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Der Fachausschuss für Korrosionsfragen (FA KOR) der Hafentechnischen Gesellschaft (HTG) führte seinen 15. Workshop der letzten 21 Jahre durch. Der Ausschussvorsitzende Oliver Heins (EnBw) konnte dabei etwa hundert Gäste begrüßen

Ebenso begrüßte der Geschäftsführer der HTG, Michael Ströh, die Gäste und gab einen Überblick zu den Aktivitäten der Gesellschaft.

Im[ds_preview] ersten Vortrag von Dr. Günter Binder (Corroconsult) wurde das Thema Berechnungen zum Kathodischen Korrosionsschutz (KKS) von Offshore Windenergie Anlagen (OWEA) behandelt. Dabei wurde die Auslegung von KKS-Anlagen, welche im Handbuch des FA KOR’s bereits in ihren Grundzügen dargelegt sind, nochmals für die OWEA im Allgemeinen und für Fälle der Finiten Elementberechnungen (FE) von Schutzpotenzialverteilungen im Speziellen angewandt. Dies ist insofern aktuell von Bedeutung, als dass KKS-Designs für OWEA häufig in nicht nachvollziehbaren FE-begründeten Ergebnissen zur Zulassung für den Offshore-Bereich vorgelegt werden. Bei der Anwendung an aktuellen Fällen existierender Strukturen konnte das Vorgehen mit ausgewählten und verketteten Berechnungsschritten, auf Basis des o.g. Handbuches, die Kontrollfunktion erfüllen. Korrekturen in der vorgelegten Auslegung von Schutzanlagen konnten dadurch rechtzeitig vorgenommen werden, z.B. wenn die Spannungsverluste unberücksichtigt blieben und Gleichrichteranlagen daher zu schwach ausgelegt worden wären. Teilweise war wiederum eine Übereinstimmung der Resultate bei der KKS-Berechnung im Vergleich zu FE-Berechnungen feststellbar.

Klare Regelungen fehlten

Mangels eindeutiger Regelungen in der Vergangenheit für den Korrosionsschutz von OWEA kommen zunehmend Schutzmaßnahmen zum Einsatz, welche in ihrem Schutznachweiß Lücken aufweisen bzw. keine praktischen Erfahrungen aufweisen. Herr Torsten Krebs (GCP) nahm sich dieses Themas an, um im speziellen Fall der Anwendungen des sog. Thermischen Spritzens von Partikel aus Aluminium bzw. Al-Zn-Legierungen (TSA), grundsätzliche Überlegungen hinsichtlich deren Schutzwirkung anzustellen. Zunächst steht der Widerspruch im Raum, dass Metalle wie Zink und Aluminium, die gegenüber Eisen, d.h. Stahl, unedler sind, diesen in Form einer Schutzschicht vor Korrosion schützen aber gleichzeitig, in entgegengesetzter Funktion, als eine Art Opferanode fungieren sollen. Hierbei soll wiederum ein Selbstheilungsprozess den Schutz aufrechterhalten. Die von Herrn Krebs aufgezeigten physiko-chemischen Daten sprechen dafür, dass beide Funktionen nicht gleichzeitig erfüllt werden können und daher die alleinige Anwendung, zudem im schwierigen Wasserwechsel- und Unterwasserbereich, als Korrosionsschutzmaßnahme nicht zielführend sein kann. Zudem fehlt der praktische Nachweis der Schutztauglichkeit von TSA, welcher auch durch Normen und Regelwerke nicht abgedeckt ist.

