Entdecker wiederentdeckt

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Im Zuge der Bauarbeiten für das britische Bahnnetz »High Speed 2« (HS2), das die Hauptstadt London mit Manchester, Birmingham und[ds_preview] Leeds verbinden soll, haben Archäologen die Überreste des Entdeckers Captain Matthew Flinders gefunden. Dieser hatte im späten 18. und frühen 19. Jahrhundert mehrere bedeutende Reisen unternommen. Als Kommandant der »H.M.S. Investigator« umsegelte er als erster Australien und bestätigte es als Kontinent. Flinders wird auch zugeschrieben, Australien seinen Namen gegeben zu haben. Tatsächlich war er nicht der Erste, der den Begriff benutzte, doch seine Veröffentlichungen machten den Namen bekannt und verdrängten die zuvor gebräuchliche Bezeichnung Neu-Holland. Der Nachname des Kapitäns findet sich heute an vielen Orten in Australien, darunter Flinders Station in Melbourne, Flinders Ranges in Südaustralien und die Stadt Flinders in Victoria. Flinders ist auch Erfinder der Flindersstange, eines Stabes aus Eisen, der senkrecht vor dem Kompassgehäuse angebracht die Beeinflussung des Kompasses durch an Bord befindliches Metall kompensiert.

Matthew Flinders wurde am 16. März 1774 bei Donington geboren. Zur Seefahrerkariere soll er durch die Lektüre von Daniel Defoes Roman »Robinson Crusoe« inspiriert worden sein. 1789 trat er in die Royal Navy ein und fuhr von 1791 bis 1793 unter Kapitän William Bligh (berühmt durch die Meuterei auf der »Bounty«) auf der »Providence« im Pazifik.

1798 segelte Flinders mit Henry Waterhouse und John Thistle auf der »H.M.S. Reliance« zusammen mit dem Marinearzt George Bass um Tasmanien herum. Sie bewiesen, dass es sich um eine Insel handelte. Die Passage wurde später Bass Strait und eine der Inseln Flinders Island genannt. 1801 heiratete Flinders und erhielt das Kommando über die »H.M.S. Investigator«, um mit ihr eine gründliche Untersuchung der australischen Küste durchzuführen. Seine Frau sollte er erst neun Jahre später wiedersehen. Am 18. Juli 1801 verließ die »Investigator« England mit fast 90 Mann Besatzung, darunter Flinders’ Bruder Samuel, sein Cousin und der spätere Polarforscher John Franklin, der Künstler William Westall, der Naturmaler Ferdinand Bauer, der Kapitän John Thistle und der Naturforscher Robert Brown.

Flinders folgte der Südküste Australiens von Kap Leeuwin bis zur Bass Strait. Zu seinen Entdeckungen gehören der Spencer-Golf und der St. Vincent-Golf. 1802 erforschte er die Ostküste Australiens von Port Stephens bis Kap Palmerston, das Great Barrier Reef und fand die Einfahrt zur Bucht von Port Phillip. Mit der Entdeckung einer sicheren Durchfahrt im Norden von Prinz of Wales Island in der Torres Strait gelang ihm als erstem die Umrundung des Kontinents.

Odyssee statt Heimreise

Zurück in Sydney erfuhr er vom Tod seines Vaters und der Krankheit seiner Frau. Zwei Monate später setzte er Segel in Richtung England, erlitt aber am Great Barrier Reef Schiffbruch. Er ruderte zurück nach Sydney, segelte im Oktober in Begleitung zweier weiterer Schiffe zum Riff und holte die Überlebenden ab. Mit der »H.M.S. Cumberland« machte er sich schließlich mit all seinen Büchern, Aufzeichnungen und Karten nach England auf, war aber gezwungen, zu Reparaturarbeiten die Île de France, das heutige Mauritius, anzulaufen – allerdings befanden sich Großbritannien und Frankreich im Krieg. Er wurde interniert und sechseinhalb Jahre gefangen gehalten. Selbst Aufforderungen der französischen Regierung, Flinders freizulassen, beeindruckten den Gouverneur der Insel nicht. Erst als die Briten 1810 die Île de France blockierten, kam Flinders frei und kehrte im Oktober nach England zurück.

Bei schlechter Gesundheit begann er, seinen Reisebericht »A Voyage to Terra Australis« zu schreiben. Flinders’ Zustand verschlechterte sich weiter und er starb mit nur 40 Jahren am 19. Juli 1814 – einen Tag nach Veröffentlichung seiner Bücher und Karten. Er wurde auf dem Friedhof von St. James begraben. Nach der Erweiterung der Euston Station in den 1840er Jahren wurde sein Grabstein entfernt. Anlässlich seines zweihundertsten Todestages im 2014 wurde eine Gedenkstatue für Captain Flinders in der Euston Station aufgestellt.

Bei Vorgrabungen auf dem einstigen Friedhof, wo jetzt ein neuer Bahnhof für HS2 entstehen soll, stießen die Wissenschaftler nun auf den Sarg von Flinders, den sie anhand einer bleiernen Plakette identifizieren konnten. Dass es zur Entdeckung kam, grenzt an ein Wunder – Flinders’ Sarg lag zwischen den Überresten 40.000 weiterer Verblichener.

Für die Archäologen ist der Fund auch ein Grund zum Feiern, weil der Enkel des Kapitäns, Sir Flinders Petrie, als einer der ersten und produktivsten Ägyptologen und Archäologen Großbritanniens gilt.