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Der in Hamburg ansässige Internationale Seegerichtshof hat im Konflikt zwischen der Ukraine und Russland die Freilassung der ukrainischen Seeleute und Schiffe gefordert. [ds_preview]

Der Fall aus dem November 2018 hat nicht nur in der Schifffahrt für einige Aufmerksamkeit gesorgt, letztlich war Kiew vor das Seegericht gegangen. Russland war dem »Schiedsgericht« ferngeblieben. Viele Länder erkennen die Gerichtsbarkeit des ITLOS nicht an, Russland allerdings ist Mitglied. Die Regierung ist jedoch der Ansicht, dass ein heimisches Gericht zuständig ist, weil es sich um militärische Angelegenheiten handelt. Die Ukraine bezieht sich auf die polizeiliche Strafverfolgung.

Der Richterspruch erfolgte in Form einer einstweiligen Verfügung, da die finale juristische Prüfung wohl noch einige Zeit in Anspruch nehmen wird. Die Ukraine hatte gedrängt, weil man verhindern wollte, dass die Seeleute jahrelang festgehalten werden.

Der Fall gehört in den Kontext des bewaffneten Konflikts und der – völkerrechtlich nicht anerkannten – russischen Besetzung der Halbinsel Krim. Dabei war es auch zu massiven Einschränkungen vor ukrainischen Häfen gekommen.

Fotolia Foto Justiz

Die Ukraine forderte, die Marineschiffe »Berdyansk«, »Nikopol« und »Yani Kapu« freizugeben sowie die Strafverfahren gegen die 24 festgesetzten Soldaten einzustellen. Laut der Klageschrift hat Russland am 25. November die Kontrolle über die drei ukrainischen Marineschiffe beschlagnahmt. Zu diesem Zeitpunkt befanden sie sich im Schwarzen Meer und wollten die Meerenge von Kertsch passieren.

In ihrem Antrag auf einstweilige Maßnahmen behauptete die Ukraine, dass Russland  »gegen die souveräne Immunität von Kriegsschiffen, Marinehilfsschiffen sowie deren Passagieren und Besatzung gemäß den Artikeln 32, 58, 95 und 96 des Übereinkommens und des Völkergewohnheitsrechts verstößt«.

Fokus »Straße von Kertsch«

Nach Ansicht des Schiedsgerichts kann die Unterscheidung zwischen militärischen und polizeilichen Tätigkeiten nicht allein darauf beruhen, ob Marineschiffe oder Strafverfolgungseinheiten bei den betreffenden Tätigkeiten eingesetzt werden, »noch kann diese Unterscheidung allein auf der Charakterisierung der betreffenden Tätigkeiten durch die Streitparteien beruhen.« Eine solche Unterscheidung »müsse in erster Linie auf einer objektiven Bewertung der Art der betreffenden Tätigkeiten unter Berücksichtigung der jeweiligen Umstände beruhen«

Im Ergebnis gehe es um die Durchfahrt der Marineschiffe durch die Straße von Kertsch. Es sei schwierig festzustellen, »dass die Durchfahrt von Marineschiffen an sich einer militärischen Aktivität gleichkommt«. Die Fakten deuten nach Ansicht der Richter daraufhin, dass »der Kern des Streits die unterschiedliche Auslegung des Übergangsregimes durch die Meerenge war und dass ein solcher Streit keinen militärischen Charakter hat. Zudem: »Es ist unbestritten, dass die Russische Föderation bei der Verhaftung Gewalt angewendet hat. Der Kontext ist von besonderer Bedeutung. Das, was geschehen ist, scheint die Anwendung von Gewalt im Rahmen einer Strafverfolgungsmaßnahme und nicht einer militärischen Operation zu sein.« Entsprechend sei man zuständig für den Fall.

Die Straße von Kertsch, eine Meerenge zwischen dem Asowschen und dem Schwarzen Meer, wird sowohl von Russland als auch der Ukraine genutzt. Seit dem Jahr 2003 gibt es einen Vertrag zwischen beiden Staaten. Seit der russischen Annexion der Halbinsel Krim hat Russland  Durchfahrtsrechte eingeschränkt  und Lotsverpflichtungen verhängt.

Das Seegericht stellte fest, dass die von der Ukraine geltend gemachten Rechte auf die Immunität von Kriegsschiffen und Marine-Hilfsschiffen und ihren Soldaten an Bord nach dem Übereinkommen und dem allgemeinen Völkerrecht sind plausibel sind.

»Weitere Maßnahmen nicht angebracht«

Gemäß Artikel 290 Absatz 5 des Übereinkommens stellte das Gericht fest, dass es keine vorläufigen Maßnahmen vorschreiben kann, »es sei denn, es besteht die reale und unmittelbare Gefahr, dass vor der Konstituierung und Arbeitsweise des Schiedsgerichts in  »irreparable Schäden für die Rechte der Streitparteien entstehen könnten.« Die von Russland ergriffenen Maßnahmen könnten tatsächlich die von der Ukraine geltend gemachten Rechte auf Immunität ihrer Marineschiffe und ihrer Soldaten irreparabel beeinträchtigen, heißt es im Urteil. Daher sei man der Auffassung, dass die Dringlichkeit der Situation die Verabschiedung vorläufiger Maßnahmen erfordert.

Unter den gegebenen Umständen verpflichtete das Seegericht Russland daher, die drei ukrainischen Marineschiffe und die 24 inhaftierten ukrainischen Soldaten freizulassen und ihnen die Rückkehr in die Ukraine zu ermöglichen, »um die von der Ukraine beanspruchten Rechte zu wahren«. Nicht notwendig sei hingegen, dass Russland die Strafverfahren aussetzt und keine neuen Verfahren einleitet. Es sei jedoch angebracht, »keine Maßnahmen zu ergreifen, welche die Streitigkeit verschlimmern oder verlängern könnten.« Unklar ist, wie Russland auf das Urteil reagiert.