Ausbesserungstoffe

Mario Hörnig (BAW) berichtete über Erfahrungen und Möglichkeiten zur Prüfung von Ausbesserungsstoffen im Stahlwasserbau. Hintergrund ist der hohe Schadensanteil durch Korrosion im Stahlwasser- und Stahlhochbau, so dass ein F&E-Vorhaben (»smart repair«) initiiert worden ist, welches die kostengünstigere Bauwerkserhaltung durch Reparatur und Instandsetzungsmaßnahmen des Korrosionsschutzes durch Beschichten, basierend auf Landwehr (DB, 1987), darstellt. Zur Eruierung von tauglichen und für die Baustelle umsetzbaren Maßnahmen insgesamt wurden Prüfplatten mit Verletzungen, teilweise vorkorrodiert, ausgebessert und im Labor Belastungen ausgesetzt. Dabei wurden unterschiedliche Bauteilformen (Verbindungsteile z.B.) mit verschiedenen Flächenvorbereitungsmaßnahmen und Beschichtungsstoffen bearbeitet. Letztlich werden die so erzeugten Prüfkörper korrosiven Belastungen wie u.a. dem Salzsprühnebeltest ausgesetzt um Zusammenhänge der Korrosionsschutzwirkung zu erkennen. Ergebnisse werden in Kürze, mit Abschluss des F&E-Vorhabens, zu erwarten sein.

Joachim Pflugfelder (Sika) referierte über die aktuellen Regelwerksänderungen im Korrosionsschutz aus dem Sektor Beschichtung mit dem Schwerpunkt der neuen ZTV-ING, Teil 4, Abschnitt 3. Den Ansprüchen gerecht werden muss z.B. die Oberflächenvorbereitung (siehe ISO 9020, Teil 2), in welcher grundsätzlich P3 gefordert wird (Ausnahme, geriffelte, profilierte Schweißnähte: P2). Herr Pflugfelder ging auch auf die Gleitmittel beim Längsverschub von Brücken ein, um die Nachteile von silikonhaltigen Fetten auf noch nicht mit der Deckbeschichtung versehenen Flächen (siehe Vorgehen nach Blatt 87) aufzuzeigen. Ergänzend gibt es hierfür nun auch die Möglichkeit, eine Zwischenbeschichtung aus Polyurethan 2k aufzubringen. Bei Grundbeschichtungen aus zinkstaubhaltigen Harzen (EP wie auch PUR) wird jetzt eine Trockenfilmdicke von 80 µm statt bisher 70 µm (jeweils Messwert!) als erforderlich erachtet. Weitere wesentliche Änderungen sind u.a. die Grenzwertänderung zu erlaubten Salzablagerungen (DIN SPEC 55684), neues Bindemittel bei HV-Verbindungen, Einführung neuer Schutzsysteme wie Blatt 50 (Hohlkästen), Blatt 90 (Duplexsysteme ohne Sweepstrahlen) und Blatt 100 (längere Schutzdauer).

Induzierte Korrosion

Der Vortrag von Dr. Matthias Graff (Danfoss A/S) griff das Thema Mikrobiell Induzierte Korrosion, mit dem provokanten Titel »MIC – Gibt es das überhaupt?« auf. Dabei ging er auf neuere Arbeiten und Publikationen ein, mit denen Verwirrung und letztlich sogar Zweifel über diese Art der Korrosion verbreitet worden sind. Grundsätzlich kann man Bakterien im Wirkungsfeld der Umgebung einteilen: Anaerob, aerob und beide Milieus gleichzeitig. Neben den SRBs (e–konsumierend) ist für die Baustahlkorrosion noch die Spezies SOB (sulfat- bzw. säurebildend) interessant. Manganoxidierende Bakterien werden wiederum für CrNi-Stahl kritisch, da sie edleres MnO2 bilden und so den »Edelstahl« zur (unedleren) Anode »degradieren«. Es wurden letztlich Widersprüche in der Literatur aufgezeigt, um zur Klärung der Sachlage beizutragen. Aus verschiedenen Vorschlägen leitete Dr. Graff den verwendbaren Überbegriff CIM (Corrosion Induced Microbiologial Activity) her, welcher viele (vernachlässigbare) Detailunterschiede überdeckt.

