat dadurch noch einmal zugenommen.

Der deutsche Markt war an dem Lürssen-Schaden nicht beteiligt und kam nach jüngsten Zahlen des VHT relativ glimpflich davon. Die Gesamtschäden, die der Verein für seine Mitglieder bearbeitet, kletterten im vergangenen Jahr leicht auf rund 50,6Mio. € – ein leichter Anstieg gegenüber den 49,5Mio. € vom Vorjahr. In der Seekaskosparte gab es zwar einen leichten Rückgang auf 46,14Mio. €. Dafür nahmen die Schäden in den Sparten »Loss of Hire« (Verdienstausfall) und »Sonstiges« (Baurisiko, Nebeninteressen etc.) deutlich zu.

Größte Einzelschäden waren ein Hilfsdieselausfall auf einem Kreuzfahrtschiff und ein Brand auf einem Stückgutfrachter in der Nordsee mit je 1,8Mio. € und 1,7Mio. €. Für den VHT sei es ein »normales« Jahr gewesen, sagte Ergo-Abteilungsleiter Arne Linke, der zu Jahresanfang den Vorsitz des Vereins übernommen hat.

Die Zahl der Seeschiffe unter »VHT Claims Handling«, die somit bei deutschen Versicherern und Assekuradeuren führend versichert sind, kletterte gegenüber dem Vorjahr immerhin um 5% auf 1.627 Einheiten. Bei den Binnenschiffen gab es einen Zuwachs von 236 auf 267 Schiffe. Trotzdem nahm der Gesamtbestand an Objekten, die vom VHT betreut werden, leicht von 2.086 auf 2.026 ab. Ausschlaggebend dafür war eine Halbierung der Loss of Hire-Deckungen (Betriebsausfall) auf 167 Einheiten.
Michael Hollmann