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»Havariekommando ohne Kommando-Gewalt« –  die Schutzgemeinschaft Deutsche Nordseeküste (SDN) kritisiert die Koordinations- und Verständigungsprobleme des Havariekommandos bei der Havarie der »Glory Amsterdam«. Noch 20 Jahre nach der Strandung der »Pallas« bleibe ein »ungutes Gefühl« hinsich[ds_preview]tlich des Notfallkonzepts.

Letzte Woche hat die Bundesstelle für Seeunfalluntersuchung (BSU) den 192 Seiten umfassenden Unfallbericht zum schweren Seeunfall des Massengutfrachters »Glory Amsterdam« am 29. Oktober 2017 vorgelegt. Das Schiff war über zwölf Stunden hinweg gedriftet und vor Langeoog gestrandet. Der Tide, dem weichen Sand sowie dem Doppelboden im Tankbereich war zu verdanken, dass größere Umweltschäden ausblieben.

»Im Namen der Kreise und Kommunen an der Küste spreche ich den Einsatzkräften vor Ort höchste Anerkennung aus. Sie haben ihren teils gefährlichen Einsatz mit Kompetenz, Einsatzwillen und praktizierter Verantwortung für Leib und Leben der Beteiligten durchgeführt«, erklärt der Vorsitzende der SDN, der nordfriesische Landrat Dieter Harrsen. Als kommunaler Umweltverband vertritt die SDN die Interessen von rund 200 Kommunen, Landkreisen, Instituten, Vereinen, Verbänden und Einzelmitgliedern entlang der Küste.

Allerdings benennt der BSU-Bericht Harrsen zufolge einen deutlichen Verbesserungsbedarf im Küsten- und Notfallschutz. Schließlich sei es dem verantwortlichen Havariekommando im Verlauf von insgesamt 12,5 Stunden nicht gelungen, erfolgreich auf eine keineswegs ungewöhnliche Situation zu reagieren, deren erhebliches Gefahrenpotenzial frühzeitig erkannt worden war.

»Nicht  einmal in der Lage, direkt mit Beteiligten zu reden«

Harrsen interessiert, welche Lehren aus der Havarie gezogen werden. Ist das Havariekommando, die staatlicherseits stets hoch gelobte Stelle zur Bewältigung komplexer Schadenslagen auf See und an der Küste, bestens mit Material, Technik und Personal ausgestattet? »Nein«, stellt Harrsen fest: Das »Kommando« sei nicht einmal in der Lage gewesen, zeitnah direkt mit den am Geschehen Beteiligten zu reden, den Havarieablauf aktuell zu beobachten oder gar einen eigenen Beobachter auf den Havaristen zu schicken. Es sei auch nicht mit einer echten Kommando-Gewalt ausgestattet: Hierfür müsse es sich der örtlich zuständigen Verkehrszentrale oder des Kapitäns eines Mehrzweckschiffes bedienen.

Dem Notschleppkonzept des Bundes zufolge muss innerhalb von zwei Stunden ein Notschlepper bei einem Havaristen eintreffen. Harrsen unterstreicht, dass die Besatzung der »Nordic« diese Vorgabe erfüllt habe. Es stelle sich aber die Frage, welche Maßnahmen das Havariekommando in seinem geheim gehaltenen »Fach- und Einsatzkonzept Notschleppen« vorsieht. »Ein solches Konzept müsse die Maßnahmen zur Gefahrenabwehr beschreiben, die ergriffen werden, wenn ein Schiff führerlos auf See treibt. Die Zusammenarbeit würde erleichtert, wenn alle Beteiligten sich schon vor Eintreten einer Havarie sachgerecht vorbereiten könnten«, so der SDN-Vorsitzende.

»Kommunen und Kreise müssen in Notfallkonzept eingebunden sein«

»Deshalb müssen die Kommunen und die Kreise, die ja Katastrophenschutzbehörden sind, in ein solches Fachkonzept eingebunden sein. Denn wenn auf See alles schiefläuft, müssen sie ohnehin in Aktion treten«, erklärt Harrsen. Allerdings beißt er mit der Forderung im Bundesverkehrsministerium auf Granit: Staatssekretär Enak Ferlemann schrieb der SDN, »sicherheitsrelevante interne Handlungsanweisungen« seien »nicht zur Veröffentlichung bestimmt«. Harrsen hält dagegen, eine Information an die Kreise und Kommunen stelle keine Veröffentlichung dar.

Auch die Verständigung und das Verständnis mit- und untereinander scheine nicht nur im Verhältnis zu dem Havaristen »Glory Amsterdam« mangelhaft zu sein, sondern ebenso zwischen den vielen deutschen Beteiligten. Bebilderte, mehrsprachige Handlungs-Anweisungen für den Havaristen zur Vorbereitung eines Notschleppeinsatzes, die mit verschiedensten Kommunikationsmitteln übermittelt werden können, wären der SDN zufolge ein guter Anfang.

Gemeinsame Küstenwache als Lösung

Ein weiterer Knackpunkt: Obwohl Lotsen als nautische Fachleute darauf trainiert sind, schwierige Inhalte auch bei Sprachproblemen zu vermitteln, werden sie vom Havariekommando praktisch nie hinzugezogen – für Dieter Harrsen ein leichtsinniges Verhalten zu Lasten der Küste.

Das Verständigungs-Problem untereinander wäre aus Sicht der SDN am besten zu lösen, wenn die rund 70 Schiffe, die mit unterschiedlichsten Aufgaben im Auftrag deutscher Behörden auf der Nordsee unterwegs sind, im Ernstfall in einer gemeinsamen Küstenwache zusammengefasst werden würden. »Wir brauchen klare Strukturen und kurze Befehlswege. Zwar könnte auch eine Deutsche Küstenwache keine Havarie verhindern, aber aufgrund ihrer schlanken Struktur könnte sie schneller und effizienter reagieren und das Risiko einer Strandung erheblich minimieren«, ist sich Harrsen sicher.

Ungutes Gefühl auch 20 Jahre nach »Pallas«-Havarie

Der Küste bleibe jedenfalls auch 20 Jahre nach der »Pallas«-Havarie das ungute Gefühl, immer noch nicht wirklich vor von Menschen geschaffenen Gefahren geschützt zu sein, so die SDN.

Der mit Holz beladene Frachter »Pallas« war 1998 nach einem Brand an Bord vor der schleswig-holsteinischen Nordseeküste nahe Amrum auf Grund gelaufen und hatte über 240 t Öl verloren und im Nationalpark Schleswig-Holsteinisches Wattenmeer eine Umweltkatastrophe ausgelöst. In Folge der Unzulänglichkeiten in der Koordination verschiedener Sicherheitskräfte wurde das Havariekommando gegründet.