Norbert Fischer (WSA Trier) stellte Entschichtungsmöglichkeiten von schadstoffbelasteten Altbeschichtungen an Stahlwasserbauteilen vor. Hierbei ist mit Gefahrstoffen wie Asbest, PAK (Leitsubstanz B[a]P) bzw. EPA-PAK für Teerersatzprodukte, PCB (Polychlorierte Biphenyle), Chromate und Blei zu rechnen. Im Vorfeld von Entschichtungsarbeiten ist nach Anhang I GefStoffV Nr. 2.4.1 insbesondere festzustellen, ob Beschäftigte bei Korrosionsschutzarbeiten Asbeststaub ausgesetzt sein können. Grundsätzlich ist ebenfalls in die Betrachtung einzubeziehen, dass fast alle bekannten Entschichtungsverfahren zu einer Zerkleinerung der Stoffmatrix führen und es somit bei der Behandlung oder der Entschichtung von asbesthaltigen Altbeschichtungen potentiell zu Faserfreisetzungen kommt. Als vorteilhaft, also innerhalb der Expositionswerte entsprechend »emissionsarme Verfahren für Kleinmaßnahmen nach TRGS 519, Pkt. 2.9 (Asbest)«, haben sich bei den Reinigungs- und Entschichtungsversuchen Wasserwaschen (bis 250 bar), Nadeln mit Restfaserbindemittel oder permanentes Absaugen, Abbeizen (nur im Außenbereich) für Ausbesserungsarbeiten als geeignet herausgestellt. Für großflächiges Entschichten (»Dekontamination«) stellt das Druckluftstrahlen mit abrasiven Strahlmitteln (Trockenstrahlen«) im Vergleich zu HDW-Strahlen, Beizen mit Abschaben und induktivem Entschichten die ausgereifteste und effektivste Technik dar. Aufgrund der hohen Faserfreisetzungen sind bei diesem Verfahren grundsätzlich die vollen Schutzmaßnahmen für Asbest nach TRGS 519 anzuwenden.

Prüfung im Korrosionsschutz

Das Thema Wiederkehrende Prüfungen im Korrosionsschutz wurde von Wolfgang Friese (APF Korrosionsschutz UG) präsentiert. Diese Prüfungen werden zur Lokalisierung von Unterrostungen und Fertigungsmängeln der Beschichtung sowie zur Feststellung der Beschädigungen durch Nutzung und auch zur Wiederherstellung des Korrosionsschutzes nach Regelwerken durchgeführt. Hierbei ist anzuführen, dass die Umstände der Offshore-Bedingungen es schwierig gestalten, diese Untersuchungen korrekt durchzuführen. Ebenso ist eine Wiederherstellung des Korrosionsschutzes nach Regelwerken on site schwierig, zumal anwendbare Regelwerke derzeit nicht existieren. Die oben genannten Prüfungen werden von Seiten der zugelassenen Überwachungsgesellschaft im Lastenheft gefordert, welches wiederum durch den Bauherrn erstellt wird. Die Überwachungsgesellschaft überprüft die Eignung der Prüfungen und gibt diese frei, bzw. überwacht die Prüfungen. Der Umfang der Prüfungen wird von der zu erwartenden Lebensdauer der Beschichtung, dem Standort, der Korrosivitätskategorie, der mechanischen und atmosphärischen Belastung und den Sicherheitsvorschriften bestimmt und sollte z.B. für Offshore-Windanlagen nahezu identisch sein. Die Prüfungen selbst werden mit den bekannten Hilfsmitteln entsprechend der in den Normen geregelten Bestimmungen durchgeführt. Als Ergebnis wird letztlich erwartet, dass der Korrosionsschutz langfristig erhalten bleibt, das Bauwerk seine vorgesehene Lebensdauer erfüllt und die Standfestigkeit gewährleistet ist.

Schnittstellen-Probleme

Florian Steffens (HPA) berichtete über Schnittstellenproblematiken bei der Anwendung von Beschichtungsproblemen des Blatts 87 nach TL/TP-KOR Stahlbauten. Als Ausgangspunkte für ein Gelingen der Korrosionsschutzausführungen gelten zunächst die Ausschreibung und die Beurteilung der Angebotsabgaben. Hinderlich dabei ist die häufig nicht durchdringbare Vertragsstruktur, in welcher der Ausführende der Korrosionsschutzarbeiten (KS) meist nicht erkennbar ist, sowie die Baustellenbedingungen selbst, wobei verschiedene Gewerke gleichzeitig tätig sind und die Gefahr der gegenseitigen Behinderung latent vorhanden ist. Aber auch bei den KS-Arbeiten selbst sind neben dem AG viele Beteiligte – Planungsbüro, Behörden, Bauüberwacher, Prüfinstanzen, Auftrag- und Subunternehmer – aufzuzählen, die zu koordinieren sind. Speziell bei der Ausführung nach Blatt 87 (s. Vortrag Pflugfelder) ist zu beachten, dass die Deckbeschichtung meist erst nach der Montage, z.B. einer Brücke, unter generell ungünstigen Baustellenbedingungen und Voraussetzungen (ungereinigte bzw. vorgewitterte Zwischenbeschichtung) aufgebracht wird.

