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Repräsentanten der führenden Wirtschaftsverbände in der Region Wilhelmshaven und Friesland schlagen Alarm wegen des geplanten Abzugs von Kompetenzen aus dem Marinearsenal im Zuge des »Gorch Fock«-Skandals. [ds_preview] Stattdessen müssten diese an der Küste gebündelt werden. Die Schuld liege an anderer Stelle.

Das Verteidigungsmnisterium plant die Verlagerung wesentlicher Steuerungselemente des Marinearsenals hin zur Zentralbehörde Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr (BAAINBw) in Koblenz. Die Überlegungen sind eine Reaktion auf die Vorgänge, die zum Skandal um die Überholung des Segelschuschiffs »Gorch Fock« geführt haben. In der Region Wilhelmshaven ist man alarmiert. Die Präsidenten des Arbeitgeber- und Wirtschaftsverbandes Jade und der Wilhelmshavener Hafenwirtschafts-Vereinigung, Tom Nietiedt und John H. Niemann, wenden sich in einem offenen Brief an Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen.

»Wir sehen demgegenüber ein großes Versäumnis bei der Zentralbehörde in Koblenz, die ihre Kontrollfunktion nicht ausgeübt hat. Nur so ist zu erklären, wie die Dinge in Elsfleth derart aus dem Ruder laufen konnten«

Mit der vorgesehenen Auslagerung der Managementebene und der Übertragung der Projektleitung auf das BAAINBw sehen sie die Gefahr, dass »erneut aufgrund des Wegfalles einer gehobenen oder höheren Kommandobehörde der Marine viele Dienstposten im Arsenal in Wilhelmshaven« wegfallen könnten. »Sollte dies so kommen, würde das Marinearsenal, das Teil des Traditionsverstandnisses unserer stolzen Marinestadt ist, nur noch auf die bloße Ausführung von Werkstatttatigkeiten beschränkt werden«, heißt es in dem Brief.

Eine derart »massive Schwächung des Marinearsenals« wäre ein »schwerer Schlag, nicht nur für die Nordseestadt Wilhelmshaven, sondern für die gesamte Region und die deutsche Marine selbst«, heißt es weiter.

»Ausrüstungsmängel nicht durch Zentralisierung zu beheben«

Es ist unsere feste Überzeugung der Verfasser, dass die dringend nötigen Verbesserungen bei lnstandsetzung und Ausrüstung im Marinebereich nicht durch Zentralisierung der Aufgaben beim BAAINBw zu erreichen sind. »Vielmehr dürfte das genaue Gegenteil erreicht werden, wenn Entscheidungen nicht mehr dort getroffen werden, wo man mit Leidenschaft, jahrzehntelanger Erfahrung und Fachexpertise für die Seefahrt eintritt. Das wäre klar zum Nachteil für alle an der lnstandsetzung beteiligten Akteure«, meinen sie.

»Die personelle Unterbesetzung des Arsenals führt zur Verlängerung der Werftliegezeiten, was eine weitere Facette der Gesamtproblematik darstellt«

Was es vielmehr brauche, sei eine Aufstockung des Personals«, um ausreichend Ressourcen sicherzustellen. Denn die personelle Unterbesetzung des Arsenals führe zur Verlängerung der Werftliegezeiten, was eine »weitere Facette der Gesamtproblematik« darstelle. »Die Lehren der letzten Monate und Jahre zeigen, dass ein Mehr an Zentralisierung weg von der Küste nicht zu einer Effizienzsteigerung gefuhrt hat. Vielmehr waren immer wieder Verlängerungen der Werftliegezeiten und Kostensteigerungen die Folge dieser Entscheidungen«, so die Autoren.

»Nicht Arsenal Großteil der Schuld im ›Gorch Fock‹-Skandal zuweisen«

Der Skandal um die verschleppte lnstandsetzung der Gorch Fock dürfe nun nicht dazu genutzt werden, um dem Marinearsenal den Großteil der Schuld zuzuweisen. »Wir sehen demgegenüber ein großes Versäumnis bei der Zentralbehörde in Koblenz, die ihre Kontrollfunktion nicht ausgeübt hat. Nur so ist zu erklären, wie die Dinge in Elsfleth derart aus dem Ruder laufen konnten«, schreiben Niemann und Nietiedt.

Um die vielen anspruchsvollen Aufträge zur lnstandsetzung von Marineschiffen erfolgreich und effizient erfüllen zu können, müsse das Marinearsenal vor Ort gestärkt werden.

Verlagerung von Koblenzer Stellen nach Norden gefordert

Laut des Schreibens sollten Kompetenzen und Zuständigkeiten für den lnstandsetzungsbetrieb an der Küste gebundelt werden. Dies sei durch die Gründung eines »Systemhauses Küste« zu erreichen, bei dem »Region und Marine gleichsam profitieren« würden. Als erster Schritt in diese Richtung sollte nach Vorstellung der Autoren die gesamte »Abteilung See« des BAAINBw von Koblenz nach Wilhelmshaven verlagert werden.

»Durch diese Konzentration vor Ort an der Küste wird die für effektives Arbeiten und zügige Entscheidungen erforderliche Nähe bei kurzer und schneller Kommunikation mit den ausfuhrenden Unternehmen und dem Nutzer Marine für die derzeitigen und künftigen Projekte erreicht«, heißt es. Dies, kombiniert mit den vor Ort bereits vorhandenen Dienststellen Marineunterstützungskommando und Logistikzentrum der Bundeswehr, könne ein »Kompetenz-Cluster« für alle nationalen maritimen Rüstungsangelegenheiten in Wilhelmshaven gebildet werden. Funktion und Aufsicht des BAAINBw für ordnungsgemäße Auftragsvergabe sollen unangetastet bleiben.