Über das Thema Spritzmetallisierung wurde auch von Thomas Wilhelm (SLV Duisburg) referiert. Unabhängig von Detailunterschieden verschiedener Varianten dieses Verfahrens ist dieses grundsätzlich so zu beschreiben, dass mittels Flamme oder Lichtbogen aufgeschmolzene Metallpartikel (Al, Zn und ihre Legierungen) mit hoher Energie auf die optimal flächenvorbereitete Stahloberfläche (ideal: Sa 3) mit hoher Rauheit (Rz: 50 bis 100 µm) unter gleichzeitigem Abkühlen und Oxidation, auf zu schützende Stahloberflächen aufgebracht werden. Für die atmosphärische Belastung werden dabei, in Abhängigkeit von der Schichtdicke (hier: 400 µm), große Schutzdauern bis zu 60 Jahre prognostiziert. Im eingetauchten Bereich werden, den Schätzungen nach, wesentlich kürzere Standzeiten erwartet. Durch das Aufbringen einer Versiegelung (sealer) erfährt die TSA eine Art Vergütung, nachweißbar durch die merkliche Absenkung der Korrosionsstromdichte an der Oberfläche. Hinweise auf Reparaturmöglichkeiten, auch für Offshorebauwerke im atmosphärischen Bereich, wurden ebenfalls dargestellt.

Überzug durch Feuerverzinkung

Der Korrosionsschutz an Schraubverbindungen ist, neben der organischen Beschichtung, vor allem auch mittels Überzug durch Feuerverzinkung zu bewerkstelligen. Sören Trollst (MPA-IfW, TU Darmstadt) führte in die Grundlagen der Feuerverzinkung mit ihren zwei grundsätzlichen Verfahren – Normal- (< 500oC) und Hochtemperaturverfahren (550oC) – mit den Abfolgen der Vor- und Nachbereitungsschritte sowie der dabei entstehenden verschiedenen Legierungsschichten bzw. Phasen ein. Zum optimalen Einsatz der HV-Schrauben in Meerwasserumgebung gehört zunächst einmal das Wissen über die Schadensgefahren. Aufgrund der rel. hohen Löslichkeit von Zink kann es zur »Überzugskorrosion« kommen. Verschiedene Brucherscheinungen wie interkristalliner und transkristalliner Bruch im Gewinde sind häufig der Wasserstoffversprödung, vornehmlich in Kombination mit der Spannungsrisskorrosion, geschuldet. Hierzu werden Prüfungen (TDA bzw. step-load-test) zur Ermittlung des Wasserstoffgefährdungspotenzials kreiert, die sowohl hinsichtlich der produktions- und betriebsbedingten Gefahren an unterschiedlichen Stählen (z.B. bei C- und legierten Vergütungsstählen) angesetzt werden können. Herr Trollst konnte auf Grund der Untersuchungsergebnisse auch Maßnahmen zur Verringerung des Gefährdungspotenzials auflisten.

Nicht zuletzt die Auswahl der aufgeführten Themen und die durchwegs hohe Qualität der Vorträge in Inhalt und Form, hinterließen bei der Zuhörerschaft sehr gute Eindrücke, die sich in der Beurteilung der Veranstaltung niederschlugen. Darüber hinaus blieb auch noch (fast immer) genügend Zeit zu Fragenstellungen und Diskussionen im Vortragssaal sowie in den Pausen. Nicht zu vergessen sind natürlich das tolle Ambiente des Veranstaltungsortes und die Lage über der Stadt Hamburg. Der nächste workshop wird am selben Ort am 7. November 2019 stattfinden.


Günter Binder